Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 10
Zeit:
Freitag, 22.09.2023:
13:30 - 15:00

Chair der Sitzung: Sonja Ganguin
Ort: Geb. 2, 1-3


(Inter-)disziplinäre Begegnungen mit Medienpädagogik


Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Für eine ›technologiebewusste Medienpädagogik‹ jenseits der Digitalisierung

Christoph Richter, Heidrun Allert

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Deutschland

Auch wenn wir uns bereits seit einiger Zeit in einem kulturellen Zustand der (Post)Digitalität befinden, in dem das Digitale zu einem ›Medium‹ geworden ist, dessen wir uns nicht mehr einfach bedienen, sondern in dem wir uns bewegen und leben, sind wir zugleich mit einer fortwährenden Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung digitaler Technologien konfrontiert. Verfahren zur Verarbeitung sehr großer Datenbestände, Blockchain-Technologien, teilautonome Waffensysteme und generative KI-Systeme sind nur einige der Beispiele, die unsere digitalen Technologieverhältnisse in den vergangenen Jahren nachhaltig verändert haben. Wie von verschiedenen Autor:innen immer wieder herausgearbeitet worden ist, kann sich eine medienpädagogische Auseinandersetzung mit den digitalen Verhältnissen nicht auf Fragen des (kollektiven) Umgangs mit den digitalen Dingen beschränken, sondern muss sich auch mit den zugrundeliegenden technischen und informatischen Prozessen befassen. Ungeachtet der Forderung nach einer ›technologiebewussten Medienpädagogik‹, fokussiert die medienpädagogische Diskussion digitaler Technologien jedoch weitgehend auf die Analyse vermeintlich allgemeiner Strukturprinzipien, die es zu verstehen und zu reflektieren gälte. Unbeachtet bleiben dabei aber die Eigensinnigkeit der digitalen Dinge wie auch ihre vielschichtigen Verwicklungen mit den sich kontinuierlich transformierende Praktiken. Vor diesem Hintergrund diskutiert der Beitrag die verschiedenen in der medienpädagogischen Diskussion anzutreffenden Konzeptionen digitaler Technologien sowie die in ihnen angelegten Relationierungen von Mensch und Technik. Der Beitrag zeigt auf, dass weder die Vorstellung einer intentionalen Zurichtung der Technik durch ihre Entwickler:innen noch eine konzeptionelle Entgrenzung von Mensch und Technik geeignet ist, die technischen Transformationsdynamiken zu erschließen und schlägt stattdessen eine praxistheoretische Konzeption der Technikgenese vor, die Technik und soziale Praktiken in ein Spannungsverhältnis zueinander setzt. Medienpädagogisch gewendet radikalisiert diese Konzeption die Vorstellung der Technik als einem ›evokativen Objekt‹, in dem sich nicht ›einfach‹ gesellschaftliche Prinzipien widerspiegeln, sondern uns kollektiv herausfordert, uns aktiv mit der Frage zu befassen, was diese Prinzipien sind und sein sollten.



❌ abgesagt ❌

Bildungsplattformen als Forschungsgegenstand der Medienpädagogik: Handlungsfelder und Perspektiven

Johannes Bonnes, Eik Gädeke, Paula Goerke, Stefan Klusemann, Paul Weinrebe

FernUniversität in Hagen, Deutschland

Digitale Lehr- und Lerninfrastrukturen als Plattformen sind inzwischen Kernbestandteil aller Bildungsbereiche bzw. fungieren als wichtige ‘Treiber’ der sog. Digitalen Transformation im Bildungssystem. Prominente Beispiele finden sich global wie national und werden sowohl von staatlichen als auch privaten Akteur:innen betrieben (Seemann 2021). Ihre wachsende Relevanz dokumentiert sich auch darin, dass sie mit verschiedenen Zugängen und in verschiedenen disziplinären Kontexten – etwa unter dem Stichwort der Plattformisierung – beforscht werden (Decuypere et al. 2021; Rivas 2021). Demgegenüber werden Plattformen bisher kaum auf Gegenstandsbereiche der Medienpädagogik bezogen (Iske et al. 2020). Dennoch tangieren Plattformen viele diskursive Felder der medienpädagogischen Disziplin – wie etwa Datafizierung, Bildungssteuerung und Bildungsgerechtigkeit (Förschler et al. 2021).

