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Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 3b - Panel: Teilnahme und Teilhabe in verschiedenen Feldern der Grundbildung
Zeit:
Donnerstag, 26.09.2024:
11:15 - 13:00

Chair der Sitzung: Natalie Pape, Leibniz Universität Hannover
Chair der Sitzung: Helmut Bremer, Universität Duisburg-Essen
Chair der Sitzung: Wibke Riekmann, Hochschule Hannover
Ort: S06 S00 B29

96 Plätze

Zusammenfassung der Sitzung

In weiten Teilen der Bevölkerung gibt es nach wie vor immense Grundbildungsbedarfe: Laut der LEO-Studie beherrschen in Deutschland 12% der erwerbsfähigen Bevölkerung das Lesen und Schreiben „allenfalls bis zur Ebene einfacher Sätze“ und gelten als „gering literalisiert“ (Grotlüschen et al. 2020, S. 15). Geringe Schriftsprachbeherrschung geht oft mit eingeschränkter Teilhabe in weiteren Kompetenz- und Lebensbereichen einher (z.B. im Bereich der politischen Partizipation; Dutz/Grotlüschen 2020). Bereits in den 1990er Jahren wurde daher damit begonnen, Alphabetisierung in ein breiteres Konzept von Grundbildung zu überführen, das über die Vermittlung von Lesen, Schreiben und Rechnen hinausgeht (Duncker-Euringer 2017). Bildungspolitische Aktivitäten der letzten Jahre (AlphaDekade 2016-2026) zielen verstärkt darauf ab, die für die Erwachsenen- und Weiterbildung typischen „Komm-Strukturen“ (z.B. in Form von Alphabetisierungskursen der Volkshochschulen) um aufsuchende Strategien zur Teilnehmendengewinnung zu erweitern, wie sie z.B. in der arbeitsorientierten und lebensweltorientierten Grundbildung Anwendung finden (Frey/Menke 2021; Johannsen et al. 2022). Außerdem wurden angrenzende Felder der Erwachsenen- und Weiterbildung wie Maßnahmen der Jugendberufshilfe als Kontexte für Grundbildung fokussiert (Cora et al. 2023).

Die zahlreichen Aktivitäten im Rahmen der AlphaDekade verfolgen das Ziel, mehr Möglichkeiten der Teilnahme und Teilhabe zu schaffen (BMBF 2019). Eine Teilnahme an Grundbildungsangeboten wird dabei oft schon sowohl mit einer Verbesserung individueller Grundbildungskompetenzen als auch mit einer erweiterten Teilhabe in anderen Lebensbereichen in Verbindung gebracht. Folgt man dem Lernkonzept Holzkamps (1993) oder dem Habituskonzept Bourdieus (1982, 1987) impliziert dies, dass die Angebote an die Erfahrungen und Lebenswelten der Teilnehmenden anschließen und für diese subjektive Bedeutsamkeit erlangen müssen. Erst darüber kann mehr Weltverfügung erlangt werden.

Bislang ist jedoch nur wenig darüber bekannt, inwiefern die Angebote tatsächlich die Bedarfe und Interessen der Teilnehmenden aufnehmen. Dieser Frage soll daher in einem Panel mit drei Beiträgen nachgegangen werden. Durch die ersten beiden Beiträge werden Grundbildungsbedarfe von Teilnehmenden sowie pädagogisches Handeln in der arbeitsorientierten Grundbildung und der Jugendberufshilfe analysiert. Der dritte Beitrag untersucht mit einem partizipativen Forschungsdesign die Zugänge zu Schriftsprache von Lernenden und pädagogisch Tätigen einer Volkshochschule. Übergreifend kann so herausgearbeitet werden, welche (didaktischen) Rahmenbedingungen und Passungsverhältnisse zwischen Lehrenden und Lernenden sich als förderlich oder hemmend auf Lernen und Teilhabe in den drei Feldern der Grundbildung (arbeitsorientierte Grundbildung, Jugendberufshilfe, Volkshochschule) auswirken.


