Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 2e: Weiterbildung im Kontext von Arbeit und Beruf
Zeit:
Donnerstag, 26.09.2024:
9:00 - 10:45

Chair der Sitzung: Maria Stimm, Pädagogische Hochschule Freiburg
Ort: S06 S04 B06

50 Plätze

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Präsentationen

ENTFÄLLT: Exklusiv? Weiterbildung in Relation zum Arbeitsmarkt

Gabriele Molzberger

Universität Wuppertal, Deutschland

Der Beitrag untersucht Teilnahme an Weiterbildung als Form der Teilhabe an spezifischen Arbeitskulturen und richtet dabei den Fokus vor allem auf berufliche Weiterbildung. Ziel des Beitrags ist es, Partizipation an Weiterbildung im Verhältnis zum Arbeitsmarkt und zu Berufskulturen systematisch auszuloten.

Im langen 20. Jh. haben Diagnosen vom Ende und von der Wiederentdeckung der Arbeit und ihrer Teilung, der Erwerbsarbeit, Lohn-, Zeit- und Sorgearbeit bis zum Arbeitskraftunternehmertum und zur Crowd-Work einander abgelöst und finden gegenwärtig auch sozialphilosophische Fortsetzungen (Geuss 2021, Honneth 2023). Gesellschaftliche Arbeitsteilung ist eng mit sozialstaatlicher Organisation verbunden (Kocka 1990). Die meritokratische Legitimation jener sozialen Ungleichheiten, die für und durch segmentierte Arbeitsmärkte hervorgebracht werden, erfolgt über anerkannte allgemeine Bildungsabschlüsse (Büchter 2017, Solga 2005). Problematisch ist jedoch, dass die von diesen Berechtigungen ausgehenden Verteilungsprozesse auch durch Weiterbildung formaler oder informeller Art i.d.R. nicht kompensierbar sind.

Zu den Mechanismen dieser Prozesse zählen Gesetze und Verordnungen wie auch Diskurse – wie etwa der auch diskursiv hergestellte Fachkräftemangel. Historisch betrachtet wurde berufliche Weiterbildung in der BRD ab 1969 zunächst durch das Berufsbildungs- und das Arbeitsförderungsgesetz als langfristig angelegte, aufstiegsorientierte Weiterbildung zur Erzielung von öffentlich-rechtlichen oder staatlichen Abschlüssen konzipiert. Jener präventive Ansatz wandelte sich zu einem kurativen und im Anschluss an die Wiedervereinigung dann zu einem sozialintegrativen Ansatz, welcher als arbeitsmarktpolitischer Ansatz weitergeführt wurde (Sauter 2004).

Als soziale Prozesse suchen sowohl Arbeit als auch Bildung den Referenzpunkt ihrer gesellschaftlichen Formation in je spezifischen Kollektiven – etwa von beruflichen Facharbeitsmarkten - und produzieren dabei Exkludierte. Die „Ungelernten“, „Widerständigen“ und „Nie-Teilnehmenden“ beschäftigen mit ihrem Bildungs- und Arbeitsvermögen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikerinnen sowie Forschende und Bildungspraktiker, die entsprechende agogische Maßnahmen, etwa in Anpassungs- und Nachqualifizierungen oder durch Weiterbildungsberatung, umsetzen.

Der Beitrag rekonstruiert die genannten Formen und Mechanismen als historisch-kontinuierliche Legitimation der Exklusion durch die vergleichende Analyse entsprechender Maßnahmen und Modelle.



Der Zusammenhang zwischen einer manuellen, routinierten Tätigkeit und der Weiterbildungsbeteiligung im Kontext der Deindustrialisierung

