Inklusion als Spiel in der Erwachsenenbildung/-sforschung: illusio zwischen Glaube und Erfahrung
Chair(s): Olaf Dörner (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland), Ingo Siegert (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland), Katharina Maria Pongratz (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland), Matthias Busch (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland)
Die Umsetzung von Inklusion ist nicht nur eine politische und normative Forderung, sondern auch ein dynamischer gesellschaftlicher Aushandlungsprozess (vgl. Katzenbach 2012; Trescher 2020). Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) setzt einen klaren Rahmen für inklusive Bildungspraktiken, doch ihre Umsetzung ist an institutionelle Strukturen, Akteure und Diskurse gebunden, auch in der Erwachsenenbildung (vgl. Heimlich/Behr, 2018; Ackermann 2019; Hirschberg/Bonna/Stobrawe 2019; Schreiber-Barsch/Stang 2021; Dörner/Pongratz 2022). In diesem Spannungsfeld zwischen politischem Anspruch und realen Bedingungen (vgl. Boger 2024, 26 f.) entwickelt sich Inklusion als ein "Spiel" mit eigenen Regeln, Positionierungen und Deutungsmächten. Im Panel soll es um Inklusion in der Erwachsenenbildung aus drei Perspektiven gehen: als strukturierte Praxis mit feldspezifischen Regeln und Gegenstand inklusiver Erwachsenenbildungsforschung (Inklusion als Spiel), als partizipativer Ansatz, bei dem inklusive Prozesse als kreativer Mitgestaltungsraum erlebt werden (Inkusion durch Spiel) und als technologische Herausforderung im Kontext der Digitalisierung von inklusiver Erwachsenenbildung (KI als Mitspielerin). Dabei wird Inklusion als illusio verstanden, als das, auf das sich Akteure einlassen, wenn sie das Spielfeld Inklusion betreten – Spieleinsatz, -ergebnis, -interesse, -voraussetzungen – und sich spannungsreich zwischen Glauben (an Inklusion) und Erfahrung (mit Inklusion) konstituiert und entfaltet (vgl. Bourdieu 1999, 122 ff.). Reflektiert und diskutiert werden sollen Möglichkeiten und Grenzen von inklusiver Forschung und Inklusion in der Erwachsenenbildung: Welche empirischen und gestalterischen bzw. didaktischen Möglichkeiten eröffnet die praxeologische illusio-Prespektive auf Inklusion in der Erwachsenenbildung?
Das Panel ist interdisziplinär ausgerichtet. Ingo Siegert und Matthais Busch bringen ingenieurwissenschaftliche Perspektiven, Bereich Informations- und Kommunikationstechnik ein Katharina Maria Pongratz und Olaf Dörner erziehungswissenschaftliche, insbesondere Erwachsenenbildungsperspektiven.
Mit dem Panel laden wir dazu ein, Inklusion nicht nur als regulierten Prozess, sondern auch als offenes, kreatives und spielerisches Forschungs- und Handlungsfeld zu betrachten. Es verbindet rekonstruktive, gestalterische/didaktische und technologische Perspektiven und regt zur kritischen Auseinandersetzung mit den Bedingungen und Möglichkeiten inklusiver Erwachsenenbildung im Kontext von Forschung an.
Beiträge des Panels
Inklusion als Spiel: Theoretische und empirische Implikationen einer rekonstruktiven Laborforschung
Olaf Dörner, Katharina Maria Pongratz
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland
Grundlagentheoretisch konstruieren wir Inklusion als machtvolles und spannungsreiches Spiel verschiedener Akteure auf einem Feld mit Regeln, die im politischen Diskurs deutlich definiert sind und von Akteuren (Organisationen, Gruppen, Personen) praktisch und je spezifisch modifiziert werden. Wir konzentrieren uns auf die Praxis der Werkstatt-Uni, einem Format inklusiver Erwachsenenbildung, das Erwachsene mit und ohne Behinderungen adressiert sowie zugleich ein Laboratorium für inklusive Erwachsenenbildungsforschung ist (Dörner/Pongratz 2024). Anhand der Konzeption und Praxis der Werkstatt-Uni zeigen wir mit empirischen Ergebnissen auf, inwieweit ein Labor für inklusive Erwachsenenbildungsforschung (neue) Möglichkeiten für rekonstrukDve Forschung (vgl. Bohnsack 2014) und inklusive Erwachsenenbildung eröffnet. Unsere zentralen Fragen: Welche illusio liegt dem Spiel Inklusion zugrunde? Welche Rahmungen und Spielräume (Wittpoth 1997) von Inklusion lassen sich anhand der Werkstatt-Uni im Kontext einer inklusiven Laborforschung rekonstruieren?
