ENTFÄLLT: Förderliche Bedingungen für die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme zur Vorbereitung auf den Abschluss der (erweiterten) Berufsbildungsreife und Hinweise auf Teilhabeaspekte
Svenja Krämer
IU - Internationale Hochschule, Deutschland
Fragen rund um Teilnahme an Erwachsenenbildung/Weiterbildung sowie die damit einhergehende Rolle einer Zielgruppen- und Teilnehmendenorientierung (bspw. Breloer, Dauber & Tietgens, 1980; Tietgens, 1992) beschäftigt die Erwachsenenbildung/Weiterbildung seit vielen Jahrzehnten (bspw. Strzelewicz, Raapke & Schulenberg, 1966). In einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft nehmen diese erwachsenenpädagogischen Prinzipien einen auch weiterhin wesentlichen Stellenwert ein und individuelle Bedürfnisse und Bedarfe der Teilnehmenden müssen umfassend in das Blickfeld rücken (Öztürk, 2012, S. 84). Herausgestellt werden bspw. der Lebensweltbezug als eines der Grundprinzipien didaktischen Handelns, um einen Zugang zum Lerngegenstand zu ermöglich (Auernheimer, 2001, S.9).
Es stellen sich entsprechend Fragen nach förderlichen und hinderlichen Bedingungen für eine Teilnahme an Erwachsenenbildung / Weiterbildung. Hier schließt der Beitrag an, indem Kernergebnisse eines Promotionsprojektes herangezogen werden (Krämer, 2018). Untersuchungsfeld stellte eine Qualifizierungsmaßnahme dar, die auf den Abschluss einer (erweiterten) Berufsbildungsreife vorbereitet und die Teilnehmenden zudem bei dem (Wieder-)Eintritt in den Arbeitsmarkt unterstützen soll. Ziel der ausgewählten Qualifizierungsmaßnahme ist eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in einem Mindestalter von 24 Jahren, die bisher keinen in Deutschland anerkannten Schulabschluss und keine qualifizierte Berufsausbildung besitzen. Insgesamt wurden sieben Frauen mit Hilfe narrativer Interviews (Schütze, 1983) interviewt, die alle die gesamte Qualifizierungsmaßnahme besucht haben und ihre (erweiterte) Berufsbildungsreife erfolgreich bestanden haben. Das vorhandene Datenmaterial wird mit den folgenden Fragestellungen erneut aufbereitet:
1. Welche Bedingungen können herausgestellt werden, die für eine Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme förderlich waren?
2. Welche Aspekte zeigen sich in den erhobenen reflektierten Lernprozessen, die auf eine erhöhte (gesellschaftliche) Teilhabe hinweisen?
Suchbewegungen biografischerBildung im Kontext gesellschaftlicher Partizipation am Beispiel der sog. „Verschickungskinder“
Hannah Rosenberg, Nicole Hoffmann
Universität Koblenz, Deutschland
„Biografische Bildungsprozesse verlaufen auf eigenwillige Weise; sie ermöglichen unerwartete Erfahrungen und überraschende Transformationen, die oft von der lernenden Person selbst nicht vorhergesehen waren oder erst ex post verstanden werden“; dabei sind sie, so Alheit und Dausien weiter, „nicht nur als Aneignungs- und Konstruktionsleistungen im Blick auf die individuell-reflexive Organisation von Erfahrung, Wissen und Können zu verstehen. Sie beinhalten auch den Aspekt der […] Bildung von sozialen Netzen und Prozessen, von kollektivem Wissen und kollektiver Praxis“ (2023, 75f.).
Vor diesem Hintergrund greift der geplante Beitrag auf Ergebnisse aus zwei Projekten zu den sog. „Verschickungskindern“ zurück, die einen exemplarischen Zugang zum Facettenreichtum ‚biografischer Bildung‘ im Kontext der Realisierung eines gesellschaftlichen Partizipationsanliegens bieten.
Der Begriff „Verschickungskinder“ bezieht sich auf über 12 Millionen Kinder und Jugendliche, die in Deutschland von Ende der 1940er bis in die 90er Jahre hinein zur Durchführung von Maßnahmen der Gesundheitshilfe in Erholungsstätten untergebracht wurden, ohne bei den mehrwöchigen Aufenthalten von ihren Eltern begleitet zu sein. In den letzten Jahren haben sich vermehrt ehemals Verschickte zu Wort gemeldet, von rigiden Behandlungsmaßnahmen, psychischen Demütigungen, körperlicher Gewalt, Medikamentenmissbrauch oder sexuellen Übergriffen in den damaligen Heimen berichtet - und ein Recht auf Aufarbeitung eingefordert. Es bildeten sich Betroffenengruppen und eine bundesweite Bewegung (vgl. Röhl 2021).
