Sitzung | |
Sek60: Sektion Wirtschaftssoziologie: "Aktuelle Wirtschaftsoziologie"
Sitzungsthemen: Meine Vortragssprache ist Deutsch.
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Zusammenfassung der Sitzung | |
Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten. | |
Präsentationen | |
Bausteine einer Politischen Ökonomie des Internets. Strukturierung - Regulierung - Kommodifizierung Universität Stuttgart, Deutschland In meinem Vortrag möchte ich fünf Bausteine einer Politischen Ökonomie des Internets herausarbeiten. Ich beginne mit (1) charakteristischen Eigenheiten internetbasierter Märkte, stelle (2) Plattformen als typische Organisationsform sowohl ökonomischen Handelns als auch sozialer Interaktion im heutigen Internet heraus, nehme (3) die zum Teil sehr weitreichenden, tief in soziale Zusammenhänge und Interaktionen eingreifenden Regulierungsaktivitäten der Plattformunternehmen in den Blick, skizziere (4) die wesentlichen ökonomischen Verwertungsmechanismen, die typisch für das Internet sind und diskutiere schließlich (5) Ansatzpunkte, Grenzen und Ambivalenzen einer politischen Einhegung und Intervention in dieses stark privatwirtschaftlich geprägte Feld. In der Gesamtschau schälen sich zwei neuartige Formen kapitalistischer Landnahme heraus, die das Internet, wie wir es kennen und nutzen, maßgeblich prägen: • zum einen das großflächige Eindringen privatwirtschaftlicher Akteure in Kernbereiche demokratisch legitimierter Aushandlung, Entscheidung, Regelung und Regeldurchsetzung, das sich als technisch vermittelte Vorstrukturierung und regelbasierte Kuratierung sozialer Verhältnisse und sozialen Verhaltens durch die Plattformunternehmen konkretisiert; • zum anderen die umfassende Kommodifizierung individueller Verhaltensspuren, die sich aus den technischen Möglichkeiten einer lückenlosen Überwachung, Erfassung und Auswertung der Aktivitäten der NutzerInnen ergibt. Die Regulierung endet am Interface - Eine Digital Mixed-Methods Studie zur Strukturierung von Airbnb Marktplätzen in Berlin und Kapstadt 1Technische Universität Berlin, Deutschland; 2Sonderforschungsbereich 1265 "Re-Figuration von Räumen" Digitale Plattformen sind seit der Finanzkrise 2008 als neue institutionelle Einbettung wirtschaftlichen Handelns zentrale Treiber einer post-neoliberalen Kommodifizierung immer weiterer Lebensbereiche. Dies geschieht häufig auf Kosten des Gemeinwohls und führt angesichts einer zeitgleich einsetzenden Abkehr von neoliberaler politischer Räson zu Regulierung. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist Airbnb. Refigurationstheoretisch betrachtet konkurrieren territoriale Akteur*innen – von der Stadt bis zum Staatenbund – mit der netzwerkräumlichen Plattform um die Kontrolle über die Aneignungsbedingungen von Orten wie Nachbarschaften und Wohnungen. Bisher wissen wir wenig darüber, wie diese Räumlichkeiten zusammenspielen. Unterscheiden sich territorial lokalisierte Marktplätze oder gleicht sich der Netzwerkraum global an? Mittels eines Digital-Mixed-Methods Design (NLP-gestützte Faktoranalyse von 22.467 Inseraten & 17 qualitative Interviews) werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem regulierten Berliner und dem unregulierten Kapstädter Airbnb-Marktplatz identifiziert. Die regulatorische Intervention reicht nicht in den Netzwerkraum hinein: Airbnb etabliert homolog strukturierte Marktplätze in beiden Städten. Unterschiede lassen sich auf Raumkulturen und die Bausubstanz zurückführen. Regulierung bleibt aber nicht folgenlos. Während Gastgeber*innen in Kapstadt nur wenige Hindernissen vorfinden und die Plattform einheitlich als vorteilhaft wahrnehmen, bestehen in Berlin erhebliche bürokratische Hürden. Dies geht mit einer unterschiedlichen Skalierung der Märkte einher: In Kapstadt sind doppelt so viele Angebote verfügbar wie in Berlin. Die Regulierung ist zudem Ausdruck kritischer Diskurse. Alle Berliner Interviewpartner*innen positionieren sich zur Kritik an der Plattform, entweder indem sie sie abwehren oder auf andere Gruppen von Gastgeber*innen verweisen. Der Beitrag liefert Impulse für die Diskussion um das Verhältnis von Staat und Plattformen bei der Organisation und Absicherung von Märkten. Deutlich wird, dass die Regulierung am Plattform-Interface endet: Airbnb strukturiert den