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Sitzungsübersicht
Sitzung
Doktorand*innen-Forum 2
Zeit:
Freitag, 22.09.2023:
13:30 - 15:00

Chair der Sitzung: Paul Petschner
Ort: Geb. 3, F 009



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Präsentationen

Zwischen Adressierung, Affordanz und materiellem (Eigen-)Sinn. Theoretische Sensibilisierungen in der anerkennungstheoretischen Medien- und Subjektivationsforschung

Olga Neuberger

Ruhr-Universität Bochum, Deutschland

In meinem Dissertationsvorhaben untersuche ich die mediale Praxis in Rundgängen an Erinnerungsorten und deute diese subjektivierungstheoretisch. Hierzu greife ich auf die anerkennungstheoretische Interpretation des Subjekts von Butler (2001) zurück. Inzwischen liegen eine Reihe an (empirischen) Untersuchungen vor, die pädagogische Praxis unter Rückgriff auf Butlers Anerkennungsbegriff deuten (exemplarisch Engel & Diz Muñoz 2022; Kuhlmann & Sotzek 2018; Reh & Rabenstein 2012; Schröder & Asmussem 2022). Das Besondere an Butlers (2001) Konzeption ist, dass sie von der gleichzeitigen Unterwerfung und Hervorbringung von Individuen als Subjekte ausgeht. Zur Beschreibung dieses Prozesses greift Butler auf das von Althusser entwickelte Konzept der Anrufung zurück. Dieses bilde den zentralen Mechanismus, durch den Individuen zu Subjekten gemacht werden (Butler 1998). Bei Althusser entsteht ein Subjekt, indem es, „durch einen Ruf, eine Anrede, eine Benennung konstituiert wird“ (Butler 2001, S. 91). Dieser Vorgang stellt sich „als Übernahme einer konkreten Fremdzuschreibung“ (Hauskeller 2000, S. 40) und „zugleich als Einsetzung eines Subjekts durch und in eine symbolische Ordnung dar“ (Balzer 2014, S. 444). Butler schließt hier an und deutet Anrufung zum einen als Anerkennungsgeschehen (Butler 1998, S. 35; S. 48) und löst Anrufung zum anderen aus dem für Althusser zentralen Erkenntnisinteresse der Bedeutung von Staatsapparaten und autorisierter Sprecher für Subjektivation, indem sie argumentiert, dass jede soziale Interaktion durch Anrufungsprozesse gekennzeichnet und in der Folge als Anerkennungsgeschehen gedeutet werden kann (Butler 1998). Das macht ihre Überlegungen nicht zuletzt für die Untersuchung pädagogischer Interaktionen interessant.

Dreh- und Angelpunkt vieler dieser Studien bildet das Konzept der Adressierung als Operationalisierung von Anerkennung (Ricken 2013; Rose & Ricken 2018). Wenngleich Adressierung ursprünglich breiter gefasst wird (Reh & Ricken 2012; Ricken 2013), ist das Konzept insbesondere hinsichtlich der konkreten methodischen Umsetzung eng an Sprache gekoppelt. Um die Beteiligung konkreter Materialitäten und Medialitäten an Anerkennungsgeschehen systematisch(er) zu berücksichtigen und dies fernab von Verständnissen als neutrale Werkzeuge (Bettinger 2020), wurden bereits unterschiedliche Konzepte aus anderen Theoriezusammenhängen herangezogen (Jörissen 2015; Rabenstein 2018; Schröder & Asmussen 2022; Thompson & Hoffarth 2013). Hier schließt der Beitrag an und richtet den Blick insbesondere auf solche Konzepte, die die materielle Seite von Medialitäten fokussieren, sodass Medien als materielle Artefakte betrachtet werden (Aßmann 2014). Die gewählten Konzepte werden zum Teil bereits im medienpädagogischen Diskurs rezipiert (Bettinger 2020; Jörissen 2015) – etwa das aus der Wahrnehmungspsychologie stammende Konzept der Affordanz (Gibson 1977). In sozial- und kulturwissenschaftlichen Untersuchungen ist mitunter von materiellem Sinn (Kalthoff 2019) oder Eigensinn (Hahn 2014) die Rede. Unter der Frage, inwiefern materielle Artefakte Individuen anrufen, werden die jeweiligen Konzepte im Beitrag zunächst dargestellt und im Sinne sensibilisierender Konzepte (Blumer 1954) dahingehend diskutiert, was mit ihnen jeweils in den Blick kommt und welche methodischen Weichenstellungen damit einher gehen. Schließlich werden die Konzepte auf ihre Anschlussfähigkeit an Butlers anerkennungstheoretische Konzeption des Subjekts befragt. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Frage nach dem Verhältnis von Normativität und Materialität. Den Beitrag verstehe ich insofern als Suchbewegung nach geeigneten theoretischen Sensibilisierungen für die Analyse von Subjektivation in und durch Gebrauchs- und Rezeptionspraktiken (digitaler) Visualisierungsmedien an Erinnerungsorten.



