Transformation zur inklusiven Schule mit KI? Herausforderungen eines ethisch verantwortlichen KI-Einsatzes in kollaborativen Lernsettings
Anne Goldbach, Nico Leonhardt
Universität Leipzig, Deutschland
Der schulische Einsatz von KI scheint derzeit umfassende Transformationsprozesse zu evozieren. Zentrale Handlungsfelder scheinen dabei neben einer Technikkompetenz die Schaffung eines Bewusstseins für technologische Veränderungspotenziale, denkbare Auswirkungen auf (Bildungs-)Prozesse sowie notwendige Regulierungen und Wertesetzungen (vgl. Mühlhoff 2020). Gleichzeitig scheint sich eine „Automatisierung von Ungleichheiten“ (ebd., 869) durch machtvolle Selektionsprozesse einzustellen, zum Beispiel in einer Verstärkung des „Digital Divide“ (Tsatsou, P. 2021):. Insbesondere marginalisierte Gruppen werden in der aktuellen Diskussion um den Einsatz von KI in der Bildung weitgehend vernachlässigt, wenngleich ein ethisch-verantwortlicher Transformationsprozess insbesondere die „beteiligten und betroffenen Subjekte“ als „ethische Agenten aktivieren und in die Pflicht nehmen“ sollte (Müllhoff 2020, 870).
Die bisherige Konzentration in Schule auf die Steigerung der Individualisierung des Lernens (z.B. intelligente tutorielle Systeme) und weniger auf Potenziale für kollaboratives Arbeiten (vgl. Kruschel & Hamisch 2022), scheint dabei eher Objektivierungstendenzen zu befördern.
Der geplante Beitrag konzentriert sich auf eben diese Interaktionsebene und bezieht sich dabei auf das Forschungs- und Transferprojekt „KI-Kids“, in welchen subjektorientiert untersucht wurde, wie inklusive Bildungsprozesse unter Nutzung von KI funktionieren können und herausgefordert werden. Dabei wurde ein „inklusiver“ Hackathon mit 40–50 Schüler:innen im Alter von 13 bis 15 Jahren aus unterschiedlichen Schulformen (inklusive Oberschule, Schule für den Schwerpunkt geistige Entwicklung und Gymnasium) durchgeführt, bei dem die Teilnehmer:innen in Kleingruppen KI-gestützte Aufgaben lösen mussten.
Im Fokus der Untersuchung standen unter anderem folgende Fragestellungen: 1) Inwiefern beeinflusst der Einsatz von KI den kollaborativen Arbeitsprozess und die Dynamik innerhalb der Gruppe? 2) Welche Situationen führen zu Ausschluss oder Rückzug, und welche Fähigkeiten sind dabei relevant?
Diesen Fragen wurden mittels teilnehmender Beobachtung sowie Gruppendiskussionen während des Hackathons nachgegangen. Die erhobenen Daten werden derzeit ausgewertet.
Im Vortrag selbst werden Ergebnisse aus dem Projekt vorgestellt und unter anderem vor dem Hintergrund einer zukünftigen Gestaltung und Implementierung von KI-Technologien in inklusiven schulischen Bildungsprozessen aus Subjektperspektive (von Schüler*innen) diskutiert.
Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in sonderpädagogischen Kontexten
Jakob Sponholz, Kathrin Wolf
Universität zu Köln, Deutschland
Dieser Beitrag beleuchtet die Chancen und Grenzen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in sonderpädagogischen Kontexten. Dabei werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz und die schulischen Implikationen auf der Ebene des Schulsystems, der Lehrkräfte und der Schüler:innen diskutiert (Sponholz & Wolf, i.R.). Ein besonderer Fokus liegt auf den Einsatzmöglichkeiten von Large Language Models und deren Chancen zur Unterstützung von Bildungsprozessen in inklusiven Settings.
Zunächst werden die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von KI im Bildungsbereich aufgezeigt und kritisch beleuchtet. Anschließend werden anhand von konkreten Beispielen die Chancen und Herausforderungen des KI-Einsatzes im Bildungsbereich dargestellt und analysiert. Vor diesem Hintergrund werden konkrete Implikationen für die verantwortungsvolle Implementierung in sonderpädagogischen Kontexten in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft abgeleitet (Bosse, Schluchter & Sponholz, i.E.). Im Ausblick des Beitrags werden mögliche pädagogische und wissenschaftliche Perspektiven auf zukünftige Entwicklungen aus sonder- und medienpädagogischer Sicht mit Blick auf die digitale Teilhabe formuliert (Bosse & Sponholz, 2023).
Perspektiven teilen – Transformation gestalten: Externalisierung des Inklusionsverständnisses mit Lego® Serious Play®
Florian List, Hariet Schellig, Elisabeth Hofer, Simone Abels
Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland
Studien zeigen, dass Inklusion in der unterrichtlichen Praxis von Binnendifferenzierung und der Gestaltung von Unterrichtsmaterialien auf verschiedenen Niveaustufen geprägt ist. Das stellt Lehrkräfte nicht nur vor zunehmende Herausforderungen was die Materialvorbereitung betrifft, sondern geht auch mit Zuschreibungen von Kategorien und einer Fokussierung auf die Defizite und besonderen Bedarfe einzelner Schüler*innen einher. Eine Transformation, weg von einer solchen defizitorientierten Betrachtung, hin zu einer potenzialorientierten und dekategorisierenden unterrichtlichen Praxis, könnte dazu beitragen, Vielfalt stärker wertzuschätzen und gleichzeitig den Aufwand der Materialvorbereitung und in weiterer Folge die Belastung der Lehrkräfte zu reduzieren. Um einen solchen Perspektivwechsel zu unterstützen, gibt es erste theoretische Überlegungen, Barrieren vor allem sachbezogen im Lerngegenstand bzw. der Lernumgebung, statt personenbezogen (d.h. den Schüler*innen innewohnend) zu verorten. Gleichzeitig ist bekannt, dass das Handeln von Lehrkräften in schulischen Entwicklungsprozessen u.a. maßgeblich von ihren Werten und Orientierungen geleitet wird. Entsprechend ist zunächst von Bedeutung, zu verstehen, welches Verständnis Lehrkräfte von Inklusion haben und welche impliziten Annahmen diesem zugrunde liegen. Es ergibt sich folgende Fragestellung: Welches Inklusionsverständnis liegt der unterrichtlichen Praxis von Lehrkräften zugrunde und an welcher Stelle im skizzierten Transformationsprozess lässt sich dieses Verständnis verorten?
Um das Inklusionsverständnis von Lehrkräften zu rekonstruieren ist eine tiefgehende Untersuchung unter Einbeziehung verschiedener Datenquellen notwendig. Zur Ergründung impliziter Wissensbestände hat sich die Externalisierung mentaler Modelle mit Lego® Serious Play® (LSP) als potenziell gewinnbringende Methode erwiesen. Dazu erhalten die Befragten die Möglichkeit, ihre eigenen Gedanken und Gefühle in Bezug auf Inklusion symbolisch in ein Modell zu projizieren und damit zugänglich zu machen. In einem zweiten Schritt wird die Modellerstellung mit vertiefenden Interviews zum Bauprozess und den im Modell enthaltenen Symbolen ergänzt, bevor die Interviews anschließend metaphernanalytisch ausgewertet werden.
Im Vortrag erläutern wir die methodologisch-methodische Vorgehensweise der Studie und geben einen Einblick in das mittels LSP zugänglich gemachte und durch Metaphernanalyse rekonstruierte Inklusionsverständnis von Lehramtsstudierenden, Lehrkräften und Forschenden.
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