Der vorliegende Beitrag greift die Diskrepanz zwischen der Relevanz von Bildungsplattformen als Untersuchungsgegenstand der Medienpädagogik einerseits und der bis dato sich in den Anfängen befindenden Auseinandersetzung mit diesen andererseits auf. Basierend auf den Ergebnissen eines Literaturreviews deutsch- und englischsprachiger Literatur in internationalen Datenbanken wird geklärt, (1) wie, (2) mit welchen Zugängen und (3) auf welchen Ebenen Plattformisierung in der Erziehungs- und Bildungswissenschaft und angrenzenden Disziplinen (u.a. Kultur-, Sozial- und Kommunikationswissenschaften oder Organisationspädagogik) thematisiert wird. Wir sichten den Forschungsstand zu Plattformen nach zentralen Themen, Zugängen und Ergebnissen und nehmen eine Bilanzierung und konzeptuelle Ordnung der Literatur im Sinne eines Critical Reviews (Grant/Booth 2009) vor. Dabei werden Abgrenzungen, Begrenzungen und Entgrenzungen der Forschungsfelder herausgearbeitet und zu Handlungsfeldern und Diskursen der Medienpädagogik in Bezug gesetzt. Ziel des Beitrags ist es, die systematische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Bildungsplattformen als integralen Bestandteil im medienpädagogischen Diskurs zu etablieren und Perspektiven für ein Forschungsfeld mit interdisziplinären Bezügen zu verdeutlichen. Das Review geht zurück auf ein Forschungsprojekt, das sich mit Aktivitäten rund um die Entwicklung und Gestaltung von Plattformen beschäftigt.



Medienpädagogische Ungleichheitsforschung meets Neomaterialismus – Versuch einer zukunftsträchtigen Relationsbestimmung

Maximilian Waldmann

Fernuniversität in Hagen, Deutschland

In den letzten Jahren ist innerhalb der deutschsprachigen Medienpädagogik eine Zunahme von Bezügen auf Theoreme und Analysefiguren aus den Arbeiten von Donna Haraway (2018), Karen Barad (2012) u. a. Denker*innen zu verzeichnen, die dem Posthumanismus/Neomaterialismus und vergleichbaren lateralen Ontologien zugeordnet werden (Hipfl 2018, Bettinger 2022, Dander/Neuberger/Aßmann 2023; Leineweber/Waldmann/Wunder 2023). Diskutiert wird, inwiefern sich im Zuge des neomaterialistischen Primats der agency von Materie und einer Dezentrierung allein menschlicher Subjekt-/Weltverhältnisse unsere disziplinären Auffassungen von Handlungsinitiative, Sozialität, Politik und Ethik wandeln. Während Auswirkungen dieses Paradigmenimports auf Biographieforschung, Medienpraxis-, Lern und -bildungstheorien, politische Ökonomien der Digitalisierung und andere Machtanalysen an Kontur gewinnen, sind Effekte auf die medienpädagogische Ungleichheitsforschung bisher kaum wahrnehmbar, die sich an Pierre Bourdieu hält (Langenohl/Lehnen/Zillien 2021).

Ausgehend von dieser Rezeptionslage zielt der Beitrag darauf ab, mit Blick auf postdigitale Ungleichheitsdynamiken zwei theoretische Bezugsmodi zu systematisieren, die sich als Reflexion von Sinn einerseits und als Diffraktion von Bedeutung/Materialität andererseits kennzeichnen lassen. Die Differenz von beiden, so die These, zeigt sich in der (Re-)Produktion von Ungleichheit bzw. des Ungleich-Mit-Werdens innerhalb des Gegenstandsfeldes pädagogisch bedeutsamer Plattformökonomien, wie z. B. Learning Analytics (Selwyn 2020).

Um diese These zu plausibilisieren, wird in einem ersten Argumentationsschritt die Differenz posthumanistischer Ungleichheitsdefinitionen zur bildungssoziologischen Orthodoxie herausgestellt, um dann im zweiten Schritt die Erkenntnisgewinne dieser Differenz für medienpädagogisches Denken herauszustreichen und an Beispielen numerischer (Mau 2017) und anderer Ungleichheitszusammenhänge zu demonstrieren. Erläutert wird anschließend mit Hilfe des pädagogischen Diskurses der Postdigitalität (Knox 2019), weshalb Artikulationsweisen von Ungleichheit multi- und nicht unilateral sind, wie Perspektiven einer Kultur der Digitalität (Stalder 2016) vielleicht nahelegen. Im letzten Schritt wird argumentiert, ‚konventionelle‘ und ‚post-anthropozäne‘ Ungleichheitsperspektiven zukünftig über einen ontoepistemologischen Begriff performativer Relationalität miteinander ins Verhältnis zu setzen, ohne dabei deren Unterschiede zuzudecken oder beide in einer übergreifenden Systematik zu vereinen.