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Session 2a - Panel: Weiterbildungsregulationen auf Makro-, Meso- und Mikroebenen: Perspektiven und Analysen für die Erfassung und Erklärung von Teilhabe
Zeit:
Donnerstag, 26.09.2024:
9:00 - 10:45
Chair der Sitzung: Bernd Käpplinger, Justus-Liebig-Universität Giessen
Ort:S06 S00 B29
96 Plätze
Zusammenfassung der Sitzung
Die Teilnahmeselektivität in der Weiterbildung ist seit Dekaden ein zentrales Thema der Weiterbildungsforschung (Schulenberg, 1978). Deutlich geworden ist, dass auf die Weiterbildungsbeteiligung nationalen oder internationalen Mehrebenenmodellen (Schrader 2011, Boeren 2017) folgend auf verschiedenen Ebenen Einfluss genommen wird.
Das eingereichte Panel betrachtet die unterschiedlichen Ebenen in seinen vier Beiträgen und stellt Bezüge zwischen ihnen her. Auf der Makroebene sind Entscheidungen der Politik sehr bedeutsam. Hierzu zählen z.B. das Vorhandensein oder das Fehlen von gesetzlichen Regelungen oder förderpolitische Ressourcenzuweisungen, was der Beitrag von Detlef Kuhlenkamp (Universität Bremen) rund 20 Jahre nach seiner Keynote bei der Sektionstagung 2005 in Potsdam mit neuen Zahlen diskutieren wird.
Eva Humt und Halit Öztürk (Universität Münster) werden anschließend die wichtige, jedoch häufig vernachlässigte Mesoebene der Weiterbildungsorganisationen für Beteiligungsregulation thematisieren und dabei Erklärungsfaktoren für Inklusion, aber auch für Exklusion am Beispiel des Themenfeldes Migration diskutieren.
Die beiden weiteren Beiträge fokussieren die Mikroebene: Bernd Käpplinger (Universität Gießen) wird sich mit der ungleichen Weiterbildungsbeteiligung von verschiedenen Individuen bzw. Gruppen befassen. Hierzu nimmt er aggregiert die Ergebnisse von vielen individuellen Weiterbildungsentscheidungen in ihrem jeweiligen Kontext in den Blick und diskutiert eine Maßzahl zur Messung von Ungleichheit im Zeitvergleich.
Mit Weiterbildungswahlkompetenz als einem potenziellen Konstrukt zur Erklärung und Förderung individueller Weiterbildungsbeteiligung auf der Mikroebene mit besonderer Berücksichtigung von Beratung werden sich schließlich Tim Stanik und Joshua Wilhelm (Universität Münster) auseinandersetzen.
Insgesamt betrachten die vier Beiträge des Panels damit Weiterbildungsbeteiligung mit ihren Barrieren und Zugängen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene. Unter Verwendung von quantitativen bzw. qualitativen Methoden in jeweils zwei der Beiträge wird deutlich, inwiefern Weiterbildungsbeteiligung durch beide Forschungsparadigmen zu untersuchen ist, um zu einem differenzierten Verständnis der Komplexität von Entscheidungen, Kontexten und Strukturen der Weiterbildungsregulation zu erhalten. In diesem Zusammenhang werden schließlich methodologisch unterschiedliche Perspektiven relevant, die in den Beiträgen sowohl mit theoriegeleiteten Erklärungsansätzen für eine (ungleiche) Weiterbildungsbeteiligung, als auch mit Fragen nach Maßzahlen und Konstrukten zur Erfassung der Weiterbildungsbeteiligung zur Diskussion gestellt werden.
Präsentationen
Weiterbildung zwischen Neoliberalismus und Sozialstaatspostulat – Zur Entwicklung der Weiterbildungsförderung durch die öffentlichen Hände
Detlef Kuhlenkamp
Universität Bremen, Deutschland
Der Strukturplan für das Bildungswesen des deutschen Bildungsrats von 1970 postulierte: Weiterbildung unterliege der öffentlichen Verantwortung wie alle anderen Teile des Bildungssystems. Diese Aussage dokumentiert das weiterbildungspolitische Verständnis der siebziger Jahre. Dies führte unter anderem zu der Verabschiedung von Weiterbildungsgesetzen, die 1975 in acht Bundesländern bestanden und die in dem Jahr mit der Förderungssumme von insgesamt umgerechnet 93.620.576. - € ausgestattet waren. Diese Summe erhöhte sich bis 1980 um 103,3 %, wurde dann aber bis 1983 bereits um 5,47 % gekürzt. Die Zeitreihe der finanziellen institutionellen Förderung der Weiterbildung nach den bestehenden Landesgesetzen von 1991-2021 (ohne Berlin, Hamburg und Schleswig- Holstein) weist ebenso zahlreiche finanzielle Kürzungen der in den Vorjahren erreichten Förderungssummen aus. Auch die finanzielle Förderung der beruflichen Bildung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw. dem SGB III zeigt einen mehrfachen Anstieg der Ausgaben für Unterhaltsgeld, Fortbildung, Umschulung und Einarbeitung wie auch mehrfache Kürzungen. Werden die Ausgaben nach dem damaligen AFG von 1969 im ersten Förderungsjahr 1970 zu 100 % gesetzt stiegen sie bis zum Jahre 1975 auf 441 % an um 1976 rabiat auf 327,5 und schließlich 1978 auf 221,8 % gekürzt zu werden. Die Geschichte der Weiterbildungsförderung durch die öffentlichen Hände ist sowohl durch zahlreiche Erhöhungen als auch Kürzungen und durch nicht kompensierte Preissteigerungen gekennzeichnet. Dies erfordert bei den geförderten Weiterbildungseinrichtungen eine Kompensation der Kürzungen entweder durch Verminderung des Angebots oder Erhöhung der Teilnehmendengebühren oder durch Erhöhung der Trägermittel oder die Kompensation durch andere Finanzierungsquellen wie durch den ESF. Vielfach unterbrochene Förderungskontinuität hat seit Verabschiedung der ersten Weiterbildungsgesetze Weiterbildungsangebote und -teilnahme oft eingeschränkt.
