Symposium
Schulleitung in Zeiten der Krise: Heraus- oder doch Überforderung?
Chair(s): Jana Groß Ophoff (Pädagogische Hochschule Vorarlberg, Austria)
Discussant(s): Barbara Herzog-Punzenberger (Pädagogische Hochschule Wien)
Im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus besteht ein anhaltender Mangel an Schulleitungen, die jedoch als wichtige „top-down“ Akteure in schulischen Entwicklungsprozessen angesehen werden (Brown et al., 2021). Dies steht vermutlich auch in Verbindung damit, dass die Entscheidung für ein Schulleitungsamt durch ein Streben nach mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Verantwortung geprägt ist (Cramer et al., 2021). Angesichts der kontinuierlichen Erweiterung der Anforderungen und Erwartung an Schulleitungen (Cramer & Rothland, 2021; Evans, 1995; Leithwood, 2012) und wiederkehrender Phasen hoher Arbeitsbelastung (Pont et al., 2020) verdeutlichen u.a. Pietsch et al. (2020) die Relevanz, eine Balance zwischen einem Verwalten der Schule mit vorhandenen Mitteln und radikaler Innovation zu finden, um langfristig Überforderung und chronischen Stress zu vermeiden. Die ohnehin angespannte schulische Situation wurde in den letzten drei Jahren durch die Pandemie weiter verschärft, wenn etwa trotz Schulschließungen der Schulbetrieb aufrecht erhalten werden musste. Schulleitungen waren noch mehr als ohnehin als Krisenmanager:innen gefordert (Ansell et al., 2021; Harris & Jones, 2020; Weiner et al., 2021).
Im Symposium werden vier Beiträge mit unterschiedlichem Schwerpunkt auf die Frage eingehen, was Schulleitungshandeln in Krisenzeiten herausfordernd, aber vielleicht auch überfordernd „macht“ – und zwar auf Basis von umfangreichen Schulleitungsbefragungen im deutschsprachigen Raum. Im Mittelpunkt des ersten Beitrags steht das professionelle Selbstverständnis von deutschen Schulleitungen als „Change Agents“, der anhand vertiefter Einblicke den Mehrgewinn durch einen Mixed-Methods-Zugang (Interviews und Surveys) in der empirischen Schulleitungsforschung aufzeigt. Auch der zweite Beitrag fußt auf einem solchen methodischen Vorgehen (Einzel-/Gruppeninterviews und Surveys). Im Vordergrund stehen hier ausgewählte Befunde zur kulturellen Responsitivität von Schulleitungen in Österreich, wonach angesichts zunehmender kultureller Vielfalt wichtig erscheint, in der Schulleitung mit Fragen von Inklusion und Chancengleichheit kritisch-reflexiv umgehen zu können. Der dritte Beitrag vergleicht auf Basis von umfangreichen Surveystudien, die in den Jahren 2021 und 2022 durchgeführt wurden, österreichische, schweizerische und deutsche Schulleiter:innen. Erste Ergebnisse für das schweizerische Survey demonstrieren die in der Literatur vielfach als Belastung diskutierte Ambivalenz zwischen sinnstiftenden Tätigkeiten auf der einen Seite und großem Zeitdruck sowie einer als mangelnd erlebten Unterstützung auf der anderen Seite. Auch der vierte Beitrag nimmt eine ländervergleichende Perspektive ein, hier aber weiterführend auf das arbeitsbezogene Bewältigungsverhalten sowie Stress und psychische Gesundheit deutscher und schweizerischer Schulleiter:innen.
Die Beiträge werden kritisch vor dem Hintergrund diskutiert, dass es sich bei Schulleitungen um eine für das Bildungssystem wichtige Akteur:innengruppe handelt, die insgesamt noch zu wenig Aufmerksamkeit von bildungspolitischen Entscheidungstragenden zu erhalten scheint, weshalb Eingangsvoraussetzungen, Arbeitsbedingungen, aber auch Unterstützungsmöglichkeiten von Schulleitungen weiter zu erforschen sind.
