Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Sitzung
Sek57: Sektion Stadt- und Regionalsoziologie: "Aktuelle Themen der Stadt- & Regionalsoziologie"
Zeit:
Dienstag, 23.09.2025:
14:15 - 17:00

Chair der Sitzung: Anna Marie Steigemann, Universität Regensburg
Chair der Sitzung: Sebastian Kurtenbach, FH Münster
Chair der Sitzung: Nihad El-Kayed, Humboldt-Universität zu Berlin
Chair der Sitzung: Gunther Weidenhaus
Chair der Sitzung: Walter Bartl, Institut für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


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Präsentationen

HateTown. Räumliche und individuelle Determinanten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in urbanen Räumen

Joachim Häfele1, Eva Groß2

1Polizeiakademie Niedersachsen, Deutschland; 2Hochschule in der Akademie der Polizei Hamburg

Vorurteilsgeleitete Handlungen richten sich insbesondere gegen tatsächliche oder vermeintliche Angehörige von historisch marginalisierten Minderheiten und lassen sich größtenteils dem Bereich rechter bzw. rechtsextremer Gewalt zuordnen. Zur Erklärung vorurteilsbezogener Handlungen wird in der Soziologie häufig auf das Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) zurückgegriffen. Kern dieses Konzeptes ist die vorurteilsgeleitete Annahme der Ungleichwertigkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen (Ideologie der Ungleichwertigkeit). Trotz der besonders gravierenden Folgen von vorurteilsmotivierten Vitkimisierungen und Diskriminierungen auf individueller, gemeinschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Ebene (z.B. Häfele, Groß & Peter 2025; Häfele & Groß 2023) und trotz der in den vergangenen Jahren deutlich und kontinuierlich gestiegenen Fallzahlen im Bereich der offiziell registrierten sog. Hasskriminalität existieren bislang für den deutschen Sprachraum kaum belastbare Dunkelfeldbefunde. In den offiziell registrierten Fallzahlen werden darüber hinaus lediglich strafrechtlich relevante Phänomene, aber keine Ereignisse unterhalb dieser Schwelle (z.B. Mikroaggressionen) ausgewiesen. Innerhalb des Vortrages werden Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt "HateTown“ zu räumlichen und individuellen Determinanten vorurteilsmotivierter Viktimisierung und Diskriminierung in urbanen Kontexten vorgestellt.

Datengrundlage sind n = 4577 Personen aus N = 96 Hamburger Stadtteilen.

Quellen:

Häfele, J. & Groß, E. (2023). Vorurteilsgeleitete Handlungen in urbanen Räumen. In: Kemmesies, U.; Wetzels, P.; Austin, B. u.a. (Hrsg.): MOTRA-Monitor 2022, S. 460-471.

Häfele, J., Groß, E. & Peter, S. (2025). Folgen vorurteilsmotivierter Viktimisierung, in: Wollinger, G./Zähringer, U. (Hrsg.). Handbuch Viktimologie: Theoretische Grundlagen, empirische Befunde und rechtliche Praxis. Springer VS. (i.E.)



Raumabhängigkeiten und Pfadbrüche in der Plattformökonomie - Ein Zehn-Jahres-Vergleich von Airbnb in Berlin und Kapstadt

Simon Carol Pohl1,2

1Technische Universität Berlin, Deutschland; 2Sonderforschungsbereich 1265 "Re-Figuration von Räumen"

Airbnb ist zu einem festen Teil städtischer Strukturen geworden. Die Plattform wird mit negativen Folgen wie kulturellem und ökonomischem Verdrängungsdruck durch kommerzielle Vermietung in Verbindung gebracht. Befürworter argumentieren, dass Anwohner*innen durch Airbnb Verdrängung widerstehen können und die Plattform Nachbarschaften wirtschaftlich belebt. Diese Spannung unterstreicht, wie wichtig Regulierung und die räumliche Einbettung dieser Praktiken sind. Verwaltungen müssen bei der Regulierung negative und positive Folgen abwägen. Gleichzeitig fördern Interfaces und Algorithmen professionelles und kommerzialisiertes Gastgeben. Folglich müssen Gastgeber*innen unterschiedliche soziale Ordnungen navigieren, wenn sie Wohnungen in den Airbnb-Marktplatz einbringen.

Studien analysieren die Verteilung von Airbnb oft im Kontext von Rent-Gaps und vernachlässigen häufig nicht-ökonomische Faktoren. Der Beitrag schlägt hingegen in der Kombination von Refiguration von Räumen und einer Pfadabhängigkeitsperspektive einen räumlich-sozialen Rahmen vor. So wird greifbar wie sich die Verteilung von Airbnb-Angeboten im Zusammenhang ihrer unterschiedlichen räumlichen Einbettungen – Netzwerkraum, Territorium, Ort – stabilisiert oder destabilisiert.

