Transformation durch Inklusions- und Bildungsforschung? Beispiel eines forschungsmethodischen Zugangs zum Thema Nachhaltigkeit aus der Perspektive von Grundschulkindern
Petra Auer, Stephanie Mian, Elisabeth Gsottbauer
Freie Universität Bozen, Italien
Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich das Konzept der nachhaltigen Entwicklung international zu einem maßgeblichen Paradigma entwickelt (Europäische Kommission, 1997; Hauenschild, 2023). Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit im Bildungskontext wie etwa durch die UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) 2005–2014, das UNESCO-Weltaktionsprogramm BNE (WAP BNE 2015–2019) und BNE 2030 als globale Rahmenprogramme (UNESCO, 2019) scheinen allerdings nicht zum gewünschten Erfolg zu führen (Ordonez Ponce, 2023). Der geplante Beitrag stellt ein Forschungsprojekt vor, welches sich zum Ziel gesetzt hat, das Konzept aus der Perspektive und Lebenswelt von Grundschulkindern zu erforschen, um so – ausgehend von ihren Wahrnehmungen, Erfahrungen und Werten – den Weg zu Zukunftsvisionen ihrer Schule im Sinne von Nachhaltigkeit zu ebnen. Auf diese Weise soll versucht werden die Lücke zwischen Einstellungen und Handeln zu überwinden, die sich ergibt, wenn Bezugspunkte zur realen Lebenswelt fehlen (El Mafalaani, 2021), was darin resultiert, dass man Nachhaltigkeitszielen zwar zustimmt, diese aber nicht in Verhaltensänderungen umzusetzen vermag (Ajzen, 1991; Stern, 2000). Im geplanten Vortrag soll vor allem der forschungsmethodische Zugang zur Diskussion gestellt werden: Ausgehend von einer Verknüpfung der Childhood Studies mit einer leib-phänomenologischen Perspektive (Merleau-Ponty, 1945/2005) versucht das Forschungsprojekt über einen Mixed-Methods-Ansatz (quan + QUAL; Creswell & Plano Clark, 2018), das Thema der Nachhaltigkeit zu erforschen. Um die Partizipation aller Schüler:innen zu ermöglichen, orientiert sich der qualitative Forschungsteil am Mosaik-Approach (Clark & Moss, 2001; 2005), welcher den Anspruch erhebt, Sichtweisen von Kindern multimethodisch zu erfassen (Schütz & Böhm, 2021), reflektiert, partizipativ und anpassungsfähig und auf die Erfahrungen und Bedürfnisse aller Kinder ausgerichtet sein (Clark & Moss, 2001, S. 5). Auf diese Weise versucht das Forschungsprojekt institutionelle Bildungsprozesse zum Thema der Nachhaltigkeit zu transformieren, und zwar ausgehend von den Perspektiven und der Lebenswelt der Kinder.
Der FREI DAY als Beitrag für eine Transformation zu einer inklusiven und nachhaltigen Schule
Katja Scheidt
Universität Bremen, Deutschland
Die gesamtgesellschaftliche Verpflichtung zur Entwicklung in Richtung Inklusion und Nachhaltigkeit sind unbestritten, ebenso wie die besondere Rolle des Bildungssystems für diese Aufgabe (UN 2006, BMBF 2017). Auf die inhaltliche Verwobenheit beider Diskurse wurde bereits hingewiesen (Vierbuchen/ Rieckmann 2020), an empirischen Studien zur Umsetzung mangelt es hingegen.
Bremer Schulen entwickeln sich seit 2009 in Richtung Inklusion, einige dieser Schulen haben seit 2020 den FREI DAY implementiert. Der FREI DAY ist ein fest im Stundenplan verankertes, projektartiges Unterrichtsformat entlang der Zukunftsfragen der Lernenden und stellt eine Möglichkeit dar, BNE in Schule umzusetzen (Rasfeld 2022). In der Konzeption des FREI DAY vereinigen sich viele Grundsätze, die auch aus dem Diskurs um Inklusiven Unterricht bekannt sind, so etwa Öffnung des Unterrichts, Partizipation und Komplexität (Scheidt 2024).
