Veranstaltungsprogramm

Sitzung
Sek63: Sektion Wissensoziologie: Wissenssoziologie (in) einer sich verändernden Welt – 25 Jahre DGS-Sektion Wissenssoziologie"
Zeit:
Donnerstag, 25.09.2025:
14:15 - 17:00

Chair der Sitzung: Michael Müller, TU Chemnitz
Chair der Sitzung: Silke Steets, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


Präsentationen

Wissenssoziologie (in) einer sich verändernden Welt – Einführung

Michael Müller1, Silke Steets2

1TU Chemnitz, Deutschland; 2Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Dass unsere Gegenwart eine Zeit des Übergangs oder des Umbruchs ist, scheint auf den ersten Blick unstrittig. Wie es jedoch möglich ist, diesen Übergang oder Umbruch „angemessen zu Begriff zu bringen“ (W. Schulz), ist alles andere als eindeutig. Erlebt und beschrieben, problematisiert oder programmatisch in Szene gesetzt werden Zeitenwenden jedenfalls in unterschiedlichster Weise. – Es dürfte zu den Kernaufgaben einer Soziologie gehören, die die „Seinsverbundenheit des Wissens“ (K. Mannheim) zu einem Ausgangspunkt ihres Denkens und Arbeitens nimmt, die Angemessenheit soziologischer Konzepte gerade auch in Zeiten des Übergangs zu reflektieren. In diesem Sinne war und ist es der Anspruch der DGS-Sektion Wissenssoziologie seit ihrer Gründung vor 25 Jahren, gesellschaftliche Entwicklungen nicht nur als Verhaltensveränderungen nach naturwissenschaftlichem Vorbild zu vermessen. Ihr interpretativ ausgerichtetes Interesse gilt vielmehr jenen sinnhaften Handlungsformen, Deutungsprozessen und Wissensstrukturen, deren verstehende Rekonstruktion die historische Genese und soziale Dynamik gesellschaftlicher Entwicklungen erst erklärbar macht. Es ist nicht zuletzt die Umbenennung der damaligen DGS-Sektion Sprachsoziologie in Wissenssoziologie im Jahr 2000, die diesen Anspruch bereits im Gründungsakt der Sektion deutlich machte: Die Aufmerksamkeit sollte fortan nicht mehr ‚nur‘ der Sprache gelten, sondern potenziell allen „Gewissheitsquellen“ (H. Plessner), kommunikativen Formen und Institutionalisierungen, die als Objektivationen menschlichen Handelns zugleich den Möglichkeitsraum dieses Handelns strukturieren. Dementsprechend erweiterten und verfeinerten sich sowohl die Gegenstandsbereiche als auch die Methodologien wissenssoziologischen Forschens kontinuierlich. – Wir nehmen das 25-jährige Jubiläum der Sektion zum Anlass, die Frage nach jenen Wissensstrukturen und Deutungsprozessen erneut zu stellen, aus denen heraus gesellschaftliche Entwicklungen erklärbar und unsere eigenen (individuellen, kollektiven oder politischen) Anteile an diesen Entwicklungen reflektierbar werden. Welche gesellschaftlichen Entwicklungen oder Figurationen, so fragen wir, fordern wissenssoziologische Analysen heraus – damals, vor 25 Jahren, vor allem aber auch heute?



Alter Wein in neuen Schläuchen? Zur Erneuerung der Wissenssoziologie

Hubert Knoblauch

Technische Universität Berlin, Deutschland

Im Beitrag soll kurz die ‚Erfolgsgeschichte‘ der Sektion kurz skizziert werden, um dann auf die anstehenden Problemen und Aufgaben einzugehen, die sich aus den zwischenzeitlich erfolgten Veränderungen von gesellschaftlichem und besonders auch wissenschaftlichem Wissen ergeben: Dazu gehören zum einen das Problem der Sprachlichkeit und der Internationalisierung, die strukturelle Fragmentierung und die diskursiven Grenzziehungen sowie die digitale Mediatisierung, die zu neuen Herausforderungen gerade der verstehenden Soziologie führt.



Das Wissen der Wissenssoziologie

Hans-Georg Soeffner

Kulturwissenschaftliches Institut Essen, Deutschland

Die Frage nach dem, was „Wissen“ ist oder sein könnte, verweist auf die Kluft zwischen dem Wissen als Substantiv (manifestiertes Wissen) und dem Verb ‚wissen‘ (dem Wissen-Wollen/Wissen erlangen wollen). Das substantivische Wissen bezieht sich auf das Wissen der Menschen über die Menschen, wie es dokumentiert ist in der Körperlichkeit, der Sprache/den Sprachen sowie allen menschlichen Äußerungsformen und Erzeugnissen. Mit seiner Feststellung: „Ich weiß, dass ich nicht weiß“, konstatiert Sokrates die einzige Sicherheit des Verbs ‚wissen‘: das Nicht-Wissen. Zugleich betont er die Unausweichlichkeit des Wissen-Wollens. Die Methodologie dieses Wissen-Wollens ist die wissenssoziologische Hermeneutik. Anthropologisch gesehen ist damit die Tiefenstruktur dessen ausformuliert, was Helmuth Plessner als „III. Anthropologisches Grundgesetz“ benennt: „Das Gesetz des utopischen Standortes. Nichtigkeit und Transzendenz“. Seit ihrer Gründung – zunächst als „Sektion Sprachsoziologie“, dann als „Sektion Wissenssoziologie“ – hat sich unsere Sektion in Weberscher Tradition theoretisch, methodologisch und material an diesem Spannungsbogen abgearbeitet.



Gibt es eine Seinsverbundenheit des Algorithmus? Wie heute noch Wissenssoziologie betreiben?

Monika Wohlrab-Sahr

Universität Leipzig, Deutschland

Was kann man im Zeitalter von Big Data, von mit Algorithmen erzeugten Wissensclustern und mit künstlicher Intelligenz produzierten News und Fake News noch mit einer Wissenssoziologie anfangen, in deren Zentrum Alltagswelt und Face-to-Face Interaktion, konjunktive Erfahrungsräume und die Seinsverbundenheit des Wissens standen, und die einen Zusammenhang von Wissen und Kollektiven, Leben und sprachlicher Symbolisierung selbstverständlich annahm? Der Beitrag versteht sich als Problematisierung und Spurensuche.



Podiumsdiskussion: Warum Wissenssoziologie heute?

Silke Steets1, Michael Müller2

1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland; 2TU Chemnitz

Im Anschluss an die Impulsvorträge erörtern wir im Rahmen einer Podiumsdiskussion, welche Herausforderungen und Potentiale mit einer wissenssoziologischen Forschungsperspektive heute verbunden sind. Teilnehmende: Roswitha Breckner (Wien), Andreas Hepp (Bremen), Boris Traue (Luxemburg) und Julia Wustmann (Dortmund). Moderation: Silke Steets (Erlangen) und Michael R. Müller (Chemnitz)