Sitzung | |
Sek49: Sektion Soziologie der Kindheit: "Gegenwärtige Forschung und Debatten in der Kindheitssoziologie"
Sitzungsthemen: Meine Vortragssprache ist Deutsch.
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Zusammenfassung der Sitzung | |
Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten. | |
Präsentationen | |
Ein Beispiel gelungener Wissenschaftskommunikation? Eine kindheitssoziologische Einordnung von und ein Diskussionsforum zum Buch "Kinder – Minderheit ohne Schutz" 1Universität Innsbruck; 2Universität Duisburg-Essen Das Buch "Kinder – Minderheit ohne Schutz" von Aladin El-Mafaalani, Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier (2025) versteht sich als pointierte soziologische Intervention in die gesellschaftliche Debatte um die Stellung von Kindern in Deutschland – begleitet von einem ungewöhnlich breiten und durchweg positiven journalistischen Echo stürmt es seit seinem Erscheinen Bestsellerlisten und beschert den Autoren ausverkaufte Lesungen. Im Zentrum steht die These, dass Kinder trotz normativer Schutzansprüche faktisch über keine wirksamen politischen Repräsentationen und nur eingeschränkte gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten verfügen. Das Werk liefert zweifelsohne einen relevanten Impuls zur Re-Politisierung von Kindheit im soziologischen Diskurs. Zugleich kommen den kindheitssoziologisch Interessierten die zentralen gesellschaftsanalytischen Befunde seltsam vertraut vor, derweil das Buch sich über entsprechende Anleihen und Referenzen weitgehend ausschweigt: von generationaler Ordnung (als Begriff, Perspektive oder Befund) weiß es nichts. Auch lassen sich aus kindheitssoziologischer Perspektive konkrete Kritikpunkte anbringen, etwa, dass kindliche Agency analytisch unterbelichtet bleibt. Ebenso vermisst mensch eine systematische Auseinandersetzung mit theoretischen Perspektiven auf generationale Beziehungen und Muster intergenerationaler Solidarität bzw. Komplizenschaft. Vor diesem Hintergrund – also einer pointierten wie öffentlich erfolgreichen Popularisierung komplexer wissenschaftlicher Befunde einerseits, dem Auslassen wesentlicher Referenzen sowie den kindheitssoziologisch anzubringenden Kritikpunkten anderseits – wollen wir in dieser Veranstaltung die Diskussionen in der Sektion um die Öffentlichkeiten von Kindheitswissenschaften sowie um Potentiale, Notwendigkeiten und Stolpersteine von Wissenschaftskommunikation weiterführen. Schafft das Buch neue Öffentlichkeiten in der Zivilgesellschaft, im Journalismus und/oder der Wissenschaft für kindheitssoziologische Perspektiven? Für ›kindliche Stimmen‹? Oder zuvorderst für die Autoren? Wie erklärt sich der Erfolg, wenn doch die Befunde aus kindheitssoziologischer Perspektive kaum Neues bereithalten? Oder sollte vielmehr gefragt werden, warum es anderen nicht gelungen ist? Schließlich: Was ist der ›akademische Preis‹ eines Sachbuchs, welche Zugeständnisse an Verständlichkeit und selektiver Quellenwahl sind zu vollbringen? Transition als Ausgangspunkt und Antwort - Kindheitssoziologische Forschung in sich wandelnden Feldern institutionalisierter Pädagogik 1Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; 2Universität Hildesheim; 3Evangelische Hochschule Bochum; Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. Wandlungsprozesse stellen seit den Anfängen der New Sociology of Childhood vielfach den Ausgangspunkt empirischer Untersuchungen zu Kindern und Kindheit dar (Honig 1999; Fölling-Albers 2001). In den letzten Jahren sind quantitative und qualitative Wandlungsprozesse in institutioneller Kindertagesbetreuung (Koch et al. 2018; Meyer 