Weiterbildungsteilhabe und Weiterbildungsorganisationen – Erklärungsfaktoren für Inklusion/Exklusion von Weiterbildung aus der Organisationsforschung
Eva Humt, Öztürk Halit
Universität Münster, Deutschland
Die Teilnahmeforschung fokussiert sich häufig auf Phänomene auf der Mikroebene des Individuums oder auf der Makroebene von Politik und Gesellschaft, um ungleiche Weiterbildungsteilhabe zu erklären. Der Beitrag nimmt hingegen die dazwischen liegende Mesoebene der Weiterbildungsorganisationen in den Blick und beschreibt organisationale Faktoren der Teilhabe an Weiterbildung am Beispiel des Themenfeldes Migration. Dabei verfolgt er den Anspruch, aus Perspektive der Organisationsforschung das Themenfeld zu de-essentialisieren (Lang, Pott & Shinosaki 2021), um den Einfluss von Zuschreibungen an Personen mit sog. ‚Migrationshintergrund‘ auf deren Inklusion/Exklusion von Weiterbildung sichtbar zu machen.
Grundlage hierfür bilden problemzentrierte Interviews mit Leitungspersonen in der Weiterbildung. Die systemtheoretische Rahmung der Studie (u.A. Luhmann 2011, Emmerich & Hormel 2013, Stichweh 2007) ermöglicht es zudem, Bezüge zu den Ebenen der Gesellschaft und des Individuums herzustellen, sodass Hinweise auf mehrdimensionale Erklärungsfaktoren für ungleiche Weiterbildungsteilhabe abgeleitet werden können.
Wachsende, stabile oder abnehmende Ungleichheit in der Weiterbildungsbeteiligung? Auf dem Weg zu einem Maß
Bernd Käpplinger
Justus-Liebig-Universität Giessen, Deutschland
Bereits 2023 wurde bei der Sektionstagung die weiterhin ungleiche Weiterbildungsbeteiligung in einem Beitrag des Autorens thematisiert. Eine Zeitreihenanalyse hat damals ergeben, dass die Ungleichheit der Weiterbildungsbeteiligung über die letzten Dekaden hinweg bei vielen Personengruppen jedoch oft abgenommen hat. Dies ist durchaus als erwartungswidrig einzuschätzen, da populäre Kritik von Interessenverbänden mit Verweis auf dem sogenannten „Matthäus-Effekt“ oft auf eine stabile oder sogar zunehmende Ungleichheit fixiert ist, aber Veränderungen über die Zeit weg nicht im Blick hat. In dem Beitrag wird auf Basis der neuen AES-Daten analysiert, wie sich die Ungleichheit aktuell weiterentwickelt hat, d.h. ob Ungleichheit weiter abgenommen hat oder nicht. Der Beitrag will zudem methodologisch wie empirisch weiter diskutieren, wie eine Art Gini-Index für die Weiterbildungsteilnahme aussehen könnte, um ein definiertes Maß bei der Ungleichheitsmessung zu etablieren.
Weiterbildungswahlkompetenz – ein potenzielles Konstrukt zur Erklärung und Förderung individueller Weiterbildungsbeteiligung
Tim Stanik, Joshua Wilhelm
Universität Münster, Deutschland
Während ein großer Teil der Weiterbildungsbeteiligung auf die betriebliche Weiterbildung entfällt und hierbei die Weiterbildungsaktivität der Betriebe der zentrale Prädiktor darstellt, finden sich heterogene Zugänge zur Analyse und Erklärung für die (Nicht-)Teilnahme an beruflicher und/oder allgemeiner Weiterbildung/Erwachsenenbildung (Wittpoth, 2018).
Zu nennen sind strukturalistische Zugänge, die Effekte der Soziodemografie (BMBF, 2022) des Sozialraums (Mania, 2018) der der Milieuzugehörigkeit (Barz & Tippelt, 2007) untersuchen, sowie subjekt(-theoretische) Zugänge, bei denen bspw. rationale Entscheidungen (Behringer, 2003), Interessen (Grotlüschen, 2010), lernbiografische Motivationen (Gorges, 2015) oder Emotionen (Gieseke, 2007) untersucht werden. Weitere Zugänge vor dem Hintergrund der Kritischen Theorie oder postmoderner Diskurse bieten wiederum Erklärungen für Widerstände, zum Teil explizit (Holzer, 2017) oder implizit, wenn z.B. die empfundene Nicht-Zugehörigkeit zu einer (lernenden) Gesellschaft erörtert werden (Hooks, 2020).
Der eingereichte Beitrag exploriert hingegen mit Hilfe eines kompetenztheoretischen Zugangs die Frage, welche Kompetenzfacetten Weiterbildungsinteressierte als Ressource für ihre individuellen Entscheidungen für eine begründete (Nicht-)Teilnahme an Weiterbildung benötigen. Neben eines narrativen Literaturreviews werden erste Ergebnisse einer qualitativen Expert*innenbefragung von Weiterbildungsberatenden (n=20) im Hinblick auf das Konstrukt einer zu modellierenden „Weiterbildungswahlkompetenz“ dargelegt. Weiterbildungswahlkompetenz wird dabei als ein mehrdimensionales Konstrukt von Kenntnissen, Fähigkeiten und Einstellungen definiert (Weinert, 2001), die es dem Individuum ermöglichen, begründete Weiterbildungsentscheidungen zu fällen.