❌ abgesagt ❌

Digitale Lernwelten in personenbezogenen Dienstleistungsberufen -Simulationsbasierte Lernmedien am Beispiel der Pflegebildung-

Cornelia Jeremias-Pölking

Universität Paderborn & FH Münster, Deutschland

Digitale simulationsbasierte Lernmedien (hier: Simulationen & Serious Games) finden zunehmend Berücksichtigung in der Pflegebildung und führen zu vielfältigen Entwicklungen (z. B. Calik und Kapucu 2022; Hara et al. 2021). Bedingt wird dies u. a. durch neue Chancen des beruflichen Lernens im Setting digitaler simulationsbasierter Lernmedien. So können sich Lernende erproben und erleben eindrücklich die Konsequenzen ihrer Handlung in der Simulation bzw. im Serious Game. Die Anwendungen können beliebig oft wiederholt und Lösungen immer wieder neu ausprobiert werden, ohne das der reale berufspraktische Handlungsdruck auf Lernenden lastet oder es zu Gefährdungssituationen im Pflegesetting kommt (Jeremias-Pölking et al. 2020; Peters et al. 2018; Dütthorn et al. 2018).

Das Promotionsprojekt „Digitale Lernwelten in personenbezogenen Dienstleistungsberufen. Simulationsbasierte Lernmedien am Beispiel der Pflegebildung“ nimmt diese Themen und Entwicklungen auf und verfolgt die Fragestellung, inwiefern digitale simulationsbasierte Lernmedien in der Pflegebildung einen Erwerb pflegespezifischer Kompetenzen ermöglichen. Unter simulationsbasierten Lernmedien werden hier Simulationen und Serious Games verstanden. Während Simulationen die Abbildung einer simulierten Realität für Trainings- und Übungszwecken umfasst, werden unter Serious Games Videospiele verstanden, welche neben dem Spielspaß Lerninhalte vermitteln wollen (Kerres 2018; Unger et al. 2015). Das Konstrukt der pflegespezifischen Kompetenzen bleibt dabei selbst vage und ist nicht allgemeingültig bestimmt. Als zentrale pflegespezifische Kompetenzen wurden jedoch z. B. „Beziehungsgestaltung“ oder auch „situative Entscheidungsfindung“ herausgearbeitet (Dütthorn 2014; Remmers 2011). Im Rahmen der Zielsetzung dieses Promotionsprojektes ist eine Theoriegenerierung vorgesehen, in der eine schärfere Skizzierung pflegespezifischer Kompetenzen sowie eine Modellierung eines pflegespezifischen Kompetenzerwerbs in simulationsbasierten Lernmedien vorgenommen wird. Darüber hinaus sollen Potenziale und Grenzen digitaler simulationsbasierter Lernmedien für die Pflegebildung herausgearbeitet und konkretisiert werden.

Zur Beantwortung der Fragestellung wird ein qualitatives Design unter der Forschungsstrategie der Grounded Theory Methodologie in ihrer reflexiven und handlungstheoretischen Ausprägung gewählt (Breuer et al. 2019; Strauss und Corbin 1996). Im Rahmen der Erhebungssituation wurden Pflegeauszubildenden gebeten, Teile der Simulationen bzw. des Serious Games „uMed: Your Choice“ oder „Take Care“ zu nutzen bzw. zu spielen (TAKE CARE 2019/2021; UMED: YOUR CHOICE 2020). Diese simulationsbasieren Lernmedien thematisieren pflegerische Handlungsfelder bzw. können auch für den pflegerischen Kontext genutzt werden (Katsarov et al. 2021; Hülsken-Giesler et al. 2022), sodass ein Erwerb pflegespezifischer Kompetenzen denkbar ist. Mit Hilfe der eigens weiterentwickelten Methode des Lauten Denkens wurden diese Spiel- und Anwendungssequenzen in einem ersten Schritt videografiert (Introspektion) und in einem zweiten Schritt mit den jeweiligen Lernenden in einem Stimulated Recall Interview (SRI) reflektiert (Jeremias-Pölking 2023; Gerhardts 2020; Konrad 2020; Messmer 2015). Im Rahmen dessen konnte reichhaltiges Material erhoben werden. Es liegen aktuell sechs Introspektionen und sechs SRI vor, welche mit dem umfangreichen Kodierinstrumentarium der Grounded Theory Methodologie kodiert werden.

Im geplanten Vortrag sollen nun erste Modellierungen mit dem Schwerpunkt auf die Introspektionen präsentiert und diskutiert werden. In der Verbindung von pflegerischen Inhalten mit Simulationen und Serious Game rücken etwa die Phänomene des Non-player characters als besondere Perspektive einer Patientenzentrierung oder die zentrale Rolle von emotionaler Involvierung beim Lernen und Spielen in den Fokus.



