„Our difference is our beauty”: Wie Kursleitende den Umgang mit Verschiedenheiten und die Förderung der Teilhabe aller in heterogenen Lerngruppen wahrnehmen
Hadjar Ghadiri-Mohajerzad1, Jessica Fischer1, Dörthe Herbrechter2, Josef Schrader1
1Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. German Institute for Adult Education Leibniz Centre for Lifelong Learning, Deutschland; 2Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Die in der Weiterbildung von zahlreichen Akteuren getragene Idee „Bildung für Alle“ (Seitter & Franz, 2019) ist für die Einrichtungen, pädagogischen Mitarbeitenden und Kursleitenden mit vielfältigen Anforderungen verbunden. Während es auf der Angebotsebene z.B. um die Wahl passender Ansprachestrategien (Mania, Ernst & Wagner, 2022) und eine möglichst inklusive Gestaltung von Angebotstexten geht (Bremer, 2007), sehen sich Kursleitende mit der Anforderung konfrontiert, allen Teilnehmenden unabhängig von Alter, Herkunft, Vorkenntnissen, Lernerfahrungen etc. gleichermaßen die Teilhabe an Prozessen der Bildung und Identitätsentwicklung zu ermöglichen (Wittpoth, 2018). Wie Kursleitende mit der Verschiedenheit ihrer Teilnehmenden umgehen und inwiefern sie sich für diese Aufgabe ausreichend kompetent erleben, ist bislang kaum erforscht (für den Bereich Alphabetisierung/ Grundbildung siehe Bonna, Stobrawe & Hirschberg, 2021; Schreiber-Barsch & Curdt, 2021).
An diese Forschungslage schließt der Beitrag an, indem er der Fragestellung nachgeht, wie Kursleitende den Umgang mit Verschiedenheiten und die Förderung der Teilhabe aller in heterogenen Lerngruppen wahrnehmen. Dabei interessiert uns auch, auf welche Verschiedenheiten Kursleitenden besonders häufig treffen, welche sie für die adaptive Gestaltung des Lehr-Lerngeschehens besonders relevant erachten und wie selbstwirksam sie sich erleben.
Theoretisch schließen wir mit dem Konzept der Selbstwirksamkeit für eine adaptive Gestaltung des Lehr-Lerngeschehens an die sozial-kognitive Theorie Banduras (1977) an. Da heterogene Gruppen für die Kursleitenden mit fortwährend neuen und unerwarteten Anforderungen verbunden sind, ist eine entsprechende Selbstwirksamkeit der Kursleitenden von zentraler Bedeutung (Schmitz, Simon & Pant, 2020).
Die Stichprobe bezieht sich auf Kursleitende, die in unterschiedlichen Segmenten (inner- und außerbetrieblich) der Weiterbildung tätig sind (N=304). Die Online-Befragung enthielt sowohl geschlossene, aus der Bildungsforschung adaptierte Items als auch offene Antwortmöglichkeiten, um für die Weiterbildung spezifische Informationen erfassen zu können.
Es zeigt sich u.a., dass sich Kursleitende, die heterogene Teilnehmendengruppen eher negativ bewerten, im Umgang mit ihnen auch weniger selbstwirksam erleben. Die Befunde werden mit Blick auf ihre Spezifik für einzelne Segmente der Weiterbildung diskutiert und zeigen Anknüpfungspunkte für die Professionalitätsentwicklung von Kursleitenden auf.
Ungleiche Teilhabe in der diskriminierungskritischen politischen Bildung – Empirische Einblicke in eine qualitative Promotionsstudie zu Habitusmustern pädagogisch Tätiger
Catrin Opheys
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Der Beitrag knüpft an für die Erwachsenenbildungspraxis und -forschung bedeutenden gesellschaftlichen Schlüsselthemen und Herausforderungen im Kontext von sozialer Ungleichheit und Diskriminierungskritik an. Im Zusammenhang damit stehen auch immer Perspektiven auf Teilhabe an Gesellschaft, da die Auseinandersetzung mit Diskriminierungskritik auf vielschichtige von Diskriminierung durchzogene Lebensbereiche verweist und somit auf mehr Teilhabemöglichkeiten für Benachteiligte abzielt (etwa Beigang et al. 2017; Foitzik 2019). In der politischen Erwachsenenbildung zeigt sich dies etwa in Angeboten, Strukturen und Diskursen innerhalb der Profession (Zentralen für politische Bildung 2020; Bechtel et al. 2023; Hafeneger 2019). Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass auch das Feld der diskriminierungskritischen politischen Bildung und das professionelle Handeln selbst von Macht- und Ungleichheitsstrukturen durchzogen sind, da sich hier „Kämpfe“ zwischen unterschiedlichen Konzeptionen und Vorstellungen diskriminierungskritischer Bildungsarbeit abzeichnen (etwa zwischen eher geschlossenen und offenen subjekt- bzw. teilnehmendenorientierten Ansätzen). Diese können gleichermaßen auf ungleiche Teilhabemöglichkeiten für Lernende verweisen und mit Ausschlüssen einhergehen (Bremer et al. i.E.).
