Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 2
Zeit:
Donnerstag, 21.09.2023:
11:30 - 13:00

Chair der Sitzung: Valentin Dander
Ort: Geb. 3, H 004


Medienpädagogische Begründungen


Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Lifelogging auf YouTube in einer Kultur der Digitalität – medienkompetenzanalytische Perspektiven auf Körperinszenierungen

Bianca Burgfeld-Meise1, Lukas Dehmel2

1Fachhochschule Südwestfalen, Deutschland; 2Universität Paderborn

Unser Beitrag beschäftigt sich mit dem zeitgenössischen Medienphänomen des Lifelogging, verstanden als Praktiken, „menschliches Verhalten zu erfassen, indem alle Verhaltens- und Datenspuren aufgezeichnet, in einem Speicher abgelegt und zum späteren Wiederaufruf vorrätig gehalten werden“ (Selke 2014, 174). Dies können verschiedene Vorgänge sein, wie etwa Schritte per Smartphone zählen, Fotos oder Videos aufnehmen und teilen, Musiklisten anlegen usw. (vgl. ebd., 177ff.). Diese Praktiken ermöglichen es den Einzelnen, neue Perspektiven auf das eigene Selbst einzunehmen und sich distanziert zu beobachten (vgl. ebd., 188ff.). Lifelogging lässt sich als prototypische Praktik einer „Kultur der Digitalität“ (Stalder 2016) verstehen, in der die Individuen „mehr oder minder verbindlich fest[legen], wie sie zu sich selbst, zueinander und zur Welt stehen und an welchem Referenzrahmen sich ihr Handeln orientieren soll“ (ebd., 16f.).

Mit diesem Verhältnis von Selbst, Bezugsgruppe und Welt sind bereits Bildungsprozesse angesprochen. Diese werden wir aus der medienkompetenztheoretischen Perspektive Baackes herausarbeiten, indem wir die Potenziale eines medienpädagogischen „Klassikers“ für die Analyse eines aktuellen Medienphänomens ausloten. Baacke versteht „‚Kommunikation‘ und ‚Handeln‘“ als „unterschiedliche Modalitäten eines Grundzustandes des In-der-Welt-Seins“ (Baacke 1996, 118f.). Unser Beitrag fokussiert, welche ‚Modalitäten‘ des ‚In-der-Welt-Seins‘ sich im Kontext des Lifelogging zur ‚aktiven Weltaneignung‘ (s.o.) rekonstruieren lassen und welche Rückschlüsse sich auf die dafür notwendigen Fähigkeiten ziehen lassen. Dazu analysieren wir Lifelogging-Praktiken auf YouTube im Kontext von Inszenierungen und Protokollierungen des eigenen Körpers durch Fitnessvideos. Konkret werden wir ein Sample (bekannte/weniger bekannte Protagonst:innen) sichten und zwei Beispiele kontrastiv mittels „Webformat-Analyse“ (Schuegraf/Janssen 2017) untersuchen. Aus einer erziehungswissenschaftlich-kasuistischen Forschungsperspektive (vgl. Hummrich, 2016) geht es hier nicht um eine evidenzbasierte Generalisierung, sondern darum, die Einzelfälle vor dem Hintergrund allgemeiner kultureller Bedeutungsgefüge zu interpretieren und so am Beispiel der Körperinszenierungspraktiken auf YouTube zu allgemeinen Aussagen über Lifeloggingpraktiken aus der medienkompetenztheoretischen Perspektive Baackes zu gelangen. Diese reflektieren wir vor dem Hintergrund von Stalders (2016) Überlegungen zu einer Kultur der Digitalität.



Medienpraktiken erforschen mit fokussierten Medienethnographien. Vorschlag einer multimodalen Erhebungsmethode zur Analyse der Verwobenheit von Menschen und Medien in der Digitalität

Jane Mueller

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland

In Zukunft wird unser Leben „in all seinen Bereichen stärker als bisher von Digitalisierung, Technologisierung, Datafizierung, Hybridisierung und intensiveren Verschmelzungen von Menschen und Maschinen geprägt sein“ (Hofhues/de Witt 2023). Offen ist, inwiefern die Bedeutung unsichtbarer oder schwer zu durchschauender Prozesse, etwa in den Feldern von Datafizierung (Breiter/Hepp 2018) und Algorithmizität (Verständig et al. 2022), in solche Analysen einbezogen werden können. Interessant ist zudem, wie mediale Adaptivität und menschliches Tätigsein ineinanderwirken (etwa Schröder/Richter 2022). Vor diesem Hintergrund wird die Grundlegung eines selbstbestimmten Subjektes zunehmend in Frage gestellt (Kammerl 2017) und praxistheoretische Zugänge gewinnen an Bedeutung (Bettinger/Hugger 2020). Die Frage, wie diese Perspektive empirischen Analysen zugänglich gemacht werden kann, muss noch beantwortet werden. Um unbewusste, ungewollte Prozesse und die Beziehungen zwischen Menschen untereinander und zu Medien adäquat zu erfassen, braucht es empirische Zugänge, die über klassische – zumeist auf Sprache und Erinnerungen gestützte Verfahren – hinausgehen.

