Inklusive Schulkulturen: Erste Ergebnisse einer Studie zu Schulentwicklungsprozessen in einem inklusiven Bildungssystem
Simone Seitz, Giulia Consalvo, Petra Auer, Francesca Berti, Sara Baroni
Freie Universität Bozen, Italien
Die Frage nach Transformationsprozessen der Schule rückt auf Ebene der Einzelschule die Regeln und Normen schulischen Handelns zwischen Legitimisierung und Institutionalisierung in den Fokus (Hinrichsen & Hummrich, 2021). Dies impliziert eine spezifische Relevanz von Schulkulturen (Helsper, 2008), verstanden als symbolische Ordnungen, denn hierüber lässt sich genauer untersuchen, wie innerhalb von Schulentwicklungsprozessen Widersprüche zwischen Imaginärem und sozialen Praktiken bearbeitet werden und in welcher Relation hierzu Professionalisierungsprozesse von Lehrpersonen stehen (Berkemeyer & Manitius, 2016).
Diese Annahmen sind leitend für die methodische Konzeption des Forschungsprojekts GOOdWiLL (2023-2025), in dessen Rahmen inklusionsbezogene Qualitätsentwicklungsprozesse (Ainscow, Booth & Dyson, 2006) an 23 Schulen der Provinz Bozen/Südtirol (Italien) in den Blick genommen werden. Alle Schulen nehmen an einer von der Schulverwaltung verantworteten inklusionsbezogenen Qualitätsinitiative teil, die Prozessbegleitung, schulinterne Fortbildung und Netzwerkbildung zusammenführt. Die hierauf bezogene wissenschaftliche Studie im Zuschnitt von Mixed Methods (Kolleck, 2017) zielt auf ein genaueres Verständnis der hiermit verbundenen schulkulturellen Dynamiken.
Im Mittelpunkt des geplanten Vortrags stehen, ausgehend von orientierenden Einblicken in Befunde der schriftlichen Befragung (n=230) von Lehrpersonen (Schmitz et al., 2021), Unterrichtsbeobachtungen im Stil fokussierter Ethnographie (Knoblauch & Vollmer, 2022) an fünf Schulen unterschiedlicher Schulstufen. Hierbei folgen wir einem Verständnis der praktischen Produktion des Sozialen (Reckwitz, 2003) und nehmen an, dass soziale Praktiken im inklusiven Unterricht auf Wissen rekurrieren, das in den handelnden Subjekten inkorporiert ist und in Beziehungen zwischen Subjekten und zwischen Subjekt und Materialität mobilisiert wird. Auf der Basis ausgewählter Beobachtungssequenzen, bei deren Auswertung wir uns an die Grounded Theory anlehnen (Charmaz, 2006), wollen wir im Vortrag die sozialen Praktiken der Lernenden und Lehrenden in Bezug auf Dynamiken um Performativität (Proske & Nießen, 2017) und Differenz (Machold & Wienand, 2021) in Schulen innerhalb eines inklusiven Bildungssystems reflektieren. Hiervon ausgehend sollen gedankliche Rückführungen auf die angestellten schulkulturellen Überlegungen und zur Rolle der Lehrpersonen zur Diskussion gestellt werden.
Empirische Erkenntnisse zum Index für Inklusion in Transformationsprozessen – ein Review
Marcel Veber1, Anna Schwermann2, Christian Reintjes2
1Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau, Deutschland; 2Universität Osnabrück, Deutschland
Problemstellung
Heinrich stellte Inklusion als Provokation dar (2015). Diese begründet sich im systemverändernden Anspruch (Hinz & Boban 2022) auf Partizipation (Simon 2023) im neoliberalen Bildungssystem (Dammer 2015). Angesichts dieser Komplexität mit divergierenden Reformbewegungen (Winkler 2022) zwischen segregierender Optimierung und Anerkennung menschlicher Diversität (Gerspach 2024) wird deutlich, dass inklusive Transformationsprozesse (Koenig 2022) einer differenzierten Betrachtung bedürfen.
Der Index für Inklusion (Booth & Ainscow 2017) ist ein etabliertes Schulentwicklungsmanual zur Begegnung der Komplexität inklusionsorientierter Transformationsprozesse (auch international: u.a. Echeita et al. 2023). Trotz zahlreicher Berichte u.a. als Evaluationsinstrument (Schwager & Pilger 2016), beim Forschenden Lernen (Veber et al. 2016) oder in Fachdidaktiken (Tiemann 2021), fehlt eine systematisierte Übersicht zum Einsatz des Index für Inklusion.
Daher wird im vorliegenden Review gefragt, welche Erkenntnisse zum Einsatz des Index für Inklusion in inklusionsorientierten Transformationsprozessen vorliegen.
Design
Mittels eines conceptual systematic reviews (Schreiber & Cramer 2022) wurden deutsch- und englischsprachige Forschungsarbeiten ab 2003 (Jahr deutschen Veröffentlichung) Monografien Sammelwerksbeiträge und Artikel aus Fachzeitschriften (mit Peer-Review) in Datenbanken gesucht und 50 Texte (25 deutsch; 25 englisch) mit in die Analyse aufgenommen.
Ergebnisse
Die Ergebnisse – im Vergleich der deutsch- und englischsprachigen Diskurse – weisen Differenzen auf. Während in deutschsprachigen Publikationen primär aus inklusionspädagogischer Warte oftmals einzelne Aspekte (u.a. Ganztagsentwicklung) mit einem pädagogischen Fokus beleuchtet werden, finden sich im englischsprachigen Diskurs auch international-vergleichende Studien sowie pädagogisch-psychologische Studien mit einer Psychometrielogik. Im englischsprachigen Arbeiten fällt – im Vergleich zu deutschsprachigen Beiträgen mit zahlreichen Einzelfalldarstellungen und indexbeschreibenden Arbeiten – auf, dass häufiger auch globale Fragen wie die Diskussion um Kulturimperialismus mit dem Index reflektiert werden.
Ausblick
Die Erkenntnisse zum Einsatz des Index für Inklusion werden auf zwei Ebene diskutiert. Unter Berücksichtigung der Logik der Pädagogik (Hechler 2016) wird eine Einordnung zur Diskussion gestellt, welche Einsatzformen sich für inklusionspädagogische Transformationsprozesse anbieten. Des Weiteren werden Einsatzmöglichkeiten in Design-Based-Research-Prozessen (Schroeder & Reh 2023) von inklusiven Transformationen diskutiert.
|