Presentations of the Symposium
Die Cornelsen Schulleitungsstudie Die Bedeutung von Mixed-Methods-Ansätzen für eine teilnehmer:innenorientierte Forschung
Martin Bittner1, Sarah Fichtner1, Matthias Sandau2
1FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie, 2m.sandau@fibs.eu
Theoretischer Hintergrund
Obwohl Schulleitungshandeln als eine der zentralen Stellschrauben für ein zukunftsfähiges Bildungssystem zu begreifen ist (Pietsch et al. 2016; Heffernan 2019; Tulowitzki und Pietsch 2020), spielen Schulleitungen eine marginalisierte Rolle in Deutschland, wenn es um die Einbeziehung ihrer Perspektiven in die Analyse und die darauf aufbauenden Impulse für die Entwicklung des Bildungssystems geht. Dies zeigt sich u.a. in einer lediglich angestoßenen Professionalisierungsdebatte (Brändle et al. 2022). Schulleitungen werden hier vor allem in ihrer Wirksamkeit als Führungspersonen hinterfragt (Brauckmann et al. 2020), die weitere gesellschaftliche und politische Anerkennung steht noch aus. Auf institutioneller Ebene entscheiden Schulträger und Schulverwaltung formell über die Ausstattung und Ausrichtung der Schule. Die gelebte Haltung, Praxis und Vision steht und fällt allerdings mit der Schulleitung, die weit mehr ist – und sein muss – als eine mit administrativen Befugnissen ausgestattete Lehrkraft. Aktuelle Befragungen von Schulleitungen zeigen zudem, wie sehr ihr Handeln an einer pädagogischen Zielsetzung der Institution Schule ausgerichtet ist (Fichtner et al. 2022), die sich nicht auf eine fachliche Outputorientierung reduzieren lässt, sondern die Lebenskompetenzen und die Persönlichkeitsentwicklung von Schüler:innen in den Blick nimmt.
Fragestellung
Wie können die Perspektiven von Schulleitungen als Zukunftsgestalter:innen sicht- und hörbar gemacht werden? Wie können wir adäquat transportieren, wie Schulleitungen sich selbst, ihre Aufgaben, ihre Rollen, Führungspraktiken, Bedarfslagen und aktuellen Herausforderungen in Deutschland wahrnehmen? Wie ihre Impulse als Innovator:innen für die Gestaltung der Schule als pädagogische Institution von morgen kommunizieren?
Methode
Die Cornelsen Schulleitungsstudie bringt in einer jährlichen, repräsentativen Umfrage der Schulleitungen allgemeinbildender Schulen in Deutschland die zentralen und brennendsten Bildungsthemen und Entwicklungen auf das Tableau. Dafür befragt sie mittels eines Mixed-Methods- Ansatzes Schulleitungen zu dem, was sie in ihrem Schulleitungsalltag beschäftigt, zu ihrem Führungshandeln, ihren Bewertungen der Kontextbedingungen ihrer Praxis, den von ihnen wahrgenommenen Herausforderungen und Lösungsansätzen, ihren Perspektiven auf Schule, sowie ihren Wünschen und Visionen.
Dies erfolgt in einem ersten Schritt durch ausführliche, leitfadengestützte Interviews. Aus der qualitativ-inhaltlichen Analyse dieser 50 (2021) bzw. 20 (2022) codierten Interviewtranskripte - angereichert durch relevante Literatur - werden Skalen operationalisiert und in einen standardisierten Fragebogen überführt. Im zweiten Schritt wird durch eine repräsentative Erhebung die Verteilung der Merkmale überprüft, anhand deskriptiver Analysen dargestellt und für einzelne Schwerpunktthemen durch repräsentative Gruppenunterschiede und multivariate Analysen
tiefergehend betrachtet. Die Ergebnisse liefern neben einem repräsentativen Abbild der Stimmen und Stimmungen von Schulleiter:innen einen Ausgangspunkt für künftige Erklärungen von Schulleitungshandeln und durch zukünftige Trendanalysen den Rückschluss auf kontextbedingte Veränderungen des Handelns und der Visionen von Schulleitungen.
Ergebnisse und ihre Bedeutung
Schulleitungen zeichnen sich zumeist als visionäre Gestalter:innen des Bildungssystems aus. Sie erarbeiten und entwickeln eine Schule – präferiert als Team, in Zusammenarbeit mit einem multiprofessionell aufgestellten Kollegium und in Vernetzung mit anderen Schulleitungen –, die sich den aktuellen Bildungsdiskursen zuwendet. Mit verzahnten, individualisierten und kooperativen Lernformaten, im projektorientierten Lernen, mit Kooperationspartnern im Sozialraum, in der Ganztagsschule, mittels sinnvoll eingesetzter, digitaler Tools, sehen Schulleitungen vielfältige Möglichkeiten, die Lernbiografien ihrer Schüler:innen positiv zu beeinflussen.