Auf dieser Grundlage untersucht der Beitrag explorativ wie staatliche und private Governance die Adaption plattformvermittelter Kurzzeitvermietung durch kommerzielle Gastgeber*innen und Amateur*innen in einem regulierten (Berlin) und einem unregulierten Markt (Kapstadt) beeinflussen. Empirisch stützt sich die Untersuchung auf univariate und bivariate lokale Moran’s I Analysen, um erstens die Entwicklung der Angebotsverteilungen über zehn Jahre, zweitesn die Korrelation zwischen Angebotsentwicklung und früheren Angebotskonzentrationen sowie drittens mit staatlichen Stadtplanungsinitiativen zu erfassen.

Es wird gezeigt, dass die räumliche Verteilung und Entwicklung von Airbnb-Angeboten im Zusammenhang komplexer Wechselwirkungen zwischen territorialer Regulierung, netzwerkräumlichen Anreizen und den Strategien verschiedener Typen von Gastgeber*innen steht. Zudem wird deutlich, dass die Stadtgeschichte – die Teilung Berlins und die rassistische Stadtplanung der Apartheidzeit – nachhaltigen Einfluss auf plattformvermittelte Kurzzeitvermietungen hat.



Taking Bourdieu to Nairobi: Wie symbolische und räumliche Ressourcen traditionelle Werteorientierungen im Wohnen beeinflussen

Jochen Kibel

TU Berlin, Deutschland

Entgegen der eurozentrischen Unterstellung, dass der sozioökonomische Aufstieg einer vermeintlichen Global Middle Class mit einer Abnahme traditioneller Wertorientierungen einhergehen würde, zeige ich anhand von Daten eines wohnsoziologischen Projekts, dass für wohlhabendere Bewohner*innen Nairobis die Orientierung an traditionellen Wohnformen und den damit verbundenen Werten an Bedeutung gewinnt. Abgelehnt werden diese Werte eher von Bewohner*innen Nairobis, die von Abstieg bedroht sind.

Ich argumentiere, dass es für Städter*innen mit weniger Ressourcen funktional sein kann, die Anforderungen einer „traditionellen Ökonomie symbolischer Güter“ (Bourdieu) vorläufig abzulehnen. Fehlen die Ressourcen, um diese Erwartungen zu erfüllen, werden traditionelle Verpflichtungen gegenüber dem meist ländlichen ‚ancestral home‘ eher ironisiert oder als „stupid traditions“ abgelehnt. Gleichzeitig gelingt es Bewohner*innen Nairobis, die über mehr ökonomische und räumliche Ressourcen verfügen, die für die kenianische Gesellschaft symbolisch bedeutsame Erwartung zu bedienen, sowohl ein modernes städtisches Zuhause (house) als auch ein traditionelles ländliches ‚ancestral home‘ zu errichten. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg in der Stadt wachsen also auch die Erwartungen, die traditionellen Bindungen an die meist ländlichen familiären Herkunftsregionen zu stärken.

Im Gegensatz zur ökonomischen Interpretation des Diskurses einer vermeintlichen Global Middle Class werde ich mit Hilfe der Adaption der Bourdieu‘schen Soziologie auf die Stadtforschung durch Loïc Wacquant zeigen, wie Wertorientierungen durch die symbolischen und räumlichen Dimensionen von Wohnverhältnissen strukturiert werden. Am Beispiel Nairobis wird deutlich, dass die Analyse urbaner Lebenswelten unvollständig bleibt, solange sie nur ökonomische, nicht aber auch symbolische Aspekte und über die Stadt hinausreichende räumliche Bezüge in die Betrachtung einbezieht.

Der hier dargestellte Zusammenhang weist zudem eine gewisse Nähe zu den aktuellen Protesten in Nairobi und anderen Städten Kenias auf. Auch hier kommt die Kritik an traditionellen Loyalitäten und die Forderung nach demokratischer Teilhabe von Kenianer*innen, die sich um ihr Aufstiegsversprechen betrogen fühlen, und nicht aus der saturierten Mitte der Gesellschaft, wie es der Modernisierungsdiskurs der Global Middle Class unterstellt.



Verteilung von Werten und Einstellungen: Eine Analyse auf Gemeindeebene

Svenja Oltmanns1,2

1Universität Bremen, Deutschland; 2Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt

Karten zu Wahlergebnissen der Bundestagswahl verdeutlichen klar eine räumliche Verteilung von Parteipräferenzen. Auch die aktuelle Raum- und Segregationsforschung zeigt regionale sowie Stadt-Land-Disparitäten in Wahlpräferenzen und eine zunehmende Polarisierung in po-litischen Einstellungsdimensionen. Im deutschen Raum ist allerdings bisher nicht erforscht, wie Werte und Einstellungen auf kleinräumiger Ebene verteilt sind.

