Sitzung | |
Sek46: Sektion Soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse: "Transitionen in der Arbeitswelt und ihre Folgen für soziale Ungleichheit"
Sitzungsthemen: Meine Vortragssprache ist Deutsch.
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Zusammenfassung der Sitzung | |
Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten. | |
Präsentationen | |
Weiterbildung in Zeiten der Digitalisierung: Wie beeinflusst KI-Nutzung die berufliche Weiterbildung? Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Deutschland Die Digitalisierung ist ein zentraler Treiber des Wandels der Arbeitswelt. Weiterbildung kann für Beschäftigte eine geeignete Maßnahme sein, um sich auf diesen Wandel vorzubereiten. Seit kurzem fokussiert die Diskussion um die Auswirkungen der Digitalisierung zunehmend auf generative Künstliche Intelligenz (KI), da diese im Vergleich zu bisherigen Technologien die Arbeitswelt disruptiver beeinflussen könnte. Fraglich ist jedoch, ob diese potentiellen Veränderungen auch das Weiterbildungsverhalten beeinflussen. Erste Studien mit Robotik- und KI-Indikatoren deuten an, dass die Weiterbildungsbeteiligung (Heß et al. 2023) und das betriebliche Weiterbildungsangebot (Muehlmann 2024) eher zurückgehen könnten. Jedoch existieren bisher kaum Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen KI-Nutzung und an Weiterbildung aufzeigen. Neben der möglichen Zu- oder Abnahme der Weiterbildungsbeteiligung durch KI-Nutzung und möglichen resultierenden Ungleichheiten ist es zentral, zu untersuchen, ob Beschäftigte ihre Weiterbildung vermehrt selbst finanzieren und mit welchen Inhalten sie sich auseinandersetzen. Erste Ergebnisse der Befragung „Digitalisierung und Wandel von Beschäftigung (DiWaBe 2.0)“ von 2024 zeigen, dass KI-Nutzung die Teilnahmewahrscheinlichkeit von Beschäftigten an betrieblicher Weiterbildung kaum beeinflusst, jedoch haben KI-Nutzende in Berufen mit hohem Anforderungsniveau und sich intensivierender KI-Nutzung eine höhere Wahrscheinlichkeit, an individuell finanzierter Weiterbildung teilzunehmen. Vor dem Hintergrund, dass KI-Nutzung stark vom Anforderungsniveau abhängig ist (Arntz et al. 2025), könnten die Beschäftigten mit hohem Anforderungsniveau, durch individuell finanzierte Weiterbildung ihre Vorsprünge gerade weiter ausbauen. Auch die Weiterbildungsinhalte von KI-Nutzenden sind abhängig vom beruflichen Anforderungsniveau. KI-Nutzende in Berufen mit hohem Anforderungsniveau befassen sich mit neuen Technologien oder überfachlichen Themen wie Führungs- und Problemlösungskompetenz, während diejenigen mit mittlerem Anforderungsniveau Weiterbildungen zur Erweiterung beruflichen Kompetenzen besuchen. Dies könnte auf das unterschiedliche Wirken von KI auf die Arbeit beider Beschäftigtengruppen hindeuten und könnte bestehende Ungleichheiten verstärken. Arbeitsausbeutung in Deutschland: Wirkmechanismen für die Entstehung einer neuen Form von Prekarität Universität Bremen, Deutschland Die Debatte um den „unteren Rand“ des Arbeitsmarkts ist in den 2010er-Jahren um den Begriff der (schweren) Arbeitsausbeutung im Sinne des neu gefassten § 232 StGB erweitert worden. Im Vortrag werden die Quantität, Formen und Wirkmechanismen von Arbeitsausbeutung auf Basis von Expert:innen- sowie Betroffeneninterviews und einer Befragung der Beratungsstellen für Opfer von Arbeitsausbeutung herausgearbeitet. Die Ergebnisse zeigen dabei, dass die ausbeuterische Unterschreitung bestehender arbeitsrechtlicher Normen in Deutschland alltägliche Praxis ist, in einigen Branchen zum „System gehört“ und teilweise billigend in Kauf genommen wird. Die Opfer von Arbeitsausbeutung sind fast ausschließlich Zugewanderte, die in den Bereichen Gastronomie bzw. Hotelgewerbe, Logistik/Post, Gebäudereinigung, Spedition/Lagerei sowie im Baugewerbe beschäftigt sind. Als häufigste Formen der Ausbeutung werden vor allem unbezahlte Mehrarbeit sowie das Nichtauszahlen von Löhnen/Lohnbestandteilen, eine Entlassung im Falle von Krankheit oder eines Unfalls, die Nichteinhaltung von Pausen-/Ruhezeiten sowie