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Präsentationen

Zwischen Lebenswelt und Arbeitswelt: Generative Themen und Teilnahmemuster von Teilnehmenden in arbeitsorientierten Bildungskontexten

Songül Cora1, Ronit Schemann2

1Universität Duisburg-Essen, Deutschland; 2Medical School Hamburg

Der Beitrag greift die Frage auf, wie Teilnehmende die Angebote der arbeitsorientierten Grundbildung als anschlussfähig für den (Arbeits-)Alltag und die eigene (Bildungs-)Biografie wahrnehmen und welche Implikationen sich für die Bildungspraxis ergeben. Hierfür nähert sich der Beitrag dem spezifischen Handlungsfeld in zweifacher Hinsicht:

Zum einen wird mit Bezugnahme auf Freires (1971) machtkritischen Überlegungen zu einer Didaktik, die eine stärkere Zuwendung zu von den Teilnehmenden selbst artikulierten und an ihre Lebenswirklichkeit gebundenen „generativen Themen“ vorsieht, an dem Handlungsprinzip Lebensweltorientierung (Thiersch 2020) angeschlossen. Grundbildungsbedarfe und -themen werden damit nicht allein auf Schriftsprache begrenzt oder ausgehend von systemischen Logiken der Arbeitswelt definiert. Vielmehr lassen sie sich aus den generativen Themen der Teilnehmenden ableiten, wodurch die Subjekte mit ihren Lebensinteressen und individuellen Bedarfen ins Blickfeld gerückt werden.

Darauf aufbauend wird zum anderen mithilfe von Bourdieus Habitus-Feld-Konzept (1982, 1987) der habitusspezifischen Verarbeitung solcher generativen Themen nachgespürt, die die Teilnahme an den arbeitsorientierten Bildungskontexten strukturiert. Bedeutend ist hier, wie individuelle Bedarfe und Interessen der Teilnehmenden mit den Erwartungen und Zwängen des Erwerbssystems sowie pädagogische Programmatiken verbunden werden können und inwiefern eine Teilnahme an Angeboten der arbeitsorientierten Grundbildung zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe führt.

Die empirische Grundlage für diese theoretischen Perspektiven bietet ein qualitatives Forschungsprojekt. Darin werden u.a. Perspektiven von Teilnehmenden der Jugendberufshilfe und der arbeitsorientierten Grundbildung im Hinblick auf die subjektive Be-Deutung des Angebots sowie den Umgang mit den Anforderungen in den jeweiligen Kontexten untersucht, wobei auch Gruppenkontexten als Teil der Lebenswelt und Ort der Aushandlung hohe Relevanz zukommt. Die Befunde zeigen, dass die Themen der Teilnehmenden Hinweise auf biografische Relevanzsetzungen geben und sich darauf bezogen Muster der Teilnahme rekonstruieren lassen, die auf milieuspezifische Nähen bzw. Distanzen zu den entsprechenden Bildungskontexten verweisen.



Teilhabe erkämpfen oder Teilnahme verwalten? Pädagogisches Handeln in arbeitsorientierten Grundbildungskontexten

Lea Remmers, Natalie Pape

Leibniz Universität Hannover, Deutschland

Der Beitrag wirft einen Blick auf pädagogisch Tätige in zwei Feldern der arbeitsorientierten Grundbildung (Jugendberufshilfe und arbeitsorientierte Grundbildung im Betrieb). Dabei wird die Frage fokussiert, wie der milieuspezifische Habitus der pädagogisch Tätigen ihr pädagogisches Handeln dahingehend leitet, dass Räume für das Setzen eigener „generativer Themen“ (Freire 1971) durch die Teilnehmenden im Sinne von Lebensweltorientierung (Thiersch 2020) sowie Habitus-Milieu-Reflexivität (Rademacher 2024) ermöglicht werden. Eine zentrale Rolle spielt dabei, wie eine selbstbestimmte Teilhabe der Teilnehmenden über die bloße Teilnahme hinaus gewährleistet werden kann.

