„Wenn ein Löffelchen voll Zucker bittere Medizin versüßt“? Kontrastierende Perspektiven auf ‚Funktionen‘ des Spiels in (erwachsenen-)pädagogischen Kontexten
Chair(s): Wiebke Waburg (Universität Koblenz, Deutschland), Nicole Hoffmann (Universität Koblenz, Deutschland)
Das geplante Panel greift – dem ‚gesonderten Fokus‘ im Call for Papers folgend – ‚Spiel‘ bzw. ‚Spielen‘ in einem engeren Sinne auf, wobei die drei vorgesehenen Beiträge in unterschiedlicher Ausrichtung den Akzent auf Brett- und Gesellschaftsspiele legen. Differenziert bzw. hinterfragt wird dabei die oft leichthin postulierte Idee des ‚Versüßens‘ einer ‚bitteren‘ Sache, wie sie in der titelgebenden Maxime von Mary Poppins zum Ausdruck kommt. Geht es zunächst auf einer ersten Ebene um ein grundlegendes empirisches Analysemodell zur – keineswegs ausschließlich ‚süß‘-freudvollen – emotionalen Wahrnehmung in Spielsituationen, so folgt auf einer zweiten Ebene, anhand eines Transferprojekts aus der außerschulischen Jugendbildung, eine kritische Auseinandersetzung mit den Potenzialen des Spielens für das Empowerment von Mädchen. Den Abschluss bildet, auf einer dritten Ebene, ein breit angelegtes Panorama, das unterschiedliche institutionell verfasste Positionen zur Ausgestaltung des Verhältnisses von Spielen und Lernen im Erwachsenenalter nachzeichnet und nach den Implikationen des ‚Mary Poppins-Prinzips‘ fragt. Das Verständnis von ‚Funktion‘ variiert in den Beiträgen entsprechend, doch geht es auf allen drei Ebenen um eine Annäherung an die tatsächlichen ‚Spielräume‘, die mit den Potenzialen wie Grenzen spielerischer Formate in ihrer Relation zu Bildung oder Lernen in pädagogischen Kontexten verbunden sind.
Beiträge des Panels
GameMood – Analyse von Emotionsverläufen in Brett- und Gesellschaftsspielen
Volker Mehringer1, Thomas Voit2
1Universität Augsburg, Deutschland, 2Technische Hochschule Nürnberg, Deutschland
Das Spielen ist ohne Emotionen kaum vorstellbar. Vom begeisterten Lachen und freudeerfüllten Gesichtern, über wildes Tobegeschrei, bis hin zum frustrierten Umwerfen eines Spielbretts. Jeder Mensch kann sich im Rückblick auf eigene Spielerfahrungen diese emotionale Seite vergegenwärtigen und nachempfinden. Auch viele wissenschaftliche Spieldefinitionen benennen Emotionen explizit und implizit als ein wichtiges Definitionskriterium (vgl. bspw. Einsiedler 1994, S. 15; Kluge 1981, S.37). Sie sind zentraler Motivator und Antrieb für Spieltätigkeiten und beeinflussen maßgeblich die durch das Spiel induzierten Lernprozesse.
In Anbetracht dieser zentralen, lenkenden Rolle, die der emotionalen Wahrnehmung in Spielsituationen zukommt, überrascht es, wie wenige empirische Untersuchungen diesen Aspekt bislang in den Fokus ihrer Forschung gerückt haben. Der geplante Beitrag setzt an diesem Forschungslücke an. Mit GameMood soll ein empirisches Analysemodell zur Untersuchung von emotionalen Wahrnehmungsverläufen während des Spielens vorgestellt und Ergebnisse erster Testdurchläufe dargestellt und methodisch reflektiert werden. Die Fokussierung auf die emotionale Wahrnehmung wird ergänzt durch eine Fokussierung auf eine konkrete Typik von Spielsituationen, das Spielen von Brett- und Gesellschaftsspielen.