Die im Beitrag vorgestellte Promotionsstudie untersucht daran anknüpfend, wie das professionelle Handeln der politischen Erwachsenenbildner*innen in diese Dynamiken involviert ist und wie die Auseinandersetzung mit Diskriminierungskritik, die (erwachsenenbildnerische) Bearbeitung und somit auch der Umgang mit den Teilnehmenden/Adressat*innen in der Bildungsarbeit erfolgt. Maßgeblich ist dabei, dass dies bei den Professionellen nicht nur einer rein „bewussten“ Haltungsebene folgt, sondern auf tieferliegende Klassifikationspraxen des Habitus verweist (Bourdieu 1982; Scherschel 2006; Weiß 2013; El-Mafaalani/Waleciak/Weitzel 2017), welche die pädagogische Praxis mitstrukturieren. In der Analyse der Vorstellungen und Haltungen sowie der Handlungsmuster der Professionellen anhand von Einblicken in das empirische Material (teilnehmende Beobachtungen in Angeboten und Interviews mit pädagogisch Tätigen) zeigen sich Hinweise auf Ungleichheiten hinsichtlich Teilhabe- und Teilnahmestrukturen in Kontexten diskriminierungskritischer Bildungsarbeit. Im Rahmen des Beitrags werden sowohl konzeptionelle Perspektiven der Studie als auch erste Analysen des empirischen Materials vorgestellt.
Lehrkräftemangel als strukturelle Herausforderung für die Teilnahme und Nicht-Teilnahme an Grundbildung
Michael Schemmann1, Jana Arbeiter1, Marie Bickert2, Barbara Meyer2, Lena Sindermann1
1Universität zu Köln, Deutschland; 2LMU, München
Wenn Teilnehmende ein Weiterbildungsangebot frühzeitig beenden, wird das in der Erwachsenenbildungsforschung unter dem Phänomen Drop-out diskutiert (Hoffmann et al., 2020). Die Beforschung von Drop-out wird besonders dort relevant, wo Angebote das Ziel verfolgen gesellschaftliche Partizipation für ihre Teilnehmenden zu fördern, wie es für das Feld der Alphabetisierung und Grundbildung (AuG) gilt (Euringer, 2016). Wenig Beachtung wird bislang den Drop-outs von Lehrenden geschenkt, die sich im Zuge des Fachkräftemangels auch in der AuG niederschlagen, aber einen nicht zu verachtenden Einfluss auf die Bereitstellung von umfassenden Bildungsangeboten im Feld haben. Die anspruchsvollen Anforderungen an Lehrkräfte auf der einen Seite (Sindermann et al., 2023) gepaart mit prekären Arbeitsverhältnissen auf der anderen Seite (Ahnbuhl, 2020; Aschemann, 2018) eröffnen ein Spannungsfeld für die Arbeit in der Lehre.
Basierend auf einer sekundäranalytischen Auswertung von Interviews mit Dozierenden (N=13) und Bildungsplanenden (N=9) werden im Beitrag Herausforderungen von Lehrenden mit Blick auf ihre Arbeit in der AuG herausgearbeitet. Erste Analysen zeichnen ab, dass die Tätigkeitsprofile und Selbstverständnisse von Lehrenden häufig in Diskrepanz zu ihren Handlungsmöglichkeiten im Feld stehen. Zusätzlich werden Interviews mit (ehemaligen) Dozierenden (N=10) und Stakeholdern (N=5) inhaltsanalytisch ausgewertet. Sie legen die Arbeitsbedingungen im Feld offen, geben aber auch Aufschluss darüber, was Lehrende brauchen, um dauerhaft in ihrem Beruf arbeiten zu können.
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