Um dieser Frage nachzugehen, wird mithilfe von Bourdieus Habitus-Feld-Konzept (1982, 1987) das Aufgreifen der generativen Themen der Teilnehmenden durch pädagogisch Tätige nachgezeichnet. Ihre pädagogischen Praktiken sind eng mit ihrem milieuspezifischen Habitus verwoben und stehen in Beziehung zu den spezifischen Logiken des Feldes (Bremer/Lange-Vester 2014). Unter Bezugnahme auf das Konzept der „kulturellen Passung“ (Kramer/Helsper 2010) können „milieuspezifische Passungsverhältnisse“ (Bremer et al. 2020) zwischen den pädagogisch Tätigen und den Teilnehmenden in den Feldern der arbeitsorientierten Grundbildung herausgearbeitet werden.

Die empirische Grundlage, auf die der Beitrag zurückgreift, basiert auf 26 biografisch-narrativen Interviews aus einem qualitativen Forschungsprojekt. Die Teilergebnisse verdeutlichen, dass sich die Praxis der pädagogisch Tätigen in einem Spannungsfeld zwischen einer eher administrativen und einer subversiven Handlungslogik bewegt. Es sind Reibungen im Feld zu erkennen, die auf milieuspezifische Nähe bzw. Distanz zu den Bildungskontexten sowie zu den Teilnehmenden schließen lassen. Darauf basierend sind milieuspezifisch gefärbte Muster pädagogischer Praxis zu erkennen. Bedeutsam ist, dass das Aufgreifen generativer Themen der Teilnehmenden eher mit einer subversiven Handlungslogik einhergeht und die Ermöglichung selbstbestimmter Teilhabe vor allem durch den Einsatz „widerständiger Praktiken“ (Cora et al. 2023) der pädagogisch Tätigen gefördert werden kann.



Lehren und Lernen in der Grundbildung auf Augenhöhe – Erkenntnisse eines partizipativen Forschungsprojektes mit Lernenden und Lehrenden der Grundbildung zu Literalität als soziale Praxis

Melanie Benz-Gydat, Antje Pabst

Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, Deutschland

Lernende und Lehrende im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung kommen aus unterschiedlichen sozialen Herkunftsmilieus und verfügen über verschiedene vielfältige Erfahrungen in der Lesesozialisation sowie der alltäglichen sozialen Praxis des Lesens und Schreibens, weshalb sie Schriftsprache subjektive und teils unterschiedliche Bedeutungen zuschreiben. Diese Zugänge zur Schriftsprache (sogen. Literalitätskonzepte) spielen ebenso in Lehr-Lernprozessen eine wichtige Rolle. Ziel der Studie war es herauszufinden, in welchem Verhältnis unterschiedliche Literalitätskonzepte in Alphabetisierungskursen zum Tragen kommen und wie diese so gestaltet werden können, dass Lehrende ihre eigenen Literalitätskonzepte sowie die der Lernenden reflektieren und berücksichtigen können (Street 1984; Zeuner/Pabst 2011). Sie wurden dabei mittels partizipativer Methoden zu Mit-Forschenden und konnten eigene Fragestellungen und Interessen in den Forschungsprozess einbringen. Im dialogischen und reflexiven Austausch auf Augenhöhe konnte sich jede/jeder als Expertin/Experte ihres/seines individuellen Zugangs zur Schriftsprache erfahren. Den Mit-Forschenden wurde so eine echte Teilhabe am Forschungsprozess ermöglicht, was auch zu persönlichem Empowerment führen konnte (Benz-Gydat et al. 2023).

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes verdeutlichen nicht nur, inwiefern unterschiedliche – positiv wie auch negativ konnotierte – Zugänge zur Schriftsprache Themen wie Biographie und Identität berühren und mit starken Gefühlen verbunden sein können. Sie zeigen zugleich, dass Schriftsprache für Lernende ein ambivalentes Lebensthema darstellen kann. In Lese-Schreib-Kursen können deshalb bestimmte methodisch-didaktische Prinzipien hilfreich sein, um auch diese Themen behutsam zur Sprache zu bringen (Bergold/Thomas 2012). Dabei können gleichzeitig Lern- als auch Reflexionsprozesse bei den Lernenden im Sinne von Teilhabeerweiterung angestoßen bzw. ermöglicht werden. Ziel des Beitrages ist es, zentrale Erkenntnisse des Forschungsprojektes hinsichtlich ihres Mehrwertes für die Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit zu präsentieren und gemeinsam zu diskutieren.



 
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Veranstaltung: DGfE-Sektionstagung EB 2024
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