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Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 7
Zeit:
Freitag, 22.09.2023:
11:00 - 12:30

Chair der Sitzung: Kai Hugger
Ort: Geb. 2, 4+5


Medienpädagogische Entwürfe


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Präsentationen

Medienpädagogik und die Zukunft der (digitalen) Hochschullehre – Erkenntnisse und Denkanstöße aus der medienpädagogischen Evaluation zum Projekt „BiLinked“

Nele Sonnenschein, Vanessa Jaenke

Universität Bielefeld, Deutschland

Hochschullehre soll den veränderten Anforderungen in der digital geprägten Lebens- und Arbeitswelt Rechnung tragen, indem die Entwicklung von praxis- und berufsrelevanten Kompetenzen von Studierenden verstärkt gefördert wird (Budde 2021). Hierzu ist auch ein kritischer und sicherer (berufsbezogener) Umgang mit digitalen Medien und Technologien zu zählen. Um Studierenden den Erwerb entsprechender (Medien-)Kompetenzen zu ermöglichen, scheinen innovative Lehr-/Lernformate erforderlich, die über die reine Vermittlung von (Fach-)Wissen hinausgehen und auf ein aktives Lernen und Arbeiten mit digitalen Medien ausgerichtet sind (Ehlers 2020). Studien verweisen jedoch darauf, dass Potenziale in dieser Hinsicht bislang nur selten ausgeschöpft werden, da digitale Medien in der Hochschullehre vorwiegend in darbietender Form zum Einsatz kommen (z.B. Riedel 2020).

Vor diesem Hintergrund werden im Projekt „BiLinked“ (Bielefelder Lehrinnovationen für kollaborative Entwicklung digitaler Lehr-/Lernformate) fächerübergreifend innovative Lehr-/Lernformate, die digitale Medien auf vielfältige Weise für selbstgesteuertes, kollaboratives und projektorientiertes Lernen einbeziehen, in vier Communities of Practice entwickelt und erprobt. Das Projekt wird durch eine Evaluation begleitet, die sich mit der Frage, wie medienpädagogische Ansätze sinnvoll und systematisch Eingang in entsprechende Lehr-/Lernkonzepte finden können, befasst. Im Vortrag werden ausgewählte Zwischenergebnisse aus der medienpädagogischen Projektevaluation vorgestellt. In der Auswertung der durch unterschiedliche Evaluationsmaßnahmen (z.B. Fokusgruppeninterviews mit Lehrenden und Studierenden) gewonnenen Daten wurde deutlich, dass digitale Lehr-/Lernformate vorwiegend aus fachdidaktischer Perspektive entwickelt werden und medienpädagogische Ansätze nur bedingt berücksichtigen. Zudem sehen Lehrende u.a. große Herausforderungen hinsichtlich der Umsetzung innovativer, digitaler Lehr-/Lernformate innerhalb klassischer Hochschulstrukturen.

Anknüpfend an diese Ergebnisse möchte der Vortag die Reflexion darüber anregen, welchen Beitrag die Medienpädagogik auf verschiedenen Ebenen im Rahmen von Überlegungen zur Gestaltung der digitalen Hochschullehre leisten kann. Dementsprechend sollen Fragen zur zukünftigen Verortung der Medienpädagogik im Kontext der Digitalisierung der Hochschullehre und ihren Aufgaben sowie möglichen Funktionen als Querschnittsdisziplin diskutiert werden. In diesem Zusammenhang wird es auch darum gehen, wie Medienpädagogik an der Hochschule studienfachintegrativ gedacht werden kann.



(Re-)Konstruktion von Bildung unter Bedingungen translokal-digitaler Handlungsräume: qualitativ-empirische Perspektiven

Caroline Grabensteiner

Pädagogische Hochschule Wien, Österreich

Medienhandeln wird innerhalb der Medienpädagogik in Kontexten verortet (Aßmann, 2013; Meister et al., 2014; Pachler et al., 2011, S. 19; Seipold, 2017) und digitale Medien werden zu einem der Hauptgegenstände medienpädagogischer Forschung. Dieser Trend bildet gesellschaftlichen Medienwandel ab, welcher im Anschluss an kommunikationswissenschaftliche Heuristiken als tiefgreifende Mediatisierung (Friedrichs-Liesenkötter et al., 2020; Hepp, 2018) bezeichnet wird. Verknüpfungen von Handlungskontexten und digitalem Medienhandeln werden damit adressierbar. Für die Erforschung von Medienbildung hat dies Konsequenzen. Wird sie als Transformation eines medial konstituierten Selbst- und Weltverhältnisses verstanden (Bettinger, 2018; Dander et al., 2020; Marotzki & Jörissen, 2008; Meder, 2011; Sesink, 2007), ergibt sich durch Digitalisierung vor allem für die materiale Dimension dieses Relationengefüges ein Reformulierungsbedarf. Im Beitrag wird die These entwickelt, dass Medienhandeln und Medienbildung angesichts digitaler Durchdringungen nicht losgelöst von physischen Handlungsräumen untersucht werden können und dass diese neu zu denken und methodisch zu adressieren sind.

