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Session 4a: Einzelbeiträge zu Fragen der Nicht-/Beteiligung an Weiterbildung
Zeit:
Mittwoch, 17.09.2025:
9:00 - 10:45
Ort:E 314
Präsentationen
„Spiele zwischen Ungleichen“ - Eine Vignettenanalyse zu Präferenzen und Einstellungen aus Bevölkerungsperspektive vor den Hintergrund soziodemographischer Merkmale
Caroline Dietz, Martin Reuter
Justus-Liebig-Universität Gießen, Deutschland
Die Erwachsenen- und Weiterbildung steht in einem Spannungsfeld zwischen individuellen Spielräumen und überindividuellen Strukturen, die sozial ungleich ermöglichen oder behindern können. Weiterbildungsteilnahme sollte nicht rein individualisierend betrachtet werden (Käpplinger 2022, S. 973), da das „Mitspielen“ nicht immer unter gleichen Bedingungen abläuft. Das Teilnahmeverhalten ist bereits seit langer Zeit mithilfe der Metapher der „Weiterbildungsschere“ (Schulenberg et al., 1978) gekennzeichnet, wobei Käpplinger, Koubek, Reuter & Bilger (2024) im Längsschnitt auf unterschiedliche Entwicklungen im Kontext der Ungleichheit im Weiterbildungsverhalten je nach soziodemographischen Merkmalen und deren Intersektionalität hinweisen. Welche Einstellungen in der Bevölkerung zum Thema Weiterbildung existieren und welche Präferenzen bestehen ist bisher wenig erforscht.
Unser Beitrag präsentiert ausgewählte Ergebnisse der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten, quantitativen Studie „Einstellungen zum Lebenslangen Lernen in der Bevölkerung“. Mithilfe eines experimentellen Designs (Vignettenstudie) wurden in der Online-Befragung (n=3.122 Personen der deutschen Wohnbevölkerung im Alter von 18-67 Jahren) verschiedene Szenarien zur Weiterbildungsteilnahme vorgelegt, die sich entlang der Dimensionen Anlass, Finanzierung, Format und Zeit in Bezug auf Weiterbildung unterschieden. Die Auswertung der 12.488 Vignettenbewertungen erfolgte über ein Linear Mixed Model, wobei weitere, relevante unabhängige Variablen (soziodemografische Merkmale, Einstellungen zu Weiterbildung, regionale Aspekte etc.) zusätzlich aufgenommen wurden. Durch das gewählte, methodische Design können nicht nur einzelne Einflussfaktoren, sondern Einstellungen und Präferenzen in ihren Konfigurationen vergleichend in den Blick genommen werden, was gruppenspezifische Erkenntnisse ermöglicht. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Dimensionen Finanzierung und Zeit maßgeblich für die hypothetische Weiterbildungsteilnahme („Spielteilnahme“) sind. Neben soziodemographischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, beruflicher Abschluss, Erwerbssituation, Migrationshintergrund, Gemeindegrößenklassen) nehmen auch personenspezifische Einstellungen einen Einfluss auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit an Weiterbildung. Dies betrifft insbesondere zu, wenn man sich durch Weiterbildung besser fühlt sowie der Meinung ist, dass vom Staat oder Arbeitgebern ausgegebenes Geld gut angelegt sei.
Zwischen Spiel und Spielregel – zur Herstellung und Bewältigung beruflicher Übergänge und der (Nicht-)Beteiligung an Weiterbildung
Stefan Rundel
Universität der Bundeswehr München, Deutschland
Mit dem Konzept der „Institutionalisierung des Lebenslaufs“ (Kohli 1985) sind gewissermaßen die Spielregeln des Lebens bestimmt: Den Taktgebern Beruf und Familie entsprechend folgen Bildungs-, Erwerbs- und Ruhephase aufeinander. Gleichzeitig sind den Phasen, wie im Spiel, Handlungsspielräume inhärent. Bei beruflichen Übergängen im Sinne des Wechsels einer Berufsgruppe, wie von der Drogistin zur Deutschlehrerin oder vom Juristen zum Koch, werden im Gegensatz zum lebenslangen Beruf Freiheitsgrade im ‚Spiel des Lebens‘ genutzt. Solche sich bietende Optionen und Leerstellen müssen bearbeitet (Fischer & Kohli 1987), Übergänge hergestellt und bewältigt werden (Walther & Stauber 2007) und das Subjekt sich im Sinne einer Erwerbsorientierung (Kraus 2022) ins Verhältnis zur Arbeit setzen. Hierbei konstituiert sich Biographie als soziales Gebilde zwischen Spiel und Spielregel, Struktur und Subjekt (Fischer-Rosenthal & Rosenthal 1997; Maschke & von Felden 2023).
Bei Berufsgruppenwechseln stellen sich für die Erwachsenenbildung Fragen nach dem Verhältnis von Subjekt und Arbeit, dem Nutzen von Freiheitsgraden bzw. dem Zwang des ‚Spiel des Lebens‘ und inwiefern es zu einer (Nicht-)Beteiligung an Weiterbildung kommt (Wittpoth 2018) – in einem qualifikationsbestimmten System wie in Deutschland (Müller & Shavit 1998) sind Berufs- und (Weiter-)Bildungssystem aufeinander bezogen. Im Vortrag werden Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt zu Berufsgruppenwechseln im Alter 50+ vorgestellt. Anhand von narrativen Interviews (Schütze 1983) und Bildern zum Beruf konnten mithilfe der Dokumentarischen Methode (Bohnsack 2021) kollektive Orientierungen im Rahmen einer Berufs- und Weiterbildungstypik rekonstruiert werden. Dabei zeigt sich, dass Flexibilität (Typ 1) ein konsistenter Modus der Berufsbiographie darstellt, Handlungsspielräume durchgehend spielerisch genutzt werden und sich dies auch in der Inanspruchnahme von Weiterbildung dokumentiert. Demgegenüber heben sich Berufsgruppenwechsel als Kampf (Typ 2) von erfahrener Ungleichheit und beruflichen Leidenserfahrungen ab, womit der Weiterbildung ein emanzipatorisches Moment zukommt. Auch einer berufsbiographischen Suche (Typ 3) können Berufsgruppenwechsel folgen, die durch Weiterbildung angestoßen und vollzogen werden. Der Vortrag beleuchtet das Zusammenspiel von Spielregel und Spiel, (beruflicher) Norm und (beruflicher) Praxis (Bohnsack 2017) bei Berufsgruppenwechseln und damit einhergehender (Nicht-)Beteiligung an Weiterbildung.