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Sitzungsübersicht
Sitzung
Diskussion 4b
Zeit:
Dienstag, 18.02.2025:
14:00 - 15:30

Ort: 906 Seminarraum S181

906/01/1.18 50 Sitze

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Präsentationen

wissen*missen*müssen – Wissensformen in Studiengängen mit inklusionspädagogischem Bezug

Klöpfer Lea, Sturm Andreas, Geldner-Belli Jens, Gertraud Kremsner

Universität Koblenz, Deutschland

Debatten um die Transformation von Studiengängen und Curricula hin zu inklusionsorientierten Angeboten haben in den letzten Jahren einen dominanten Platz im Diskurs um Inklusion(sforschung) eingenommen. Je nach (z.B. fachwissenschaftlichem, fachdidaktischem oder disziplinärem) Schwerpunkt des Diskussionszusammenhangs und in Abhängigkeit von beteiligten Akteur*innen (Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen, Studierenden, Selbstvertreter*innen, etc.) finden sich unterschiedliche Forderungen danach, wie dem Inklusionsanspruch angemessen zu begegnen sei. Dabei steht auch die Frage im Zentrum, welches Wissen auf welche Weise zu vermitteln und wie Wissensbestände zu transformieren seien.

Dass auch die Frage nach angemessenen Wissensformen bedeutsam scheint, zeigt der Stellenwert von Begriffen wie ‚Alltagswissen‘, ‚Erfahrungswissen‘, ‚Handlungswissen‘, ‚reflexives Wissen‘, ‚wissenschaftlicher Habitus‘, ‚Selbstbetroffenheit‘ oder ‚Praxisrelevanz‘. Diese Schlagworte sind keineswegs sozial unschuldig, sondern werden als divergierende Wissensformen hierarchisch zueinander in Beziehung gesetzt und mit unterschiedlicher Glaubwürdigkeit versehen (vgl. Fricker 2023). Zudem ist (bzw. sind) Wissen(sformen) aufgrund ihrer Milieuspezifität bedeutsam für die Regulierung des Zugangs zu unterschiedlichen sozialen Feldern (vgl. Sturm 2016, 26ff.). Je nach Kontext können spezifische Wissensformen also Vorrang vor anderen haben, überhaupt bzw. ausschließlich bedeutsam sein oder eben nicht – und so auch zu einer Ursache von Inklusion und Exklusion werden (vgl. Hauser & Leonhardt 2024).

Wissensformen werden zudem eng gekoppelt an Wissende thematisiert – also an Akteur*innen, die mit Wissen ausgestattet sind, dieses nutzen oder erst aneignen und/oder sich als Wissende etablieren müssen. Diese Zusammenhänge gelten insbesondere für akademische Kontexte: sowohl Wissen als auch Wissende müssen höchst formalisierte Voraussetzungen erfüllen, um in der Akademie anerkannt zu werden. Obschon dieser Anspruch in vielerlei Hinsicht sinnvoll ist, birgt er zugleich Facetten, die grundständig reflektiert werden müssen (für den Kontext von Behinderung siehe Dolmage 2017): a) die Infragestellung eines universellen Standpunktes von Wissenden (Stichwort: Situiertes Wissen) sowie b) die Notwendigkeit des Verlernens (Castro Varela 2017). ‚Inklusive‘ bzw. ‚partizipative Hochschullehre‘ (z.B. Goldbach & Leonhardt 2023) bildet einen Versuch, mit dieser Gemengelage einen produktiven Umgang zu finden, indem traditionelle hegemoniale Wissensformen ebenso wie die Rollen ihrer Träger*innen in akademischen Kontexten in Frage gestellt, herausgefordert und/oder umgedeutet werden.

Ausgehend von diesen Debatten möchte das Diskussionsforum der Frage nachgehen, welche Wissensformen im Kontext (der Transformation) von inklusionsorientierten Studienangeboten geltend gemacht werden (können) und durch wen diese wann anerkannt und/oder bevorzugt werden.

Dabei ergeben sich mindestens folgende, gemeinsam zu ergänzende Fragen:

– Wer sind im Kontext inklusionsorientierter Studienangebote (die) Wissende(n)? Mit welchen Wissensformen sind sie assoziiert?

– Welche auf den Stellenwert unterschiedlicher Wissensformen beziehbare, bislang nicht im öffentlichen bzw. wissenschaftlichen Diskurs abgebildeten Ausschlüsse lassen sich hieran anknüpfend identifizieren, die einer möglichen Ausgestaltung bzw. Umsetzung inklusionsorientierter Studienangebote hinderlich sind?

– Welche Rolle spielen unterschiedliche Wissensformen für die Gestaltung inklusionsorientierter Studienangebote?

– Inwiefern ist der Wunsch der Studierenden nach Praxisrelevanz bzw. Praxiswissen auch Ausdruck habituell geprägter Vorstellungen von Vor- bzw. Nachrangigkeit bestimmter Wissensformen? Wie lässt sich potenziell nicht übereinstimmenden Bedürfnissen im Rahmen von Lehramtsstudien begegnen?

– Wann und unter welchen Bedingungen sind Gewichtungen bzw. Hierarchisierungen von Wissen(sformen) begründbar oder entsprechend abzulehnen?

Literatur

Castro Varela, M. (2017): (Un-)Wissen. Verlernen als komplexer Lernprozess, in: migrazine, Heft 1, online unter: http://www.migrazine.at/artikel/un-wissen-verlernen-als-komplexer-lernprozess

Hauser, M. & Leonhardt, N. (2024): Hochschule als Lernwelt zwischen inklusionsorientierten Entwicklungen und exklusiven Traditionen. In: Schreiber-Barsch; Curdt, W. & Stang, R. (Hrsg.): Inklusive Lernwelten. Berlin: De Gruyter, Saur (in Druck).

Dolmage, Jay Timothy (2017): Academic Ableism. Disability and Higher Education. Ann Arbor: University of Michigan Press.

Fricker, Miranda (2023): Epistemische Ungerechtigkeit. Macht und die Ehtik des Wissens. 2. Aufl. München: Beck.

Goldbach, A. & Leonhardt, N. (2023): Kritische Auseinandersetzung mit partizipativer Hochschullehre. Teilhabe 4/2023, Jg. 62, S. 142-147

Knoblauch, H. (2008). Wissen. In: Baur, N., Korte, H., Löw, M., Schroer, M. (Hrsg.). Handbuch Soziologie.Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 465-482.

Sturm, Tanja (2016): Lehrbuch Heterogenität in der Schule. München/Basel: Ernst Reinhardt.