Partizipation an Erwachsenenbildung/Weiterbildung wird häufig auf die teilnehmenden Personen fokussiert. In den Blick kommen dann individuelle Motive, Interessen und Orientierungen oder sozial-strukturelle bzw. ökonomische Bedingungen (z.B. Milieuzugehörigkeiten). Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Bedingtheit und den konkreten Bedingungen einer Entscheidung für oder gegen eine Teilnahme.
Im Horizont praxistheoretisch orientierter Perspektiven (u.a. Reckwitz, 2003; Schäfer, 2016) zeigt sich Teilnehmen jedoch nicht als ein (mehr oder weniger ausgedehntes) Ereignis, sondern als ein zukunftsoffener, sich von Moment zu Moment entfaltender Prozess. Anstelle der mit dem Teilnehmen verbundenen Intentionen der Teilnehmenden oder der Professionellen werden die (wahrnehmbaren) körperlich-situierten und sozial eingebundenen Verhaltensweisen der Beteiligten in den Blick genommen. Soziale Praktiken lassen sich dabei verstehen als „nexus of doings and sayings“ (Schatzki, 1996, S. 89) bzw. als Verbindung von Aktivitäten (doings), Sprachspielen (sayings) und Beziehungen (relatings) (Kemmis et al., 2014). Anschließend an diese praxeologische Theoriekonzepte wird es möglich, das Teilnehmen an Weiterbildung als eine Vollzugswirklichkeit zu untersuchen, die mit Möglichkeiten des Teilhabens interferiert. Teilnehmen an Weiterbildung wird als Moment sozialer Praktiken beschreibbar, die spezifische Handlungs- und Partizipationsmöglichkeiten eröffnen oder eben ausschließen: „Which learning opportunities are afforded at these locations depend on the practices that are carried on at them” (Schatzki, 2017, S. 30). Eingelagert sind diese Praktiken dabei in symbolische Ordnungen von Wissen und Tun, d.h. sie sind immer Teil gesellschaftlicher Praktiken der Eröffnung und des Verwehrens von Teilnahme und Teilhabe.
Das geplante Panel dient dazu, ausgehend vom Phänomen des Teilnehmens, Möglichkeiten einer praktikentheoretischen Beschreibung des Geschehens in ‚sites’ (Schatzki, 2002), der Erwachsenenbildung und des Lernens Erwachsener aufzuzeigen und miteinander ins Gespräch zu bringen, um so Möglichkeiten und Grenzen dieses Ansatzes für eine Auseinandersetzung mit dem Teilnehmen in der Erwachsenenbildung in Bezug auf das Teilhaben auszuloten. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Beobachtung, dass Praxistheorie nicht eine Theorie ist, sondern eher von einer Theoriefamilie auszugehen ist. Die Beiträge des Panels werden daher ihren jeweiligen theoretischen Zugang zu Praktiken des Teilnehmens erörtern und mit Bezug zu empirischen Befunden die Bedeutung und den Ertrag dieser Perspektive für das Verständnis von Teilhabe durch Teilnahme herausarbeiten.
Literatur
Kemmis, S. et al. (2014). Changing Practices, Changing Education. Singapore: Springer.
Reckwitz, A. (2003). Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Zeitschrift für Soziologie, 32, 282–301.
Schäfer, H. (Hrsg.). (2016). Praxistheorie: Ein soziologisches Forschungsprogramm (1. Aufl.). transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839424049 [Titel anhand dieser DOI in Citavi-Projekt übernehmen]
Schatzki, T.R. (1996). Social practices. A Wittgensteinian approach to human activity and the social. Cambridge: Cambridge Univ. Pr.
Schatzki, T. R. (2002). The site of the social: A philosophical account of the constitution of social life and change. University Park: Pennsylvania State University Press.
Schatzki, T.R. (2017). Practices and Learning. In P. Grootenboer, C. Edwards-Groves & S. Choy (Eds.), Practice theory perspectives on pedagogy and education. Praxis, diversity and contestation (pp. 23–43). Singapore/Heidelberg/New York/Dordrecht/London: Springer.