Im Vortrag wird mit der Erhebungsmethode der fokussierten Medienethnographien (Müller, in Vorbereitung) ein empirischer Feldzugang vorgestellt, die das Ziel verfolgt aktuellen Fragestellungen der Medienpädagogik gerecht zu werden. Der Ansatz kombiniert fokussierte (Knoblauch/Vollmer 2022) und medienethnographische Zugänge (u.a. Bender/Zillinger 2015) mit der Digital Ethnography (Pink 2016). Dabei finden wiederholt kurze, datenintensive Feldaufenthalte statt, in denen der Alltag von Menschen und in diesen eingeflochtene Medienpraktiken im Zentrum stehen. Kombiniert werden Beobachtungs- und (Trace-)Interviewtechniken (Dubois/Ford 2015) mit Netzwerktechniken und der Dokumentation bedeutsamer medialer Artefakte, um der Komplexität des Gegenstands zu begegnen. Im Vortrag werden Erfahrungen aus insgesamt 15 fokussierten Medienethnographien eingebracht, in welchen Jugendliche (14 bis 19 Jahre) an sechs Erhebungszeitpunkten in ihrem Alltag begleitet wurden. Dabei steht neben einer Darstellung der konkret eingesetzten Verfahren der Vergleich zu klassischen Leitfadeninterviews auf der einen Seite und der Erhebung reiner Onlinedaten auf der anderen Seite im Mittelpunkt der Präsentation. Daneben wird ein Überblick über Mehrwert und Fallstricke der eingesetzten Methode gegeben.



Bildungsmedien als Handlungsfeld und Forschungsbereich der Medienpädagogik?

Alexandra Totter

Pädagogische Hochschule Zürich, Schweiz

Ist die Forschung zu Bildungsmedien zu Recht ein Stiefkind der Medienpädagogik oder lassen sich wertvolle Erkenntnisse für das Handlungsfeld und den Forschungsbereich der Medienpädagogik ableiten?

Bildungsmedien in Form von Schulbüchern werden seit mehr als 500 Jahren als Medien im Unterricht verwendet (Fuchs, Niehaus, und Stoletzki 2014; Sammler 2018). Seit Ende des 20. Jahrhunderts erfährt das Schulbuch durch die technologische und digitale Innovation eine konstante Evolution und Transformation (Alz 2018), die auch in den nächsten Jahrzenten voranschreiten wird z.B. in Richtung digitales, intelligentes und adaptives Bildungsmedium (Hamisch und Kruschel 2022). In den letzten Jahren hat sich die Bildungsmedienforschung als Forschungsrichtung entwickelt (Balcke u. a. 2022). Bildungsmedien werden in diesem Kontext als Träger kulturell relevanter Informationen und als Mittel zur Steuerung von schulischen Bildungsprozessen untersucht. Auch werden die inhärenten pädagogisch-didaktischen Funktionen von Bildungsmedien in den Blick genommen und z.B. analysiert, wie und welches Wissen in Bildungsmedien repräsentiert und strukturiert wird (Ott 2022).

In der Medienpädagogik weist der schulische Medienbildungsdiskurs (Ostermann u. a. 2021; Herzig und Martin 2020) auf eine Reihe von Forderungen hin, die durchaus Überschneidungen mit Anliegen und Themen der Bildungsmedienforschung haben. So wird z.B. gefordert, die Nutzung und Rekonstruktion von medialen Handlungspraktiken zu erfassen (Schiefner-Rohs 2017), um zu validem Wissen über Medienhandeln in der Schule zu gelangen. Im Unterricht eingesetzte Bildungsmedien sind mit Handlungspraktiken verbunden und ihre Reflexion liefert wertvolle Erkenntnisse, die sich auch in der Medienpädagogik verorten lassen.

Zur Beantwortung der eingangs formulierten Frage werden bisherige Ergebnisse von Untersuchungen des Schweizer Französischlehrmittel zu Struktur und Nutzung, sozialer Praktiken und der Bedeutung von Bildungsmedien für Schulentwicklung aufbereitet, um daraus Erkenntnisse für schulische Medienbildung abzuleiten. Ziel ist es, zu zeigen, welchen Beitrag Forschung zu Bildungsmedien für die Medienpädagogik leisten kann und wie sich solche interdisziplinären Begegnungen in Zukunft gestalten lassen.