PowerGame – Brettspielprojekte zwischen Spielfreude und Empowerment
Wiebke Waburg, Claudia Quaiser-Pohl, Viola Dombrowski, Nina Kelle-Gilles
Universität Koblenz, Deutschland
Das Transferprojekt „PowerGame. дівчина – gabar – kız: Empowerment von Mädchen durch Spielprojekte“ (BMBF, DATIpilot) greift in seiner grundlegenden Anlage die Relation zwischen Spiel und Bildung auf. Dieses Projekt der außerschulischen Jugendbildung wird in Zusammenarbeit mit dem Haus der offenen Tür Koblenz durchgeführt und zielt auf das Entwickeln und Erproben von spielpädagogischen Maßnahmen zum Empowerment von Mädchen unter Berücksichtigung vorliegender wissenschaftlicher Befunde zur Wirkung von Brettspielen. Bildungsprogramme, in denen Brettspiele genutzt werden, belegen Veränderungen in Bezug auf Problemlösen und mathematische Kompetenzen, räumliche Vorstellung und Kreativität sowie soziale Kompetenzen, wie Teamfähigkeit und kommunikative Skills, und nicht zuletzt Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit (Noda, Hirotsuki & Nakao 2019; Bayeck 2020; Souza et al. 2023). In dieser Aufzählung werden die Potenziale des Spielens für das Empowerment der Mädchen deutlich im Sinne einer „Stärkung von Autonomie und Selbsthilfe durch die Aktivierung von individuellen Potenzialen“ (Bachmann 2016, S. 161).
Das Projekt ist dementsprechend darauf ausgerichtet, spieltypische Elemente für das Empowerment von Mädchen mit ganz unterschiedlichen (auch migrationsbezogenen) Hintergründen nutzbar zu machen. Gemeint sind dabei Aspekte wie Spielfreude, Spaß, das Heraustreten aus dem Alltäglichen und Flow, die das Spielerleben prägen und die die Beteiligung an regelmäßigen Spielegruppen sichern sollen. Die Förderung der Mädchen erfolgt – so die Annahme – ‚nebenbei‘ beim Spielen. Im Vortrag diskutieren wir unter Berücksichtigung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung (Beobachtungen und Gruppendiskussionen), inwiefern die beschriebene Relation sich im Rahmen der Implementation des Projektes als tragfähig erweist respektive verschoben wird.
Wahlverwandtschaft‘, ‚Zweckehe‘ oder ‚liaison dangereuse‘? Argumentative Positionen zum Verhältnis von Spielen und Lernen im Erwachsenenalter
Nicole Hoffmann
Universität Koblenz, Deutschland
Mit Blick auf die Beziehung von so grundlegenden Kategorien wie ‚Spielen‘ und ‚Lernen‘ eröffnet sich – systematisch, historisch wie kulturvergleichend – ein überaus weitläufiges Feld (vgl. u.a. Parmentier 2004; Denk 2021). Doch selbst mit Konzentration auf eine deutlich kleinere Schnittmenge, wie sie sich aus einem Fokus auf Brett- bzw. Gesellschaftsspiele in Kombination mit dem Lernen im Erwachsenenalter für den deutschsprachigen Raum der Gegenwart ergibt, ist die sich auftuende Szenerie noch immer vielschichtig (vgl. Reich 2022).
Der geplante Beitrag versteht sich als ein – diskurs- bzw. argumentationsanalytisch angelegter (vgl. u.a. Diaz-Bone 2005) – Versuch, die verschiedenen Positionen innerhalb der Topografie jener institutionellen Orte nachzuzeichnen, welche in ihren Feldern jeweils ausdrücklich eine Relation zwischen Brett- bzw. Gesellschaftsspielen und dem Lernen Erwachsener herstellen. Betrachtet werden dabei einerseits die Seite des Spielemarktes prägende Landmarken, wie etwa Spiel-Verbände und -Verlage mit ihrer Warenpalette oder Online-Portale für die Brettspiel-Community. Die ‚andere‘ Seite jener Positionen, welche primär für Bereiche des Lernens im Erwachsenenalter stehen, führt u.a. von unterschiedlichen Bildungseinrichtungen über Forschungsinstitute für Erwachsenenbildung und Fortbildungsanbietende bis hin zu Verlagen für Lehr- und Lernmedien.
Diskursiv werden ‚Spielen‘ und ‚Lernen‘ dort funktional auf variierende Weisen miteinander verflochten. Zuweilen im Sinne eines ebenbürtigen Bündnisses mit erfolgreicher Synergie; an anderen Orten dominiert das eine über das andere; vielfach wird das „Mary Poppins-Prinzip“ (Bohlmann 2004, im Titel) der ‚Versüßung‘ des Lernens durch das Spiel ins Feld geführt. Der Beitrag fragt jedoch nicht nur danach, welche ‚Funktionalisierungen‘ auftreten, sondern auch nach ihren Fundierungen sowie möglichen Implikationen.