Ihre Bedarfe sind zugleich politische Themen: eine Ausstattung an qualifiziertem Personal, die es ermöglicht, die heterogenen Anforderungen an die Unternehmung Schule effektiv zu bewältigen; eine digitale Ausstattung und Ausbildung an derselben, die zum Lernen im Kontext von Digitalität befähigt; eine räumlich-bauliche Situation, die flexible Lehr-Lernsettings gestattet. Die Praxis des Schule-Leitens basiert dabei auf wertschätzenden, partizipativen und demokratischen Strukturen, die von allen Beteiligten anerkannt und gelebt werden müssen. Die Schulleitungsstudie liefert nicht nur Erkenntnisse für die Bildungssteuerung, sondern bringt durch das Instrument eines induktiv gestützten Fragebogens neue Inhalte in die Debatten um das Schulleitungshandeln ein.
Kulturelle Responsivität von Schulleitungen in österreichischen Schulen
Sieglinde Fulterer, Alexandra Postlbauer
Linz School of Education, JKU Linz
Theoretischer Rahmen
Die Zunahme der sprachlichen, kulturellen, religiösen und ethnischen Zugehörigkeit der Schüler*innen in den letzten vier Jahrzehnten Bedarf der Etablierung eines kultursensiblen Schulumfeldes (Beachum, 2011; Kahlifa et al., 2016). Insbesondere Schulleitungen sind gefordert, kultursensible Praktiken zu entwickeln, die Diversität einbeziehen, da die pädagogische Praxis der Schulleitung richtungsweisend für die Gewährleistung inklusiver Lernbedingungen und -möglichkeiten aller Schüler*innen sein kann (Dimmock & Walker, 2005; Khalifa, 2018; López, 2016; Magno & Schiff; 2010). Kulturelle Responsivität „could be understood as having a positive, respectful, sensitive reaction to different expressions and habits of culture. In order that all students are welcomed and accepted and inspired to succeed in a culture of high expectations for learning, schools and classrooms must be responsive to culture” (Ontario Ministry of Education, 2013). Dabei wird von einem Kulturbegriff ausgegangen, der nicht monolithisch ist, sondern durch soziale Interaktion (re-)produziert wird, sowie 'Kultur' in den jeweiligen historischen Kontext setzt und Repräsentationsräume ermöglicht, denn „culture not only mediates history but shapes it" (Giroux, 2004, S. 62). Kultursensibler Dialog wird als Instrument der Verknüpfung von kulturell vielfältigen Perspektiven und des sozialen Zusammenhalts begriffen (Fass et al., 2014, S. 312). Dahingehend ist die soziale Interaktion für pädagogisches Leadership in vielfältigen Communitys relevant (Dimmock & Walker, 2005).
Fragestellung
Basierend auf den Ergebnissen einer Schulleitungsbefragung (N = 148; MAlter = 54.22; SD = 6.22; 58% weiblich, 42% männlich, 0% divers) sowie Einzel- und Gruppeninterviews (Schulleiter*innen, Lehrpersonen, Erziehungsberechtigte, Schüler*innen; N = 61; 69% weiblich, 31% männlich, 0% divers; 44% mit Migrationshintergrund; 0% mit Fluchthintergrund), die im Rahmen des dreijährigen Erasmus+ Projekts Supporting Culturally Responsive Leadership and Evaluation in Schools (CReLES) durchgeführt wurden, werden (1.) die Prädiktoren kultureller Responsivität von Schulleitungen sowie (2.) die schulischen Praktiken als Reaktion auf die zunehmende kulturelle Vielfalt und die Bedingungen und bewährten Strategien für eine kultursensible Schulentwicklung, um bessere Lernergebnisse für alle Schüler*innen zu gewährleisten, näher beleuchtet.
Methoden
Mittels Regressionsanalysen wurde der Zusammenhang zwischen (individuellen) Merkmalen der Schulleitung, der Schule, der elterlichen Inklusion, des Stakeholder-Supports, der wahrgenommenen Herausforderungen und der kulturresponsiven Schulpraxis eruiert (OECD, 2018; Schulpolitik und Unterrichtsstrategien: 7 Items, α = .84; Zusätzliche Unterstützung für Schüler*innen: 3 Items, α = .72; Intendierte Lernerfahrungen: 4 Items; α = .91; Lernerfahrungen außerhalb des Curriculums: 4 Items, α = .67). Die Auswertung der Interviews der Fallschulen wurde mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2014) auf Grundlage von Kategorien für die deduktive Kodierung und zusätzlicher induktiv generierter Codes vollzogen. Zu berücksichtigen ist, dass aufgrund der Auswahl von Best-Practice-Fallschulen nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Ergebnisse verallgemeinert werden können. Anhand der Analyse können jedoch Phänomene und Zusammenhänge in kultursensiblen Schulentwicklungsprozessen identifiziert und nachvollzogen werden, die in einzelnen Schulen beobachtbar sind.