Marktplatz entlang der eigenen Interessen durch die Mediatisierung von Orten im Netzwerkraum – unabhängig von staatlicher Intervention. Territoriale Kontrolle kann effektiv sein, müsste aber gezielt in die Mediatisierung eingreifen um Einfluss auf Marktstrukturen zu nehmen. Transition unter Spannung: Wissensasymmetrien in der Hawker-Ökonomie Singapurs Humbold-Universität zu Berlin, Deutschland Die Bereitstellung kostengünstiger Verpflegung ist Teil einer umfassenden Stadtentwicklungspolitik, die seit der Unabhängigkeit Singapurs verfolgt wird. Ziel war und ist es, durch funktionale und sozial integrierte Stadtstrukturen einen attraktiven Standort im globalen Wirtschaftssystem zu schaffen. Hawker Center tragen zur Reproduktion der Arbeitskraft bei, fördern soziale Kohäsion, stärken nationale Identität und werden touristisch vermarktet. Der Beitrag beleuchtet auf Grundlage qualitativer und quantitativer Daten, wie sich in der Hawker-Ökonomie über die Zeit Wissensasymmetrien herausgebildet haben, die zu Spannungen und potenziellen Dysfunktionalitäten führen. Im Zentrum stehen zwei Aspekte: Viele traditionelle Hawker sind älter und verfolgen eine auf Beständigkeit ausgerichtete Mentalität. Eine jüngere, teils gut ausgebildete Generation bringt unternehmerisches Denken, Erfahrungen aus anderen Berufsfeldern und ein starkes Interesse an Profit und Expansion mit. Beide Gruppen wollen gesellschaftlich beitragen – unterscheiden sich aber deutlich in ihren Wissensbeständen, Vorstellungen von Unternehmensführung und Zukunftsperspektiven. Diese Differenzen führen zu Spannungen und ökonomischen Ungleichheiten. Während ältere Hawker bis ins hohe Alter auf niedrigem Einkommensniveau arbeiten, strebt die junge Generation nach Wachstum und Freiheit. Die Voraussetzungen für unternehmerischen Erfolg variieren auch räumlich: je nach Stadtlage, Standposition im Center, Anbindung an einen Frischmarkt oder Organisation unter einem privatwirtschaftlichen Management (Socially Conscious Enterprise). Dies beeinflusst Kundschaft, Arbeitszeiten, Mieten, Gewinnmargen und Freiheiten. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen – etwa für technische Ausstattung oder Weiterbildung – gehen oft an den Bedürfnissen der jungen Generation vorbei und reproduzieren bestehende Exklusionsmechanismen. Lange gab es keine offizielle Hawker-Vertretung, was den Wissenstransfer erschwerte. Erst seit weniger als zehn Jahren wurden staatlich angeregte Hawker Associations gegründet – primär zur Etablierung von Regulierung und Kontrolle. Der Beitrag zeigt, wie Wissensasymmetrien und sozialräumliche Arrangements notwendige Transformationen hemmen und die Resilienz des Systems gefährden. „Diese Abwertung ist einfach lachhaft“ – Die Rechtfertigungsordnungen von Fußballfans bei der Bestimmung von Marktwerten Universität Hamburg, Deutschland Der Beitrag analysiert die Rolle der Fans als aktive Mitgestalter:innen des Fußballmarktes. Er gibt Einblicke in den transitorischen Prozess, durch den fußballbegeisterte Laien auf einer digitalen Plattform letztendlich zu Marktwertexpert:innen und Unterstützer:innen der Ökonomisierung des Fußballs werden. Es wird untersucht, wie die Nutzer:innen der Plattform „transfermarkt.de“ ihre jeweiligen Vorstellungen von angemessenen Marktwerten begründen und legitimieren. Die Beantwortung dieser Frage erfolgt auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse von 1.030 Diskussionsbeiträgen im Forum „Marktwertanalyse“. Für die Analyse werden Theorien der Bewertung (Lamont 2012) und Erklärungsansätze der Soziologie der Konventionen (Boltanski/Thévenot 2006, Diaz-Bone 2022, Knoll 2015) herangezogen. In bewertungssoziologischer Hinsicht werden Bewertungen und Quantifizierungen insbesondere in ihrer prozessualen Form betrachtet. Wert wird dabei nicht als eine Ansammlung exogener oder feststehender Präferenzen von Individuen verstanden, sondern als etwas, das sich aus den Bewertungspraktiken, Bewertungskonventionen und -verfahren in der untersuchten Situation ergibt (Callon/Muniesa 2005, Mennicken/Espeland 2019). Die konventionssoziologische Perspektive ermöglicht es zudem, die Bewertungssysteme im Fußball als sozial konstruierte Prozesse zu verstehen, die von spezifischen Legitimitätsvorstellungen und Rechtfertigungsordnungen geprägt sind. |