Jonas Fey

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Deutschland

Ab den 1970er Jahren fand in Deutschland und anderen westlichen Industriestaaten ein Prozess der „Deindustrialisierung“ statt, mit Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die Anforderungen an Beschäftigte (Raphael, 2019). Die archetypische von den Industriebetrieben ausgehende tayloristisch-repetitive Arbeitsweise unterschied sich zumeist grundlegend von der in Dienstleistungsbetrieben. Technologische Innovationen konnten zunehmend auch komplexere routinierte Tätigkeiten substituieren. Der „Routine Biased Technological Change“ Ansatz, mit der Hypothese, dass routinierte Tätigkeiten durch technologischen Wandel tendenziell durch Maschinen ersetzt werden können, greift dies auf (Raquel & Biagi, 2018). Diesem Substitutionsrisiko für Beschäftigte wird in der politischen und gesellschaftlichen Debatte oftmals Weiterbildung (WB) entgegengestellt, welche das individuelle Risiko durch eine Maschine ersetzt zu werden verringern oder neue berufliche Chancen eröffnen soll. WB war daher ein wichtiges Instrument zur Bewältigung des Strukturwandels und ist auch für heutige Transformationsprozesse hoch relevant. Dabei zeigt sich ein „training gap“ zwischen Arbeitnehmenden, die einem hohem und solchen, die einem niedrigen Substitutionsrisiko ausgesetzt sind (Heß et al., 2023). Für die Arbeitgebende Seite steht ein erhöhtes Substitutionsrisiko der Stelle des Beschäftigten für einen verkürzten "Auszahlungszeitraum". Dadurch reduzieren sich die zu erwartenden Erträge einer solchen Investition für Arbeitgebende (Zeyer-Gliozzo, 2023). Für Arbeitnehmende ergibt sich andererseits eine höhere Motivation zur WB, die aber gleichzeitig mit anderen hemmenden Faktoren zusammentrifft. Diese Arbeit untersucht daher den Zusammenhang zwischen einer routinierten Tätigkeit (als Indikator für ein Substitutionsrisiko) und der beruflichen Weiterbildungsbeteiligung. Es wird erwartet, dass die Beteiligung an beruflicher WB, umso geringer ist, je höher das Substitutionsrisiko. Auf Grundlage des SOEP-Datensatzes werden für die 1980er und 1990er Jahre in Deutschland logistische Regressionsmodelle gerechnet, um diese Hypothese zu prüfen. Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer routinierten Tätigkeit und der zukünftigen Teilnahme an einer WB existiert. Dieser Effekt ist besonders auf vom Betrieb initiierte WB zurückzuführen und besteht auch unter der Kontrolle von soziodemographischen Variablen, wie der Bildung und des Berufsstatus.



Dabei sein ist alles? – Partizipationseffekte ganzheitlicher Teilhabeförderung in der beruflichen Rehabilitation

Sebastian Ixmeier

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Die politisch-normative Grundlage der Arbeitsverwaltung stellt das Aktivierungsparadigma mit seinem Leitprinzip Fördern und Fordern dar. Dem wohnt ein Partizipationsgedanke inne, der das aktive Streben nach beruflicher Teilhabe einfordert. Sofern eine Arbeitsaufnahme nicht direkt möglich ist, soll durch die Teilnahme an verschiedenen Fördermaßnahmen die Beschäftigungsfähigkeit erhöht werden (Freier 2016).

Langzeitarbeitslose Personen haben oftmals keine Bildungsabschlüsse vorzuweisen und sind von Dequalifizierung bedroht. Bei einer bedeutenden Anzahl liegen gesundheitliche Beeinträchtigung und weitere Teilhabehemmnisse vor (Beste et al. 2023, 127f.). Vor dem Hintergrund unzureichender Fördermaßnahmen hat der Gesetzgeber mit der ganzheitlichen Förderung nach §16k SGBII ein neues Regelinstrument entwickelt (BA 2023). Das rehapro-Modellprojekt Essen.Pro.Teilhabe erprobt seit Anfang 2020 eine ganzheitliche Förderstrategie für langzeitarbeitslose Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Der Beitrag geht der Frage nach, welche Zielgruppe mit der neuartigen Förderstrategie erreicht wird und welcher Teilhabeerfolg sich qua Partizipation an dem ganzheitlichen Maßnahmenportfolio einstellen kann.

Die empirische Datengrundlage entstammt der wiss. Begleitforschung des Modellprojekts. Die Datenbasis bilden, neben Projektverlaufsdaten und Online-Befragungen, ethnographische Feldprotokolle sowie leitfadengestützte Interviews mit Teilnehmenden und Projektmitarbeitenden. Die Datenauswertung erfolgt mit inhaltsanalytischen/rekonstruktiven sowie deskriptiven/inferenzstatistischen Verfahren.

Die Befunde deuten auf ein ambivalentes Verhältnis zwischen Partizipation und Teilhabe im Kontext der neuen Förderstrategie hin. Einerseits entstehen institutionelle Schließungsprozesse entlang von strukturellen Faktoren und personalen Attributen der Zielgruppe, die Exklusionsdynamiken evozieren. Andererseits erscheint eine erfolgreiche Teilnahme (im Sinne einer Erwerbsintegration) nicht immer zwangsläufig an den Partizipationsgrad hinsichtlich der ganzheitlichen Fördermaßnahmen geknüpft zu sein. Vielmehr spielen auch andere Faktoren für eine erfolgreiche Re-Integration in das Erwerbsleben (e.g. Krankheitsbild; Alter) eine bedeutsame Rolle. Allerdings zeigt sich, dass durch die Teilnahme an dem breiten Maßnahmenportfolio innerhalb des Modellprojekts eine latente Funktion erfüllt wird, die Entwicklungspotentiale verspricht und eine Teilhabe sui generis darstellt.



 
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Veranstaltung: DGfE-Sektionstagung EB 2024
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