fehlende Lohnabrechnungen, Arbeitsverträge und Arbeitsnachweise genannt. Wirkmechanismen, die dazu führen, dass die mit der Reform der §§ 232ff. StGB beabsichtigte Verbesserung in Bezug auf die Bekämpfung von Arbeitsausbeutung bisher nicht eingetreten ist, sind Defizite im Rechtssystem, Kontrollversagen, die Lebenslage zahlreicher Zugewanderter in Verbindung mit den entsprechenden aufenthalts- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen für Ausländer:innen in Deutschland und die Schwäche des Hilfesystems. Insgesamt betrachtet zeigen sich auf dem Arbeitsmarkt in arbeits- und sozialrechtlicher Hinsicht deutliche Fragmentierungs-, Stratifizierungs- und Ungleichbehandlungsprozesse in Bezug auf die Gruppe der migrantischen Beschäftigten in prekären Arbeitsbedingungen mit geringerer sozialer Absicherung bei bewusster Verletzung arbeitsrechtlicher Standards durch die Arbeitgeber:innen. Dies lässt sich dahingehend interpretieren, dass als Konsequenz eine neue Form der Prekarität auf dem Arbeitsmarkt entsteht. Diese ist dadurch charakterisiert, dass bestehende arbeits- und sozialrechtliche Mindeststandards deutlich unterschritten und auch deren Verbesserungen ignoriert werden. Als der Chef noch auf Bier kam. Der Betrieb als Raum männlicher Selbst-Vergewisserung und -verunsicherung im Umgang mit Transitionserfahrungen in der Arbeitswelt Universität Tübingen, Deutschland Angesichts vielfältiger Transitionsprozesse im Industriesektor sind viele Beschäftigte verunsichert. Als selbstverständlich wahrgenommene soziale Absicherungen werden fraghaft, auch die Beteiligungsrechte der Arbeiter:innen werden zurückgefahren. Diese Erfahrung von Diskontinuität und Prekarisierung der Erwerbsbiographie setzt auch diejenigen unter Druck, die, trotz der Transitionen in den Geschlechterverhältnissen, bisher noch an dem Ideal einer (männlichen) berufszentrierten ‚Normalbiographie’ festhielten. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, wie industrielle Facharbeiter in der Arbeitswelt erlebte Transitionsprozesse verarbeiten und inwiefern sie dabei auf vergeschlechtlichte Deutungsmuster zurückgreifen. Dabei arbeite ich drei Idealtypen heraus, die sich in dem Erleben der Auswirkungen der Transitionsprozesse im beruflichen Alltag sowie in den Strategien, mit denen auf die damit einhergehenden Herausforderungen reagiert wird, unterscheiden. Die unterschiedlichen Selbstpräsentationen und Strategien ermöglichen Rückschlüsse für die Erreichbarkeit der Facharbeiter für autoritäre Anrufungen. Zudem zeige ich, dass bei den meisten Facharbeitern „Geschlecht“ als unsichtbare Strukturkategorie fungiert, die „der Rechtfertigung nicht bedarf“ (Bourdieu 2005, 21). Eine geschlechtlich konnotierte Verunsicherung findet sich nichtsdestotrotz in der Erfahrung der Differenz zu den Manager:innen. Der Prozess der gesamtgesellschaftlich wirksamen einseitigen Aufkündigung des Klassenkompromisses „von oben“ findet seine Entsprechung in der Umgestaltung der innerbetrieblichen Sozialbeziehungen. Das erleben insbesondere die älteren Facharbeiter als ein Wegbrechen ihres Anteils an der patriarchalen Dividende (Connell 2015). Virtually Equal? Wie sich die Digitalisierung von Zusammenarbeit auf Geschlechterungleichheit in persönlichen Netzwerken auswirkt TH Köln Eine wichtige Ursache ungleicher Karrierechancen von Männern und Frauen sind geschlechtsbezogene Unterschiede in den persönlichen Netzwerken im Arbeitskontext. Besonders bedeutend ist dabei, dass die Netzwerke von Männern typischerweise weitläufiger sind, insofern sie mehr Boundary Spanning Ties enthalten. Solche Beziehungen überbrücken formale Grenzen in und zwischen Organisationen und an ihnen reiche persönliche Netzwerke bieten Zugang zu einer größeren Vielfalt produktiver Ressourcen. Die Ursachen und Folgen dieser geschlechtsspezifischen Netzwerkunterschiede wurden bisher unter der Bedingung von Zusammenarbeit in physischer Kopräsenz untersucht. In den letzten Jahren haben sich diese Bedingungen jedoch drastisch verändert, insofern Zusammenarbeit mittlerweile deutlich häufiger