Ergebnisse und ihre Bedeutung
Deskriptive Analysen verdeutlichen die Bereitschaft der Schulleiter*innen zu kultureller Responsivität (5-stufige Skala; M = 3.10; SD = .63). Individuelle Merkmale der Schulleitung stehen nicht in Zusammenhang mit kultureller Responsivität, wohingegen Merkmale des Schulstandorts (z.B. Gemeindegröße: R2 = .20, β = .45, p ≤ .001), die Zusammensetzung der Schüler*innenschaft (R2 = .19, β = .40, p ≤ .05) wie auch auch kontextspezifische Merkmale (z.B. Inklusion der Eltern R2 = .10, β = .27, p ≤ .01) kultursensible Praxis beeinflussen. Die qualitativen Inhaltsanalysen der Interviews hingegen zeigen, dass die Erfahrungen, Einstellungen und Kompetenzen der Schulleitung wichtige Faktoren für kultursensible Praxis an Schulen sind. Kulturelle und sprachliche Vielfalt werden als Chance für alle Schüler*innen interpretiert, während gleichzeitig auf die Notwendigkeit des Erlernens der Unterrichtssprache hingewiesen wird. Bestimmte kultursensible Praktiken, wie die kritische Überprüfung der Schulpolitik und -praxis im Hinblick auf Inklusion und Chancengleichheit, erscheinen dabei als wesentlich für die Verbesserung der kultursensiblen Praxis.
Quo vadis Schulleitung? Befunde aus trinationalen Erhebungen zu Karrieremotiven, zu Arbeitsplatzwechselabsichten und zum Führungsverständnis
Pierre Tulowitzki1, Marcus Pietsch2, Colin Cramer3, Jana Groß Ophoff4, Ella Grigoleit1, Gloria Sposato1
1Fachhochschule Nordwestschweiz, 2Leuphana Universität, Lüneburg, 3Universität Tübingen, 4Pädagogische Hochschule Vorarlberg
Theoretischer Hintergrund
Schulleitungen und ihr Handeln werden als relevante Grösse lernwirksamer Schulen (Day et al., 2016) und erfolgreicher Schulentwicklungsprozesse (Buchen et al., 2009) angesehen. Das schulische Leitungshandeln wirkt sich maßgeblich auf die strukturelle Gestaltung innerhalb der Organisation, das Schulklima und die Schulkultur sowie die Zufriedenheit, Motivation und Leis-tungsfähigkeit des schulischen Personals aus (u.a. Day et al., 2009; Seashore Louis et al., 2010). In Deutschland, Österreich und in der Schweiz liegt – unterschiedlich ausgeprägt – ein Mangel an Schulleitungen vor. Für Deutschland gibt es zudem Hinweise, dass Schulleitungs-wechsel eher häufig vorkommen (Pietsch et al., 2019). Um Personen für das Amt gewinnen und in ihm halten zu können, erscheinen Forschungsbefunde dazu wichtig, was das Amt der Schul-leitung attraktiv macht, warum Schulleitungen diese Position ergreifen und welche Gründe gegen einen Verbleib im Amt sprechen.
Fragestellungen
Im Zentrum der vorliegenden Studie standen folgende Fragen: Warum ergreifen Schulleitungen diese Tätigkeit? Was (de-)motiviert sie in ihrem Beruf? Wie charakterisieren sie ihre berufliche Identität und ihr Führungshandeln?