Zuarbeit, Transformation, Osmose - Potenziale, Herausforderungen und mögliche Positionierungen medienpädagogischer Akteur*innen in überinstitutionellen, kooperativen Settings.

Christine Nowak

ifib - Institut für Informationsmanagement Bremen, Deutschland

Wenn außerschulische, medienpädagogische Bildungsakteur*innen Kooperationen mit Schulen eingehen, treffen unterschiedliche Programmatiken, Handlungsroutinen und Erwartungen aufeinander.

So konstituiert sich Schule als Institution über eindeutige Zugehörigkeiten und Zuständigkeiten ihrer Mitglieder (Helsper, 2021. S. 250), was sich u.a. in der Schulpflicht, ihrer Qualifikations-, Allokations- und Selektionsfunktion dokumentiert (Fend 2006). Mit diesen Aufträgen von Schule ist vor allem ein formales Bildungsverständnis, das Bildung als Kompetenzerwerb versteht, verknüpft (KMK, 2017). Dies grundiert die (pädagogische) Handlungspraxis in Schulen in konstitutiver Weise und unterscheidet sie darin fundamental von non-formaler, außerschulischer Bildungsarbeit. Für diese wird ein weit gefasster Bildungsbegriff grundgelegt, der darüber hinaus sämtliche „Facetten der non-formalen Bildung und des informellen Lernens“ mit einbezieht (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022, S. V) und mit Verweis auf die strukturale Bildungstheorie Marotzkis (1990) Bildung nicht als „Ergebnis oder Zustand“ (Marotzki & Jörissen, 2008, S. 51) begreift, sondern als Prozess, in dem sich „komplex[e], selbstreflexiv[e] Lern- und Orientierungsprozesse“ (ebd.) vollziehen. Um solche Prozesse zu evozieren, wird der digitalen Medienbildung Potenzial zugesprochen (Biermann, 2009, S. 16). Die handlungsorientierte Medienpädagogik bietet Raum für die Entwicklung und Erprobung von Kompetenzen im Umgang mit Komplexität, Unbestimmtheit und Tentativität (Jörissen & Marotzki, 2009, S. 18 f.). Mit diesem weiten Bildungsverständnis gehen pädagogische Prinzipien wie „Freiwilligkeit, Hierarchiearmut, Subjektorientierung und Partizipation“ (Ingold & Maurer, 2019, S. 61) einher. Zudem unterliegen Einrichtungen der kulturellen und außerschulischen Bildung weniger explizierten Regeln, Rollenverständnissen und Routinen und werden durch „heterogene Zuständigkeiten“ (Helsper, 2021, S. 250) an unterschiedlichen Einsatzorten charakterisiert.

Trotz oder gerade wegen dieser Unterschiedlichkeit finden Kooperationen zwischen formalen und non-formalen Bildungseinrichtungen statt und es entstehen neue pädagogische Räume – so auch zwischen Schulen und Medienwerkstätten einer deutschen Großstadt, die Gegenstand eines BMBF-geförderten Forschungsprojekts sind. In dessen Rahmen soll rekonstruiert werden, wie diese Räume gestaltet werden, ob und wo Spannungsfelder entstehen und wie diese von den jeweiligen Akteur*innen bearbeitet werden. Im Sinne der dokumentarischen Evaluationsforschung (Bohnsack, 2006) sollen die empirischen Erkenntnisse den beteiligten Medienpädagog*innen zurückgespiegelt werden. Im Zuge meiner Dissertation fokussiere ich dabei den Vermittlungsprozess zwischen den Evaluierenden und Evaluierten, der formativ, partizipativ und responsiv gestaltet wird. Die verschiedenen Realitäten der Projektbeteiligten werden im Sinne eines „Realitätenkellners“ (Schmidt, 2008, S. 90 zit. in Loos, 2013, S. 359) präsentiert und diskutabel gemacht. Es wurden bereits Erhebungen auf Ebene der Mitarbeitenden, der Steuerungsebene sowie kooperierender Lehrkräfte an Schulen durchgeführt und erste Orientierungsfiguren mit der dokumentarischen Methode rekonstruiert. Dabei zeigt sich empirisch unter anderem, dass die Schule als Schauplatz der Kooperation mit konstitutiven Handlungsdilemmata assoziiert ist und medienpädagogische Akteur*innen spezifische Umgangsformen mit diesen Handlungsherausforderungen finden.

Im Vortrag werden erste Ergebnisse der bisherigen Analysen präsentiert, dabei die konstitutiven Herausforderungen der spannungsreichen Kooperation zwischen medienpädagogischen Akteur*innen und Lehrkräften empirisch bebildert und hierüber Potenziale, Widersprüche und Chancen einer Implementation non-formaler Bildungsangebote im formalen Bildungsort Schule beleuchtet und zur Diskussion gestellt. Zugleich wird das Verfahren einer dokumentarischen Evaluationsforschung und das mit ihr korrespondierende Transferverständnis herausgestellt und auf ihre Herausforderungen und Potenziale hingewiesen.