virtuell realisiert wird. Obwohl es starke Hinweise darauf gibt, dass die Virtualisierung persönlicher Netzwerke signifikant beeinflusst, ist bislang unklar, welche Effekte sie für Geschlechterungleichheit in solchen hat. Der Beitrag verbindet die bisher unverbundenen Literaturen zu Virtualisierungseffekten und Geschlechterungleichheit in Netzwerken und argumentiert auf dieser Grundlage, dass sich Netzwerke durch die Virtualisierung angleichen, weil geschlechtsstereotype Interaktionsordnungen und Networking-Gelegenheiten, von denen vor allem Männer bei der Entwicklung von Boundary Spanning Ties profitiert haben, in virtuellen Settings ihre Wirkung verlieren. Zur empirischen Überprüfung des Arguments analysiert der Beitrag Daten zu 468 Ego-Netzwerken, die vor und während der pandemiebedingten Kontaktbeschränkung erhoben wurden. Dieses natürliche Quasi-Experiment erlaubt sowohl Querschnitts- als auch Längsschnittvergleiche. Die differenzierte Analyse der quantitativen Daten bestätigt das im Beitrag entwickelte Argument und zeigt, dass die charakteristischen Unterschiede zwischen den Netzwerken von Männern und Frauen unter den Bedingungen virtueller Zusammenarbeit verschwinden. Die Studie trägt damit zu einem besseren Verständnis der Mechanismen bei, die der Reproduktion von Geschlechterungleichheit in Netzwerken insgesamt zugrunde liegen und legt offen, wie die Virtualisierung von Zusammenarbeit diese Prozesse beeinflusst. Die Rolle der Geschlechtersegregation für geschlechtsspezifische Lohnerträge bei IT-Arbeitsaufgaben 1Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Deutschland; 2Universität siegen, Deutschland Technologischer Wandel verändert seit jeher Arbeitsmarktstrukturen, Qualifikationsanforderungen und Tätigkeitsprofile. Während frühere technologische Innovationen primär routinehafte und nicht-kognitive Aufgaben automatisierten, betrifft die gegenwärtige Phase der Digitalisierung – insbesondere durch den verstärkten Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) – zunehmend kognitive, nicht-routinemäßige und kommunikationsintensive Tätigkeiten. Aktuelle Studien zeigen, dass diese neuen Technologien mit positiven Lohneffekten einhergehen. Gleichzeitig bleibt jedoch weitgehend unbeachtet, ob und wie diese Effekte geschlechtsspezifisch variieren. Die Evidenz zu den geschlechtsspezifischen Auswirkungen technologischen Wandels ist gemischt. So erklären Black & Spitz-Oener (2010) die Reduzierung des Gender Pay Gaps mit einer geschlechtsspezifischen Entwicklung von Tätigkeiten. Unterschiede in der Entlohnung technologiebezogener Tätigkeiten zeigen sich beispielsweise bei Programmieraufgaben (Cheng 2019), während für die allgemeine Computernutzung keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede bestehen – wohl aber Unterschiede zwischen Frauen- und Männerberufen (Kristal et al. 2024). Es fehlt bislang an einer systematischen Analyse, die die geschlechtsspezifische Entlohnung konkreter IT-bezogener Tätigkeiten im Kontext beruflicher Geschlechtersegregation untersucht. Vor diesem Hintergrund geht die Studie der Frage nach, (1) ob Frauen und Männer unterschiedlich für die Ausübung von IT-Tätigkeiten entlohnt werden und (2) welche Rolle die horizontale berufliche Geschlechtersegregation dabei spielt. Datenbasis ist die BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2024. Der Fokus auf IT-Tätigkeiten folgt dem „Effective Skill“-Ansatz von Van der Velden & Bijlsma (2019). Zur Analyse werden lineare Mehrebenenmodelle unter Berücksichtigung beruflicher Gruppierungen eingesetzt. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen insgesamt positive Lohnrenditen für IT-Tätigkeiten, die jedoch für Männer höher ausfallen als für Frauen – insbesondere in Frauen- und Mischberufen. Dies legt nahe, dass der aktuelle technologische Wandel keine geschlechtsneutralen Effekte entfaltet. Die Studie wirft damit weiterführende Fragen nach der (Re-)Produktion von Geschlechterungleichheiten im Zuge der Digitalisierung auf und liefert Impulse für die soziologische Ungleichheitsforschung. |