Methode
Die vorliegende Studie wurde 2021 in der Schweiz und wird im Herbst 2022 auch in Deutschland und Österreich durchgeführt. In der Schweiz wurden die Daten im Herbst 2021 mit Unterstützung aller Schulleitungsverbände und zahlreicher Kantone mittels eines standardisierten Online-Fragebogens erhoben, der an 4749 Schulleitungen verschickt wurde (ca. 52% aller Schulleitun-gen). 2011 Schulleitende beteiligten sich vollständig an der Befragung. In Weiterführung früherer Befragung wurden in Deutschland im Oktober 2022 1000 Schulleitungen durch den deutschen Felddienstleister forsa rekrutiert und befragt. Teile der Stichprobe wurden bereits seit 2020 be-fragt (Cramer et al., 2021; Pietsch et al., 2022), so dass z.T. längsschnittliche Analysen möglich sind. In Österreich wird die Studie im Auftrag durch das österreichische Bildungsministerium durch die PH Vorarlberg im Herbst 2022 erstmalig durchgeführt und alle österreichischen Schul-leitungen dazu eingeladen (ca. 6000 Schulen).
Die Fragebögen bestehen überwiegend aus etablierten, thematisch relevanten Skalen (u.a. aus PISA, TIMSS, TALIS) und Items zur Erfassung demografischer Angaben. Um einem Common Method Bias entgegen zu wirken, wurden Cooper et al. (2020) folgend, wo möglich Items und Skalen rotiert und unterschiedliche Skalierungsgrade genutzt. Die deskriptiven Statistiken werden mit der Software SPSS 26 erstellt; multivariate Analysen stehen für die Schweiz noch aus. Erfasst wurden bzw. werden u.a. folgende Konstrukte: Berufliche Werthaltungen, berufliches Selbstverständnis, Arbeitszufriedenheit, Karriereperspektiven, Füh-rung.
Ergebnisse
Der Ergebnisteil des vorliegenden Beitrags rekurriert auf die Befunde aus der Schweiz; zum Zeitpunkt der GEBF werden jedoch auch die Befunde aus Österreich, aktualisierte Befunde aus Deutschland sowie erste Vergleiche zwischen den drei Ländern vorliegen.
Oft genannte Gründe, in die Schulleitung zu gehen, sind gemäß ersten Analysen des schweize-rischen Datensatzes: Verantwortung übernehmen und für das Wohl anderer sorgen wollen; Geld und Karrieremotive werden vergleichsweise selten genannt. Das rückgemeldete Tätigkeitsprofil besteht überwiegend aus administrativen und personalbezogenen Aufgaben. Ein Großteil der Schulleitenden äußert sich weitgehend zufrieden mit der beruflichen Karriere und erlebt die Tä-tigkeit als sinnstiftend. Jedoch geben 74% der Befragten an, trotz Mehrarbeit zu wenig Zeit zu haben, die täglichen Aufgaben zu erfüllen. Ca. 20% der Befragten geben an, ihre Schule verlas-sen zu wollen; ein Viertel von ihnen so schnell wie möglich. Hauptsächliche Gründe hierfür sind der Wunsch nach beruflicher Entwicklung und nach mehr Zeit (für die Familie) sowie fehlende Unterstützung durch übergeordnete Instanzen.
Diskussion
Die Befragten nehmen sich mehrheitlich eher als professionelle Führungskräfte denn als Admi-nistrator:innen oder Lehrpersonen mit Zusatzfunktion war und sehen sich zuständig für Entwick-lungsimpulse. Die Aussage, dass Leistung der Schulleitungen nach den Lernergebnissen der Schüler:innen zu bemessen sei, wird überwiegend abgelehnt. Die Diskussion wird abschließend u.a. Gründe für etwaige Unterschiede zwischen den drei Ländern im Schulleitungshandeln und in den auf das Amt bezogenen Einstellungen und Haltungen aufgreifen und insgesamt die Befunde in den Stand der Forschung einordnen.
