Das Thema nachhaltige Karrieren (Sustainable Careers) in der Wissenschaft hat eine aktuelle und besondere Relevanz sowohl für Wissenschaftler*innen als Karrieresubjekte als auch für die Personal- und Organisationsforschung.
Wissenschaftliche Karrieren sind durch lange Phasen der Unsicherheit, Mobilitätserfordernisse, Leistungs- und Selektionsdruck, aber in der Regel auch durch Autonomie und subjektiv als sinnvoll wahrgenommene Arbeit geprägt. Ein „wilder Hazard“, wie Max Weber die Universitätslaufbahn in seiner 1917 gehaltenen Rede "Wissenschaft als Beruf" bezeichnet hat. Die Kombination aus Autonomie und Arbeitsplatzsicherheit einer entfristeten Professur dient als ferner Zielpunkt, den längst nicht alle Nachwuchswissenschaftler*innen erreichen. Publikations- und Drittmitteldruck, der Exzellenzdiskurs, die erwartete Orientierung an etablierten Forschungsparadigmen bis hin zu unternehmerischen Universitätsstrategien werfen zudem die Frage auf, wie nachhaltig und sinnstiftend Wissenschaftskarrieren sind und sein könn(t)en (s.a. Bristow et al. 2017; Elangovan & Hoffman 2019).
Die Karriereforschung hat bereits vor fast 30 Jahren untersucht, wie Karriereverläufe fragmentierter und nicht-linearer werden und die Organisationsgrenzen überschreiten (sog. Boundaryless Careers, Protean Careers, Porfolio Careers). In jüngerer Zeit wird in der Karriereforschung das Konzept der Career Sustainability vielfältig aufgegriffen und diskutiert. Unter einer nachhaltigen Karriere verstehen Van der Heijden & De Vos (2015) eine Karriere, die nicht nur durch Dauerhaftigkeit, sondern auch durch sinnstiftende Entwicklungsmöglichkeiten und die Bewahrung und Erneuerung karrierebezogener Ressourcen geprägt ist. Sowohl für einzelne Wissenschaftler*innen als auch für wissenschaftliche Disziplinen stellt sich die Frage, ob und inwiefern die etablierte wissenschaftliche Praxis es erlaubt, sich auf subjektiv bedeutsame Forschungsinhalte zu fokussieren und gesellschaftlichen Impact, z.B. im Sinne der Forschung zu den Grand Challenges bzw. den SDGs, nicht nur anstreben zu können, sondern auch als Forschungsleistung anerkannt zu bekommen (Careers for Sustainability). Eine sich als kritisch verstehende Karriereforschung befasst sich aktuell mit alternativen, atypischen und widerständigen individuellen Karrierestrategien an Business Schools (Bristow 2023; Robinson et al. 2023), die Fragen an die Kriterien für „Karriereerfolg“ (Mayrhofer et al. 2016) stellen. Dass Karrieremöglichkeiten zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt sind, ist nicht nur bekannt, sondern auch viel beforscht. Auschra, Bartosch & Lohmeyer (2022) zeigen mit ihrer aktuellen Studie zur Unterrepräsentanz von Frauen in führenden Zeitschriften der Management- und Organisationsforschung die Bedeutung von „men’s clubs“ und „male islands“ für die Zusammensetzung von Autorenteams und die Besetzung von research topics auf mit karriererelevanten Folgen auf einem Arbeitsmarkt, der durch eine quantifizierte Erfolgs- und Potentialmessung geprägt ist.
Mit dem vorgeschlagenen Panel greifen wir die Debatte um Sustainable Careers auf und wollen die Möglichkeiten und (aktuellen) Grenzen nachhaltiger Karrieren in unserer Disziplin diagnostizieren und mögliche Pfade in Richtung nachhaltiger(er) Karrieren diskutieren. Inputs kommen von Speakern, die wichtige und weltweit rezipierte Beiträge zur Karriereforschung geleistet haben. Das Panel adressiert ein aus unserer Sicht ein Thema, das sowohl für die wissenschaftliche Community als auch für jede*n Forscher*in bedeutsam und von aktueller Relevanz ist. Ein Panel auf der Jahrestagung des VHB ist aus unserer Sicht ein idealer Ort, um die sehr grundlegende Fragen zu Sustainable Careers in unserer Disziplin mit Kolleginnen und Kollegen auf allen Karrierestufen zu diskutieren.
Sustainable Careers - The Concept
Prof. Dr. Beatrice van der Heijden, Radboud University Nijmegen
Sustainable Careers and Career Success
Prof. Dr. Wolfgang Mayrhofer, WU Wien
Gender and Sustainable Careers
Dr. Nora Lohmeyer, Radboud University Nijmegen