Im Rahmen der sich in unseren Projektergebnissen - auf Basis von Dokumentenanalysen und Interviews - abzeichnenden vielfältigen ‚Suchbewegungen‘ im Umgang mit problematischen Verschickungserfahrungen lässt sich ein Spektrum lern- bzw. bildungsbezogener Praktiken ausmachen, das sowohl individuelle Bedürfnisse biografischer Selbstvergewisserung, soziale Verständigungsformen als auch Formate zur Erlangung kollektiver Anerkennung umfasst. Teilhabe ist dabei keineswegs nur an die Teilnahme an arrangierten Bildungsangeboten geknüpft; vielmehr eröffnet der systematische Blick aus einer partizipationsorientierten Perspektive (nach Straßburger und Rieger 2019) eine weite Sicht auf Bildung und Lernen, die ‚das Leben begleiten‘ - und dabei keineswegs von ‚Zähmung‘ (vgl. Tietgens 2018) künden.
Soziales Engagement langzeiterwerbloser alleinlebender Frauen mit Beeinträchtigung aufgrund von Angebotsteilnahme
Stefan Kohlhof
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Hintergrund
Alleinlebenden langzeiterwerbslosen Frauen mit chronischen und langanhaltenden psychischen sowie physischen Krankheiten steht das freiwillige gesundheitlich-sozial-berufliche Angebot des Modellprojekts bergauf zur Verfügung, um unter anderem ihre kaum vorhandenen sozialen Netzwerke zu erweitern (bergauf 2024). Ziel ist es, dass die Teilnehmerinnen durch Gruppenangebotsteilnahmen in Kontakt kommen, sodass sich soziale Netzwerke abseits des Modellprojekts etablieren, die bei der Bewältigung der eigenen Situation unterstützen und soziales Engagement in Form von Selbsthilfesitzungen hervorbringen.
Methodik
Zwischen dem sechsten und elften Teilnahmemonat erfolgt eine Fragebogenerhebung zu unteranderem sieben Items in Verbindung mit gesellschaftlicher Teilhabe. Es wird im Folgenden über den Erhebungszeitraum von April 2023 bis Februar 2024 (n=61) berichtet.
Ergebnisse
Viele Teilnehmerinnen sind motiviert an Angeboten teilzunehmen um mehr Sozialkontakte zu generieren. So geben 80% (n=60) an, dass sie dies mittels der Teilnahme erreichen werden. Dabei unterstützten Gruppenangebote bei der Vernetzung, denn 60% (n=60) konnten neue Kontakte knüpfen und 63% (n=59) gehen anschließend offener auf andere Menschen zu. Zusätzlich geben einige Teilnehmerinnen nach sechs bis elf Monaten Angebotbesuch an, dass sich ihre gesamte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verbesserte (+23%, n=60 [Skala -100% bis +100%]). Aus Angeboten die viel Raum für privaten Austausch zulassen (wie z.B. Plauderecke, Walk & Talk) entwickeln sich Selbsthilfegruppen. So nehmen 31% der Teilnehmerinnen (n=61) an sozialen Angeboten teil, dass dazuführt, dass sich Selbsthilfegruppen bilden, welche sich regelmäßig auch außerhalb des Projekts treffen (Beiratsprotokoll).
Diskussion
Es zeigt sich, dass alleinlebende langzeiterwerbslose Frauen mit Beeinträchtigung die Angebote des Projekts bergauf nutzten, um den sozialen Herausforderungen ihrer Lebensphase entgegenzutreten, denn mit der Teilnahme an lebenslangem Lernen werden soziale Netzwerke ausgebaut und soziales Engagement gefördert (Sgier, 2014). Darüberhinaus nutzen die Teilnehmerinnen die Angebote, um ihre soziale Isolierung zu bewältigen, denn lebenslanges Lernen stellt eine Möglichkeit zum Umgang mit individuellen Krisen dar (Lauber-Pohle, 2023). Darüberhinaus engagieren sich die Teilnehmerinnen auch sozial, denn in Selbsthilfegruppen verfolgen die Teilnehmenden nicht nur egoistische Motive (Thiel, 2013).
|