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Session 5b: Internationale Perspektiven auf Teilnahme und Teilhabe
Zeit:
Freitag, 27.09.2024:
11:00 - 12:45
Chair der Sitzung: Sabine Schmidt-Lauff, Helmut-Schmidt-Universität / UniBw H
Ort:S06 S02 B06
50 Plätze
Präsentationen
Frauen auf dem indischen Arbeitsmarkt - Teilhabemöglichkeiten durch berufliche Bildungsangebote
Jenny Fehrenbacher1,2
1Pädagogische Hochschule Freiburg; 2Helmut-Schmidt-Universtität / Universität der Bundeswehr Hamburg
Internationale Perspektiven sind in der Erwachsenenbildungsforschung von hoher Relevanz, nicht zuletzt deshalb, da gesellschaftliche Entwicklungen nicht an Ländergrenzen haltmachen (Holzer et al. 2017; Schmidt-Lauff et al. 2022). Indien als südostasiatisches Land eröffnet mit einer komplexen Arbeits- und Bildungsumgebung ein erwachsenenpädagogisches Forschungsfeld, welches in der deutschsprachigen Erwachsenenbildungswissenschaft bisher wenig empirisch untersucht wurde (Ausnahmen u.a.: Wessels und Pilz 2018; Neue Hochschule 2023; Kröner 2020). Angesichts der zunehmenden globalen Vernetzung eröffnen Untersuchungen in internationaler Perspektive die Möglichkeit, empirisch fundierte Erkenntnisse über Lernprozesse in unterschiedlichen Bildungskontexten und dadurch auch über unterschiedliche berufliche und gesellschaftliche Teilhabe zu gewinnen.
Der geplante Vortrag beschäftigt sich mit der subjektiven Bedeutung der Teilnahme an beruflichen Bildungsangeboten von Frauen in Indien. Diese Teilnahme kann sich als relevant für die persönlichen Entwicklung von Menschen erweisen, weil sie u.a. mit einer Veränderung der Wahrnehmung der eigenen Person und dem dazugehörigen Umfeld einhergehen kann. Dies beinhaltet auch Prozesse der Verschiebung von Teilhabe.
Im Vortrag werden Ergebnisse der nahezu abgeschlossenen Dissertationsstudie vorgestellt, die auf teilbiographischen Interviews mit ehemaligen Teilnehmerinnen eines beruflichen Bildungsangebotes in Neu-Delhi, Indien, basieren. Diese Forschung schließt methodisch an vorangegangene biographische Studien mit internationalen Bezügen (im Überblick: Nittel et al. 2023: Abschnitt 1.6 Internationale Bezüge) sowie an internationale Untersuchungen, wie sie im „International Handbook on Education Development in the Asia-Pacific“ (Lee et al. 2023) dokumentiert sind, an. Drei Facetten einer veränderten Wahrnehmung der Teilhabemöglichkeiten durch die Teilnahme an den Bildungsangeboten werden dabei zur Diskussion gestellt: (1) Die Teilhabe am Arbeitsmarkt, wie z. B. die Wahrnehmung eigener beruflicher Kompetenzen und die Veränderung der beruflichen Rolle und des Status, (2) die gesellschaftliche Teilhabe, die vor allem eine kollektive Gruppenzugehörigkeit und die Übernahme von Verantwortung für die Mitgestaltung der Gesellschaft beinhaltet, und (3) die Teilhabe am öffentlichen Leben, die auf die wahrgenommene Verbesserung der Kompetenzen zur Gestaltung und Bewältigung von Alltagsaufgaben im öffentlichen Raum fokussiert.
Berufliche Übergänge und gesellschaftliche Teilhabe: Institutionelle Unterstützungspraktiken in Deutschland und Kanada
Michael Bernhard
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland
Gesellschaftliche (Nicht-)Teilhabe und die damit verbundenen Möglichkeiten insbesondere sozialer und ökonomischer Partizipation sind auch dadurch bedingt, wie Erwachsene ihren Lebensunterhalt erzielen. Damit kommt der Suche nach Erwerbsarbeit und beruflichen Übergängen sowie deren pädagogischen Begleitung eine besondere Rolle zu. Der Wandel von Arbeits- und Berufsanforderungen führt zu immer häufigeren und komplexen Übergängen durch das Arbeitsleben, die als Lernmöglichkeiten und -zumutungen fungieren können (Bernhard et al., 2023). Diese Übergänge können mit Veränderungen im Beruf einhergehen und werden auf individueller, institutioneller und gesellschaftlich-diskursiver Ebene hergestellt (Billett et al., 2021).