An dieser Stelle setzt die Pilot-Studie „BNE inklusiv am Beispiel des FREI DAY“ an. Im Zentrum steht die Frage, wie der FREI DAY im Kontext Inklusion umgesetzt wird, welche Möglichkeiten sich durch dieses Lernformat für inklusiven Unterricht ergeben, aber auch welche Schwierigkeiten ggf. im inklusiven Setting zu finden sind.
Hierzu wurde qualitativ über teilnehmende Beobachtung und leitfadengestützte Interviews mit Lehrpersonen und Schüler*innen an Bremer Sekundarschulen geforscht. Die Auswertung erfolgte mittels der Grounded Theory.
Aus den Auswertungen, die in dem Beitrag vorgestellt werden sollen, ergeben sich insbes. Erkenntnisse zu echter Schüler*innen-Partizipation bei gelungener Sozialraumorientierung sowie zur veränderten Lehrer*innen-Rolle und der Relevanz von Strukturierung und expliziter und impliziter Differenzierung im Offenen Unterricht als Beitrag zu mehr Teilhabe. Weiterhin konnten Einblicke in die Bedeutung interessengeleiteter Zukunftsfragen der Kinder und kooperativ erarbeiteter Lösungsansätze zur Entwicklung von Selbstwirksamkeit gewonnen werden.
Abgeleitet aus den Forschungsergebnissen werden Implikationen für die Weiterentwicklung einer inklusiven und nachhaltigen Schule formuliert. Damit soll ein Beitrag zur notwendigen Transformation des Bildungssystems geleistet werden.
Nachhaltigkeit und Inklusion? Überlegungen zu einem Spannungsfeld
Yvonne Wechuli
Universität Kassel, Deutschland
Der vorgeschlagene Beitrag analysiert ein Spannungsfeld sozial-ökologischer Transformation zu einer nachhaltigeren Lebensweise (Klepp & Hein 2024) näher, und zwar Widerstände gegenüber einer barrierefreien Umweltgestaltung. Barrierefreiheit lässt sich schließlich nicht nur als Teilhabe-, sondern auch als Nachhaltigkeitsthema rahmen (Imrie 2021). Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen fordern u.a. ein, „Verstädterung inklusiver und nachhaltiger [zu] gestalten und partizipatorische, integrierte und nachhaltige Siedlungsplanung“ (SDG 11.3) zu betreiben. Vor dem Hintergrund eines demographischen Wandels ist eine inklusive Siedlungsplanung zugleich als nachhaltig zu verstehen, da Umwelten für diverse Leiblichkeiten ausgestaltet werden. Die Disability Studies haben hier den Begriff des (bloß) temporären Nicht-Behindertseins geprägt.
Stattdessen lässt sich beobachten, dass notwendige ökologische Transformationen neue Exklusionsrisiken mit sich bringen, wenn diese nicht für alle sondern orientiert an nichtbehinderten Menschen konzipiert werden (Hamraie 2017) oder behinderte Menschen gar zu Sündenböcken für eine ausbleibende ökologische Transformation gemacht werden. Ersteres lässt sich mit einer transfomation by design und letzteres mit einer transformation by disaster (Klepp & Hein 2024) in Zusammenhang bringen.
Dem Beitrag zu Grunde liegt ein geplantes Post-Doc-Projekt – eingebunden in das Kolleg Just and sustainable transformation (JUST). Gerechte und nachhaltige Transformation an der Universität Kassel. Widerstände gegenüber einer inklusiven Ausgestaltung von sozial-ökologischer Transformation sollen im Rückgriff auf die Disability Studies als ein Forschungsprogramm, dass von einem subalternen Standpunkt aus argumentierend alternatives Wissen über Behinderung generiert, sichtbar und somit bearbeitbar gemacht werden. Konkret sollen Widerstände gegen eine barrierefreie Gestaltung von Freiräumen rekonstruiert werden, denen eine große Bedeutung in der Ermöglichung ökologisch wie sozial nachhaltigerer Lebensweisen zukommt.
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