Arbeitsbezogener Stress, Bewältigungsverhalten und emotionale Erschöpfung von Schulleitungen aus Deutschland und der Schweiz. Ergebnisse der COVID-HL Studie
Kevin Dadaczynski1, Anita Sandmeier2, Orkan Okan3, Melanie Messer4
1Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Hochschule Fulda, Zentrum für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland, 2Institut Professionsforschung und Personalentwicklung Pädagogische Hochschule Schwyz, Schweiz, 3Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften, Technische Universität München, Deutschland, 4Abteilung Pflegewissenschaft II, Universität Trier, Trier, Deutschland
Hintergrund: Während sich Schüler*innen sowie Lehrkräfte im Rahmen der empirischen Schulgesundheitsforschung eines hohen Interesses erfreuen, steht die Forschung zur Gesundheit von Schulleitungen bislang noch an den Anfängen. Die wenigen verfügbaren Befunde weisen u. a. darauf hin, dass Schulleitungen häufig von psychischen Belastungen und Beanspruchungen betroffen sind, die sich im Berufsgruppenvergleich oder dem Vergleich einer bevölkerungsbezogenen Normgruppe eine höhere Ausprägung aufweisen (Dewa et al., 2009; Philips et al., 2008). Ergebnisse im Kontext der seit 2020 in Europa bestehenden COVID-19 Pandemie zeigen, dass sich Schulleitungen vor allem durch die Arbeitsmenge, interpersonale Konflikte, einen Mangel an Ressourcen und persönlichen Druck gestresst fühlen (Hansen et al., 2020). Mit Blick auf die physische und psychische Erschöpfung geben 45 % der in einer deutschen Studie befragten Schulleitungen und Schulleitungsmitglieder an, dass es ihnen am Ende eines Arbeitstages schwerfällt, sich zu erholen und ein Drittel fühlt sich oft/immer psychisch erschöpft (Dadaczynski et al., 2021). In einer Schweizer Studie berichteten 29 % der Schulleitungen ein reduziertes Wohlbefinden, einem Viertel fällt es schwer, sich nach einem Arbeitstag zu erholen und jede fünfte Schulleitungsperson fühlt sich bei der Arbeit oft psychisch erschöpft (Sandmeier et al., 2021).
Wie Schulleitungen mit arbeitsbezogenem Stress umgehen und inwiefern arbeitsbezogenes Bewältigungsverhalten mit der psychischen Gesundheit assoziiert ist, ist bislang nicht untersucht worden.
Fragestellung: Ausgehend vom Job Demands-Resources Modell (Demerouti et al., 2001) und der transaktionalen Stresstheorie (Lazarus & Folkman, 1984) wird der Zusammenhang zwischen arbeitsbezogenem Stress und psychischer Gesundheit von Schulleitungen während der COVID-19 Pandemie untersucht. Überdies soll geklärt werden, wie Schulleitungen arbeitsbezogene Belastungen bewältigen und inwiefern das Bewältigungsverhalten den Zusammenhang zwischen Stress und psychischer Gesundheit erklären kann.
Methoden: Es werden Daten der COVID-HL Schulleitungsstudie herangezogen, die in der ersten Jahreshälfte 2021 mit N=2186 Schulleitungen aus Deutschland und N=385 Schulleitungen aus der Schweiz durchgeführt wurde. Zur Erfassung der psychischen Gesundheit wird auf die Erschöpfung als Leitsymptom des Burnouts zurückgegriffen, welche über drei Items und einer fünfstufigen Antwortskala erfasst wurde (Schaufeli et al., 2020). Arbeitsbezogener Stress wurde mithilfe einer Kurzversion der Perceived Stress Scale gemessen, die sprachlich an die COVID-19 Pandemie und Arbeitskontext Schule angepasst wurden (Schneider et al., 2020). Um erste Erkenntnisse zum arbeitsbezogenen Bewältigungsverhalten zu erhalten, wurde auf drei Subskalen (Intensivierung,
Extensivierung, Qualitätsreduktion) des Instruments zur Erfassung des selbstgefährdenden Arbeitsverhaltens zurückgegriffen (Krause et al., 2015). Als Kontrollvariablen werden neben dem Geschlecht und dem Alter ebenfalls die Schulform berücksichtigt. Mittels Strukturgleichungsmodellen in R (R Team, 2020) unter Verwendung der integrierten Entwicklungsumgebung und der Software RStudio mit dem Paket lavaan (Rosseel, 2012) wird das Zusammenwirkens von Stress, Bewältigungsverhalten und Erschöpfung modelliert.
Ergebnisse und ihre Bedeutung: Die Daten befinden sich aktuell in der Auswertung, wobei davon ausgegangen wird, dass arbeitsbezogener Stress positiv mit dem Ausmaß an Erschöpfung assoziiert ist. Ebenso wird davon ausgegangen, dass alle Dimensionen der Arbeitsbewältigung (Intensivierung, Extensivierung und Qualitätsreduktion) mit einer höheren Ausprägung der Erschöpfung einhergehen und dass der Zusammenhang von arbeitsbezogenem Stress und Erschöpfung mindestens partiell durch die Arbeitsbewältigung erklärt wird. Unter Berücksichtigung von Geschlecht, Alter und Schulform sollen die Ergebnisse einen Beitrag zur zielgruppenspezifischen Gesundheitsförderung einer bislang vernachlässigten Berufsgruppe leisten.