Dieser Beitrag untersucht erstmals die geografische Verteilung von Werten – darunter die universellen Werte nach Schwartz, Ungerechtigkeitssensibilität, Kontrollwahrnehmung und soziale Erwünschtheit. Darüber hinaus wird analysiert, ob soziale und politische Einstellungen – etwa die Wahrnehmung sozialer Kohäsion, Demokratiezufriedenheit und soziales Vertrauen – räumlich konzentriert auftreten und inwiefern sich dabei Stadt-Land-Unterschiede sowie regionale Disparitäten zeigen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Frage, ob Einstellungen stärker als Werte kleinräumlich variieren – mit dem Ziel, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob Einstellungen sensibler auf lokale Gegebenheiten reagieren.

Datengrundlage ist das German Social Cohesion Panel (SCP) des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt, das vielfältige Indikatoren zu Fragen des Zusammenlebens, Umwelt, Ungleichheit, Politik, sozialen Beziehungen und Persönlichkeit umfasst. Zur Untersuchung der räumlichen Verteilung werden Werte und Einstellungen der 8505 Befragten auf der Ebene von 253 Gemeinden (𝑁𝑚𝑖𝑛=10; 𝑁𝑚𝑎𝑥=323) mittels Mehrebenenmodellen aggregiert und durch Raking-Gewichte auf Robustheit überprüft. Die Analyse der Intercepts auf Gemeindeebene erlaubt Rückschlüsse auf die räumliche Verteilung von Werten und Einstellungen. Im zweiten Schritt wird geprüft, ob Werte eine weniger stark ausgeprägte räumliche Dimension aufweisen als Einstellungen. Im dritten Schritt wird explorativ untersucht, welche Zusammenhänge die Werte und Einstellungen mit weiteren lokalen sozialstrukturellen Aspekten aufweisen. Die Ergebnisse liefern Erkenntnisse darüber, ob kleinräumliche Dimensionen künftig stärker in der sozialräumlichen Forschung berücksichtigt werden sollten. Zudem sind sie relevant für die Analyse politischer Einstellungen – insbesondere mit Blick auf die Frage, ob sich die identifizierten Muster mit den politischen Raumstrukturen Deutschlands decken.



Zur (Neu-)Verhandlung stadträumlicher Ein- und Ausschlüsse „offener Drogenszenen“

Sarah Berg, Mariam Manz, Moritz Rinn, Jan Wehrheim

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Der Umgang mit „offenen Drogenszenen“ in deutschen Großstädten, die mit Handel und Konsum illegaler Substanzen in öffentlichen Räumen durch marginalisierte Personengruppen assoziiert werden, wurde lange primär auf repressive und disziplinierende Strategien lokaler Ordnungspolitik hin untersucht (vgl. bspw. Wehrheim 2012). Zuletzt ließen sich jedoch Veränderungen der in Konflikte um die Raumaneignung „Szeneangehöriger“ involvierten Akteure beobachten, die in (lokal unterschiedlichen) Institutionalisierungen „akzeptierender“ sozial- und gesundheitspolitischer Ansätze resultierten. Neben Ordnungs- und Stadtentwicklungspolitik hat sich Soziale Arbeit als relevante Bearbeitungsakteurin etabliert (Killian & Rinn 2020: 400). In Stadtverwaltungen ist die Einsicht verbreitet, dass ein rein repressiver Umgang „das Problem nicht löst“, sondern nur räumlich verlagert. Der Ruf nach mehr Sozialarbeit und Streetwork wird zum Standardrepertoire von Politiken des öffentlichen Raumes. Lokale Arrangements von „Härte und Hilfe“ (Boris Rhein im März 2025 in der FAZ) transformieren sich allerdings beständig und geraten in Krisen. So aktuell in der bundesweiten Problematisierung einer „Crack-Epidemie“ (Der Spiegel 52/2023). Als vielbeachtete Bearbeitungsweise kristallisieren sich hier „Akzeptanzorte“ oder „Toleranzflächen“ (Prepeliczay/Schmidt-Semisch 2021) heraus: zugewiesene „Szene-Orte“ im öffentlichen Raum, die mit einer baulichen Aufenthaltsinfrastruktur ausgestattet und regelmäßig sozialarbeiterisch aufgesucht werden – bei andernorts erhöhtem Kontrolldruck.

Wir präsentieren Befunde des DFG-Projekts „Soziale Arbeit in Aushandlungen urbaner Armut und Devianz im öffentlichen Raum“, das untersucht, wie räumliche Aneignungsordnungen durch Interaktionen unterschiedlicher Akteure auf verschiedenen Aushandlungsebenen (Problemdiskurse, Governance-Arrangements und „Street-Level“) hervorgebracht werden und welche Effekte auf Repräsentation, Teilhabe und Ausschließung marginalisierter Gruppen beobachtbar sind. Wir zeigen exemplarisch, wie in einem Konflikt um die Räumung/Verlagerung eines Szene-Ortes das „unlösbare Problem“ urbaner Drogenszenen stadträumlich transformiert und zugleich reproduziert wird. Sichtbar wird, wie lokal dominante Problematisierungen alternative Positionierungen und Politiken – bezüglich Entkriminalisierung oder Erweiterung sozialer Rechte – verunmöglichen.



 
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