Digital erweiterte Handlungsumgebungen werden im Beitrag als Bildungsräume diskutiert und es wird gezeigt, wie sich digitale Kontexte bisher sowohl konzeptuell als auch methodisch medienpädagogischen Zugriffen entziehen (Verständig, 2020). Relationale Methoden (Borgatti et al., 2018; Emirbayer & Goodwin, 1994; Häußling, 2010) und sozialräumliche Karten (Clarke, 2003; Clarke & Keller, 2011; Löw & Marguin, 2022) werden als Möglichkeit zur empirischen Adressierung komplexer digital-medialer, translokaler (Hepp, 2011) Interaktionsordnungen vorgestellt.

Aus der Synthese zweier Projekte werden Lösungsvorschläge für die angesprochenen Problematiken diskutiert. Am Beispiel des „Bilder Zeigens“ aus einem Forschungsprojekt zu Instant-Messaging-Gruppen in Schulklassen (Grabensteiner, 2023) wird argumentiert, dass digitale Medien lokale Interaktion nicht nur vermitteln (Meder, 2014), sondern Handlungsformen konstituieren, die mit lokaler Interaktion zu Räumen verknüpft (Löw, 2001) werden. Zur Verdeutlichung werden als zweites Beispiel hybride Szenarien der Kombination digitaler und lokaler Präsenz in hochschulischen Lehr-/Lernformaten (Grabensteiner et al., 2021, 2023) als Extreme digital erweiterter Umgebungen beschrieben. Dort zeigt sich eine Art gekrümmter Raum (Karsch, 2022), welcher erst im Zuge der Analyse in einen medialen und einen materialen Anteil differenziert werden kann. Translokalität und Medialität treten hier besonders deutlich hervor, indem diskursiv Positionierungen hinsichtlich der Verortung von Teilnahme am Unterricht – als physische Anwesenheit – und mögliche Bildungsprozesse aus Sicht von Lehrenden und Lernenden konflikthaft verhandelt werden.

Als Zukunftsimpuls werden qualitativ-methodische Implikationen zur (Re-)Konstruktion von Medienbildung diskutiert und ihre Verknüpfung mit Medienhandeln als aktiver Prozess in Raum, Digitalität und Interaktion dargestellt.