Inklusion durch Spiel: Partzipatives Co-Design für inklusive Erwachsenenbildung
Matthias Busch
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland
In diesem Beitrag wird die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz als innovatives Spielelement im Bereich inklusiver Erwachsenenbildung untersucht. Dabei wird dargestellt, wie KI bestehende Praktiken und Machtstrukturen transformieren und gleichzeiDg neue Räume für Bildung und Teilhabe eröffnen kann (Smith/Smith 2021; Busch/Ibs/Siegert 2024). Zentral ist die Frage, wie die Bedürfnisse und Perspektiven der Zielgruppe – insbesondere von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen – frühzeitig und nachhaltig in den Softwareentwicklungsprozess integriert werden können (Delgado et
al. 2021; Smith/Smith 2021). Diese Integration stellt konventionelle Entwicklungsprozesse und Teams vor besondere Herausforderungen und erfordert einen kooperativen Forschungsansatz im Rahmen partizipativer Co-Design-Methoden (Bircanin et al. 2021; Bayor et al. 2021).
Ausgehend von der Lehr-Lern-Umgebung inklusiver Forschungslabore wird reflekDert, welche Rolle dieser interdisziplinäre Ansatz in der partizipativen Entwicklung von KI-Systemen spielt und wie er gestaltet werden kann (Busch et al. 2024; Dirks 2022). Dabei werden die Risiken und Potenziale beleuchtet, die sich aus der Nutzung solcher Umgebungen als Basis für neue Entwicklungsmethoden ergeben. Zudem wird der Beitrag in einen breiteren Diskurs über die Gestaltungsfelder der Erwachsenenbildung eingebe<et – als ein Spannungsfeld zwischen Freiheit und Restriktion, in dem sich neue Spielräume eröffnen.
Der Beitrag unterstreicht, dass ein erfolgreicher inklusiver Co-Design-Prozess sowohl technisches als auch pädagogisches und ethisches Know-how voraussetzt, um eine echte Mitgestaltung auf Augenhöhe zu ermöglichen und Inklusion im Umgang mit KI nachhalDg erfahrbar zu machen (Dirks 2022).
KI als Mitspielerin: Künstliche Intelligenz in der inklusiven Erwachsenenbildung
Ingo Siegert
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland
Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet im „Spiel“ um Inklusion in der Erwachsenenbildung zahlreiche neue Handlungsmöglichkeiten und PerspekDven (vgl. Dreisiebner/Lipp 2022; Pagliara et al. 2024). Die jüngsten Entwicklungen – von automaDscher Textvereinfachung über adapDve Sprachassistenz bis hin zu interakDven Dialogsystemen – versprechen eine dynamische Erweiterung der Lern- und Lehrsettings (vgl. Štajner 2021; Mateos-Sánchez et al. 2022). Dabei zeichnet sich ein Spannungsfeld zwischen technischer Machbarkeit und sozialwissenschaGlichem Anspruch ab: Während KI-Tools Barrieren abbauen, Lernprozesse individualisieren und MoDvaDonsanreize setzen können, bleibt zu klären, in welchem Rahmen sich ethische, didaktische und strukturelle „Spielregeln“ gestalten lassen (vgl. Kähler 2022). Die Frage nach Zugänglichkeit, Datenschutz und NachhalDgkeit rückt hier ebenso in den Fokus wie die Rolle der Beteiligten selbst, die ihre Praxis entlang neuer Rollen- und Regeldefinitionen aushandeln (vgl. Zawacki-Richter et al. 2019).
Aus einer forschungsorientierten und zugleich praxisnahen Perspektive ergeben sich damit mehrere Ebenen der Reflexion: (1) Welche Fähigkeiten aktueller KI-Systeme lassen sich gezielt in inklusiven Bildungssettings einsetzen? (2) Wie kann die Integration moderner KI-Verfahren unterschiedliche Lernvoraussetzungen optimal berücksichtigen? (3) Wie lässt sich empirisch überprüfen, ob KI-Systeme Barrierefreiheit nachhaltig fördern oder nur punktuell wirken?
In diesem Vortrag werden nicht nur theoretische Ansätze und aktuelle Studien diskutiert, sondern auch praktische Entwicklungen aus dem technischen Blickwinkel vorgestellt. So sollen die Zuhörenden einerseits Einblicke in den State of the Art erhalten und andererseits erfahren, wie KI als „Mitspielerin“ konkret zur inklusiven Erwachsenenbildung beitragen kann – und welchen Herausforderungen sie sich dabei stellen muss.