Dieser Beitrag untersucht aus einer doing transitions-Perspektive (Andresen et al., 2022) die Gestaltung gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten im Zuge beruflicher Übergänge und nimmt dabei vergleichend institutionelle Unterstützungspraktiken in Deutschland und Kanada in den Blick. Um der unterschiedlichen regionalen Bedeutungen von Beschäftigung und Beruf Rechnung zu tragen, stützt sich diese Studie auf das Konzept des Erwerbsschemas (Kraus, 2009, 2012) und den damit verbundenen Einstellungen gegenüber der Erwerbstätigkeit entsprechend der jeweiligen Wirtschafts- und Gesellschaftsform (Kraus, 2012, S. 254). Dieses Verhältnis zur Beschäftigung ist von Interesse, da es die Zusammenhänge zwischen der Teilhabe Einzelner an Erwerbsarbeit und spezifischen Formen der Strukturierung der Gesellschaft, wie dem Arbeitsmarkt, dem Wohlfahrtsregime und dem Bildungssystem, beleuchtet.
Daten wurden durch Expert*inneninterviews in Jobcentern in Deutschland und Kanada erhoben und mit Fokus auf institutionelle Unterstützungspraktiken vor dem Hintergrund unterschiedlicher Einstellungen zu Beruflichkeit (Rosendahl & Wahle, 2017) und Employability (Nilsson & Nyström, 2013) inhaltsanalytisch ausgewertet (Kuckartz & Rädiker, 2023). Ergebnisse deuten auf unterschiedliche Praktiken hin, durch die Berater*innen Arbeitssuchende in beruflichen Übergängen unterstützen und damit Möglichkeiten sozialer und ökonomischer Teilhabe gestalten. Diese Berater*innen lernen, sich mit den Spannungen zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen, den institutionellen Zwängen und den politischen Richtlinien auseinanderzusetzen. Die sich hier zeigenden Antinomien zwischen emanzipatorischen und hegemonialen Praktiken werden vor dem Hintergrund von Professionalisierung diskutiert.
Teilhabe durch Teilnahme? Ändert sich etwas, wenn wir Erwachsenenbildung als Gemeingut betrachten?
Andreas Martin, Alexandra Ioannidou, Sonja Muders
DIE - Leibniz Zentrum für Lebenslanges Lernen, Deutschland
Bildungschancen gelten innerhalb der Gesellschaft als herkunftsbedingt ungleich verteilt. Es ist bekannt, dass Weiterbildung diese ungleich verteilten Chancen – entgegen aller bildungspolitischen Programmatik – eher verstärkt denn entschärft. Umso wichtiger erscheint die Auseinandersetzung mit den Regulativen der Weiterbildungsbeteiligung und wie sie Partizipation an Weiterbildung beeinflussen und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.
Hieran anknüpfend gehen wir der Frage nach, ob eine spezifische Betrachtung von Erwachsenenbildung als Gemeingut (UNESCO 2015) eine höhere und weniger selektive Teilnahme an Weiterbildung ermöglicht. Unsere Annahme basiert auf den Überlegungen von Boyadjieva & Ilieva-Trichkova (2021), die das Ausmaß der Verwirklichung von Erwachsenenbildung als Gemeingut auf der Grundlage des Capability Ansatzes von Sen (1999) untersucht haben. Anhand von vier Dimensionen (Zugänglichkeit, Verfügbarkeit, Erschwinglichkeit des Angebots sowie Engagement der Gesellschaft) bildeten sie einen Index of Adult Education as a Common Good (IAECG). Ihre Schlussfolgerung: Erwachsenenbildung kann als Gemeingut betrachtet werden, wenn es eine soziale Verpflichtung aller Akteure gibt, den Zugang zu ihr nach dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit zu organisieren.
Um die Effekte der Dimensionen des IAECG auf die individuellen Teilhabechancen zu testen, nutzen wir einen Maschine Learning – Ansatz. In einem ersten Schritt wird der individuelle Befähigungsraum (Capability) abgesteckt. Ein “gradient boostet decision tree model” wird darauf trainiert, die individuelle Teilnahme an Weiterbildung vorherzusagen. Auf der Grundlage dieses Modells wird dann untersucht, inwiefern die Dimensionen des IAECG den Befähigungsraum eines Individuums eingrenzen oder erweitern und inwiefern dies von soziodemografischen Merkmalen abhängt. Datengrundlage ist der EU-Labour Force Survey (EU-LFS) in 21 Ländern aus den Jahren 2012 und 2017 (n= 6.841.884), an den die vorliegenden Indizes des IAECG (2011 und 2016) angespielt werden.
Anhand dieses Vorgehens wollen wir folgende Fragen beantworten: Lassen sich länderspezifische Unterschiede hinsichtlich Teilnahmechancen feststellen? Lassen sich diese durch den IAECG erklären? Gibt es bestimmte soziodemographische Gruppen, die von einer solchen Betrachtung von Erwachsenenbildung als Gemeingut mehr profitieren würden? Welche Konsequenzen hätte eine solche Konzeptualisierung für die Weiterbildungspolitik und die Weiterbildungspraxis?