2018) und in der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter (Walther et al. 2022) wiederholt untersuchungsleitend. Parallel dazu wird die Partizipation von Kindern an Forschung und (institutionellen) Veränderungen vermehrt diskutiert (Prengel/Storck-Odabasi 2025), in Teilen aber auch eingefordert (Hüpping 2024; Büker et al. 2021; Gerhartz-Reiter/Reisenauer 2020). Die These des Beitrags lautet in diesem Zusammenhang, dass Transition in doppeltem Sinne Ausgangspunkt und Antwort kindheitssoziologischer Forschung ist. Sie verändert nicht nur die pädagogische und forschende Praxis oder den Alltag von Kindern, sondern beeinflusst die Institutionalisierung von Kindheit(en) (Zeiher 2009). Hinsichtlich der beforschten Praxis des Forschungsfeldes ist Transition Ausgangspunkt des kindheitssoziologischen Interesses und zugleich Antwort im Sinne einer Rekonstruktion „sich verändernder Lebens- und Entwicklungsbedingungen“ (Walper/Tippelt 2010, S. 206). Die Forschungspraxis wiederum wird vielfach über eine veränderte Ausgangslage in Bewegung versetzt – bspw. durch neue Erkenntnisse, neue Methoden, neue Förderlinien – und endet ebenso häufig mit dem Hinweis auf weitere Desiderate - eine kontinuierliche Transition von Feld und Forschung. Der Beitrag geht dieser Verbindung anhand dreier Forschungsbeispiele in sich wandelnden Feldern institutionalisierter Pädagogik im Vor- und Grundschulalter nach. Die verbindende Fragestellung lautet dabei: Wohin führt der Fokus auf Transition die Kindheitsforschung in Hinblick auf Epistemologie und Methodologie? Mit dem Fokus auf Transition zeigen sich in unseren Forschungsbeispielen, Praktiken der Grenzbearbeitung und Herstellung von Zugehörigkeiten, es stellen sich Fragen nach der Veränderung von Alltagsübergängen durch den Ausbau der Ganztagsbetreuung oder es zeigen sich gerade keine bedeutenden Unterschiede in institutionellen Übergängen. Diese Befunde regen zugleich dazu an, kritisch danach zu fragen, was sie ausblenden. Dieses Spannungsverhältnis herauszuarbeiten ist Kernanliegen des Beitrags. „Zwischen Loslassen, Ankommen und Wohlfühlen. Wohlbefinden von Schulkindern während des Übergangs an die weiterführende Schule – Eine qualitative Analyse kindlicher Perspektiven und Praktiken“ Hochschule Fulda, Deutschland Der Übergang an eine weiterführende Schule wird als institutionell überformte Statuspassage verstanden, die durch soziale Praktiken im Sinne des „Doing Transition“ von verschiedenen Akteur*innen hergestellt wird und von Bedeutung für das Wohlbefinden von Kindern ist - das wiederum selbst hergestellt wird (Doing Wellbeing). Darüber hinaus erscheinen diese Übergänge in gesellschaftlichen Diskursen selbst als institutionalisierte Quasi-Entitäten, die wiederum Identitäten und Subjekte erzeugen. Kindheitssoziologische Perspektiven fokussieren mit dem Agency-Konzept Kinder als eigenständige Akteur*innen mit Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie als (Mit-)Gestalter*innen ihrer sozialen Umwelt. So auch der geplante Vortrag, der zeigt, wie Wohlbefinden von Schulkindern als Herstellungsleistung im Übergang an eine weiterführende Schule empirisch rekonstruiert werden kann – und dies dezidiert gemeinsam mit Kindern. Im Rahmen eines qualitativen und methodenpluralen Forschungsansatzes rekonstruiere ich in meiner Dissertation, wie Kinder ihr Wohlbefinden und den schulischen Übergang herstellen. Datengrundlage sind sieben Mixed-Data-Plots aus Kinder-, Eltern- Lehrer*inneninterviews, von Kindern gestalteten Übergangstagebüchern und Fotos sowie offizielle Schuldokumente. Erste Ergebnisse zeigen, dass Schulkinder den Übergang