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Session 4c: Weiterbildungsteilnahme im Kontext von Zeit und Geschlecht
Zeit:
Freitag, 27.09.2024:
9:00 - 10:30
Chair der Sitzung: Lisanne Heilmann, Universität Bremen
Ort:S06 S02 B06
50 Plätze
Präsentationen
Gender training gap unpacked - Eine mechanistische Perspektive auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der beruflichen Weiterbildung
Marco Seegers
Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Deutschland
Gibt es in Deutschland einen gender training gap? Und wenn ja, welche Mechanismen können ihn erklären? Die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung setzt häufig die Teilhabe am Erwerbsleben voraus. Allerdings erweisen sich geschlechtsspezifische Segregationsmuster des deutschen Arbeitsmarktes als persistent und Frauen sind in ihrer Erwerbsbeteiligung benachteiligt, u.a. weil sie häufiger Care-Arbeit im familiären Kontext übernehmen (gender care gap, Schäper et al., 2023), meist zu Lasten des Erwerbsumfangs (gender time gap, Pfahl/Unrau, 2023). Basierend auf den Ergebnissen meiner noch unveröffentlichten Dissertation ist es das Ziel des Beitrags, aus einer ungleichheitssoziologischen Perspektive geschlechtsspezifische Teilnahmestrukturen und -hürden durch die Analyse geschlechtsspezifischer Exklusionsmechanismen non-formaler beruflicher Weiterbildung aufzudecken. Theoretisch greife ich auf den mechanistischen Erklärungsansatz zur Genese sozialer Ungleichheit von Diewald & Faist (2011) zurück und richte diesen geschlechtersensibel auf Weiterbildungsungleichheiten als Dimension sozialer Ungleichheit aus. Alternativ bzw. ergänzend zu etablierten theoretischen Ansätzen eröffnet der Ansatz Raum für die Diskussion potenzieller Exklusionsmechanismen (Stereotypisierung, Hierarchisierung, soziale Schließung, Ausbeutung) auf unterschiedlichen Ebenen (Individuum, Familie, Betrieb). Empirisch deuten zunächst deskriptive Analysen mit Daten des Nationalen Bildungspanels (2009-2021, NEPS Network, 2022) auf einen gender training gap hin und Männer nehmen länger, Frauen hingegen häufiger an Maßnahmen teil, was u.a. auf Weiterbildungspflichten in frauendominierten Berufen zurückzuführen ist. Mediationsanalysen liefern lediglich Evidenz für weibliche Exklusionsmechanismen, indem der gender care gap den Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt einschränkt, was sich negativ auf die Positionierung am Arbeitsmarkt/im Betrieb auswirkt (u.a. geringere Aufstiegschancen, Einkommen, Weiterbildungsunterstützung) und letztlich die Teilnahme an non-formaler beruflicher Weiterbildung für Frauen verhindert/erschwert. Abschließend werden die Ergebnisse theoretisch eingeordnet und diskutiert. Aus einer mechanistischen Perspektive sollen Fragen nach den Wechselwirkungen zwischen Familie, Teilhabe am Erwerbsleben und geschlechtsspezifischer Weiterbildungsteilnahme sowie nach den geschlechtsspezifischen Weiterbildungserträgen (Wer profitiert von der Teilnahme an welchen Maßnahmen?) diskutiert werden.
Lernzeiterfahrung(en)– eine qualitativ-rekonstruktive Betrachtung der Bedeutung temporaler Phänomene für die Teilnahme an Erwachsenenbildung
Hannah Hassinger
Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, Deutschland
„Bildungstheoretisch ist Lernen nicht nur ein Handeln in der Zeit, sondern zugleich ein (Er)Schaffen und (Er)Leben von Zeiten und von Zeitlichkeit“ (Schmidt-Lauff, 2012, p. 12)
In der Frage nach Teilhabe und Teilnahme kommen wir nicht umhin uns zu fragen, wie es um die Zeit steht. Zunächst einmal schon deswegen, weil Zeit als Ressource eine Dimension sozialer Ungleichheit ist (Garhammer, 1999; Wotschack, 2012) und damit auch auf die Beteiligung an Weiterbildung wirkt (Schwarz, 2019), darüber hinaus der sogenannte Matthäuseffekt, der auch in Bezug auf die Erwachsenenbildung hinlänglich bekannt ist (Bremer, 2017, p. 118) Die Daten des Adult-Education-Survey weisen „keine Zeit haben“ als maßgebliche Bildungsbarriere aus (Bilger & Käpplinger, 2017). Darüber hinaus sind Erwachsene durch das Fehlen bzw. kaum vorhandener expliziter Lernzeitfenster (Schmidt-Lauff, 2018, p. 320) mit einer Vielfalt an temporaler Strukturierungs- und Synchronisierungsleistung konfrontiert, um Lerngelegenheiten organisieren zu können (Schäffter, 1993, p. 449).
Betrachtet man Zeit nicht nur als Ressource für Lernen, sondern Lernen als zeitliche Erfahrung, stoßen wir auf eine erweiterte Bedeutung temporaler Aspekte für die (Nicht)-Teilnahme an Erwachsenenbildung. Subjektives Lernzeiterleben als „Erfahrungsaufschichtung“ (Schütze, 1983, p. 285) prägt ebenso bewusst wie unbewusst Entscheidungen zur Teilnahme oder aber auch dagegen. Diese Erfahrungen sind maßgeblich für neue Erfahrungen und damit der subjektiven Bewertung von Lernzeit. „Erfahrungen konstituieren Erwartungen, die Bewertungen unterworfen werden. Veränderte Erwartungen resultieren aus neuen Erfahrungen und ändern Bewertungen“ (Faulstich, 2013, p. 112)
Ziel dieses Beitrags ist es, zeitliche Aspekte der Teilnahme an Erwachsenenbildung über die Ressourcenlogik hinaus zu diskutieren und mögliche zeitbezogene Barrieren qualitativ zu rekonstruieren. Um auch die Frage nach Teilhabe in den Blick zu nehmen, müssen temporale Phänomene als eigene Logiken in Biographien betrachtet werden. So soll das neoliberale Narrativ des Lernzeitorganisierens als bloße Zeitmanagementaufgabe der Individuen hinterfragt werden, um dann die Perspektive darauf zu lenken, wie sich individuell-biographische Lernzeiterfahrungen der Teilnehmenden auf Entscheidungsprozesse zu (Nicht-)Teilnahme auswirken.
Dafür wird auf Datenmaterial aus dem bis dahin abgeschlossen DFG-Projekt „Zeit und Lernen im Erwachsenenalter“ zurückgegriffen.