Aßmann, S. (2013). Medienhandeln zwischen formalen und informellen Kontexten: Doing Connectivity. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01940-2_2
Bettinger, P. (2018). Praxeologische Medienbildung. Theoretische und empirische Perspektiven auf sozio-mediale Habitustransformationen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21849-2_1
Borgatti, S. P., Everett, M. G., & Johnson, J. C. (2018). Analyzing social networks (2nd edition). SAGE Publications Ltd.
Clarke, A. E. (2003). Situational Analyses: Grounded Theory Mapping After the Postmodern Turn. Symbolic Interaction - SYMB INTERACT, 26, 553–576. https://doi.org/10.1525/si.2003.26.4.553
Clarke, A. E., & Keller, R. (2011). „Für mich ist die Darstellung der Komplexität der entscheidende Punkt.“ Zur Begründung der Situationsanalyse. Adele E. Clarke im Gespräch mit Reiner Keller. In G. Mey & K. Mruck (Hrsg.), & R. Keller (Übers.), Grounded Theory Reader (S. 109–131). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93318-4_6
Dander, V., Bettinger, P., Ferraro, E., Leineweber, C., & Rummler, K. (Hrsg.). (2020). Digitalisierung - Subjekt - Bildung: Kritische Betrachtungen der digitalen Transformation. Barbara Budrich.
Emirbayer, M., & Goodwin, J. (1994). Network Analysis, Culture, and the Problem of Agency. American Journal of Sociology, 99(6), 1411–1454.
Friedrichs-Liesenkötter, H., Gerhardts, L., Kamin, A.-M., & Kröger, S. (2020). Heft 37: Medienpädagogik als Schlüsseldisziplin in einer mediatisierten Welt. Perspektiven aus Theorie, Empirie und Praxis. Festschrift für Dorothee Meister. MedienPädagogik Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 37. https://doi.org/10.21240/mpaed/37.X
Grabensteiner, C. (2023). Medienbildung im Medienhandeln. Rekonstruktion relationaler Bildungsprozesse am Beispiel von Instant Messaging in Schulklassen (Bd. 11). Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40699-8
Grabensteiner, C., Himpsl-Gutermann, K., & Schönbächler, E. (2023). Hybride Settings als Science-Fiction: Fragen zu Tendenzen der Amorphisierung von Unterricht durch digitale Erweiterungen des Lernraums. Medienimpulse, 61(1), Article 1. https://doi.org/10.21243/mi-01-23-13
Grabensteiner, C., Schönbächler, E., Stadler, D., & Himpsl-Gutermann, K. (2021). Ein hybrider Lernraum entsteht: Partizipative Raumgestaltung mit digitalen Medien. Medienimpulse, 59(4), Article 4. https://doi.org/10.21243/mi-04-21-07
Häußling, R. (2010). Relationale Soziologie. In C. Stegbauer & R. Häußling (Hrsg.), Handbuch Netzwerkforschung (S. 63–87). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92575-2_7
Hepp, A. (2011). Medienkultur: Die Kultur mediatisierter Welten (1. Auflage). VS Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94113-4
Hepp, A. (2018). Von der Mediatisierung zur tiefgreifenden Mediatisierung. In J. Reichertz & R. Bettmann (Hrsg.), Kommunikation – Medien – Konstruktion. Braucht die Mediatisierungsforschung den Kommunikativen Konstruktivismus? (S. 27–45). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21204-9_2
Karsch, P. (2022). Schule und digitale Kommunikationskultur: Antinomien des Lehrer*innenhandelns zwischen Privatheit und Professionalität: Bd. Vol. 49. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36865-4
Löw, M. (2001). Raumsoziologie (1. Aufl). Suhrkamp.
Löw, M., & Marguin, S. (2022). Eliciting space. Methodological considerations in analyzinz communicatively constructed spaces. In G. B. Christmann, H. Knoblauch, & M. Löw (Hrsg.), Communicative Constructions and the Refiguration of Spaces: Theoretical Approaches and Empirical Studies. Routledge. https://doi.org/10.4324/9780367817183
Marotzki, W., & Jörissen, B. (2008). Wissen, Artikulation und Biographie: Theoretische Aspekte einer Strukturalen Medienbildung. In J. Fromme & W. Sesink (Hrsg.), Pädagogische Medientheorie (S. 51–70). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90971-4_4
Meder, N. (2011). Von der Theorie der Medienpädagogik zu einer Theorie der Medienbildung. In J. Fromme, S. Iske, & W. Marotzki (Hrsg.), Medialität und Realität: Zur konstitutiven Kraft der Medien (S. 67–81). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92896-8_5
Meder, N. (2014). Das Medium als Faktizität der Wechselwirkung von Ich und Welt (Humboldt). In W. Marotzki & N. Meder (Hrsg.), Perspektiven der Medienbildung (S. 45–69). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03529-7_3
Meister, D. M., Hug, T., & Friesen, N. (Hrsg.). (2014). Heft 24: Educational Media Ecologies. MedienPädagogik Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 24. https://doi.org/10.21240/mpaed/24.X
Pachler, N., Bachmair, B., & Cook, J. (Hrsg.). (2011). Heft 19: Mobile Learning in Widening Contexts: Concepts and Cases. MedienPädagogik Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 19. https://doi.org/10.21240/mpaed/19.X
Seipold, J. (2017). Lernergenerierte Contexte. Räume für personalisiertes und selbstgesteuertes Lernen und Ideengeber für ein «Ökologiemodell von Aneignung». In K. Mayrberger, J. Fromme, P. Grell, & T. Hug (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik 13: Vernetzt und entgrenzt – Gestaltung von Lernumgebungen mit digitalen Medien (S. 29–43). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16432-4_3
Sesink, W. (2007). Medienpädagogik: Standortbestimmung einer erziehungswissenschaftlichen Disziplin. Jahrbuch Medienpädagogik, 6 (2007). https://doi.org/10.1007/978-3-531-90544-0
Verständig, D. (2020). Nothing to see? – How to address algorithms and their impact on the perception of the world. In D. Kergel, B. Heidkamp, R. C. Arnett, & S. Mancino (Hrsg.), Communication and learning in an age of digital transformation (S. 220–237). Routledge, Taylor & Taylor Group.