nicht als einheitlichen Prozess wahrnehmen, sondern durch individuelle und soziale Praktiken gestalten. Dazu entwickle ich eine Typologie des „Doing Wellbeing“ und „Doing Transition“ und analysiere die Diskurspositionen der jeweiligen Akteur*innen. Auch die Kinder agieren im Übergang als (Re-)Produzent*innen sozialer Ordnungen, vor allem sozialer Ungleichheiten und gesundheitsbezogener Ressourcen, und bringen eigene Deutungen sowie Praktiken ein. Die Beteiligung und Perspektiven von Kindern liefern entscheidende Impulse, um Wohlbefinden als kontinuierliche Neuverhandlung und Relationierung zu verstehen, schulische Übergänge gesundheitsfördernd und sozial gerecht zu gestalten, und adultistiche Sichtweisen zu hinterfragen. Die damit entstehende Verbindung von kindheitssoziologischen und Public-Health-Perspektiven eröffnet neue Wege, um gesundheitliche Ungleichheiten im Schulsystem sichtbar zu machen. Damit liefert der Vortrag sowohl theoretischer als auch Praxis relevante Impulse für die Kindheitssoziologie und die schulische Gesundheitsförderung. Die Regierung des Selbst, der Anderen und der Kinder. Eine kindheitswissenschaftliche Sicht auf Gouvernementalität als Heuristik für die Corona-Pandemie University of Klagenfurt, Deutschland Das Konzept der Gouvernementalität (vgl. Foucault 2020/2022) durchzieht das Dissertationsprojekt auf drei Ebenen: Zunächst wird diese selbst zum Gegenstand und typologisiert, bildet dann die Heuristik einer gouvernementalen ‚Geschichte der Kindheit‘ und leitet schließlich die Entwicklung methodologischer Maximen für eine Gouvernementalitätsanalyse. Bedeutend ist dabei das Zentralkennzeichen der Gouvernementalität als Regierungsform der abendländischen Bürgergesellschaft, in der Regierung insbesondere über den ‚Kontaktpunkt‘ verläuft, an dem sich die gegenseitige Lenkung der Individuen mit der Weise ihrer Selbstführung verknüpft (vgl. Foucault 1993: 203f.) und Subsysteme der Wissenschaft, Erziehung, Bildung und Sozialen Arbeit einen zentralen Stellenwert bekommen. Die Spezifika dieser Regierung zeigen sich in einer Geschichte der generationalen Ordnung in der Gouvernementalität, in der die ‚Selbst-‘ und ‚Anderen-Regierung‘ sowie die Genealogie des Kindes als Subjekt (vgl. Foucault 1993: 203) oder "als Figur[...] gesellschaftlichen Wandels" (CfP) im Fokus stehen. Wenn Gouvernementalität erstens ein „wirkmächtiges Konzepte der modernen Sozialwissenschaften“ (Foucault 2020:2) ist, zweitens die Kunst der Menschenführung in der „Sicherheits“- und „Normalisierungsgesellschaft“ (ebd.: 26, 546) beschreibt, sollte sie weiterhin Erklärungsansätze für die Coronapandemie als historisches Transitionsphänomen liefern, das im Jahre 2020 fast den gesamten Globus erfasste und bis heute vielfältige Auswirkungen mit sich bringt. Als eine Spezialform von Diskursanalysen fokussieren Gouvernementalitätsanalysen die Mechanismen am Kreuzungspunkt von vertikaler und horizontaler, verinnerlichter Regierung und hierbei insbesondere das "Gesamtprojekt […], das auf die ganze Gesellschaft zielt und das man grob gesprochen öffentliche Hygiene nennen kann“ (ebd.: 175). Diese Überlegungen leiten meine Entscheidungen zu Korpus-Bildung, Sampling Strategie und Design der Analysewerkzeuge. Mein Erkenntnisinteresse bezieht sich auf Rationalitäten, Strategien und Subjektivierungsweisen mit Relevanz für Kinder und Jugendliche und Diskurse zu Schulschließungen in der Coronazeit in Deutschland. Im Vortrag werden Ergebnisse einer Analyse von Veröffentlichungen der DgfE wie Stellungnahmen, der Zeitschrift "Erziehungswissenschaft" oder auch Programmen von Tagungen o.ä. vorgestellt. |