Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Sitzung
Sek41: Sektion Religionssoziologie; Sektion Wissenssoziologie: "Wissen in Transitionen - Wissen über Transitionen"
Zeit:
Dienstag, 23.09.2025:
14:15 - 17:00

Chair der Sitzung: Oliver Dimbath, Universität Koblenz
Chair der Sitzung: Insa Pruisken, Universität Bremen
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


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Präsentationen

Die Erfahrungsqualität von Ordnungsübergängen in differenzierten Gegenwartsgesellschaften

Helen Bönnighausen

Max-Weber-Kolleg Erfurt, Universität Erfurt, Deutschland

Um sich mit Übergängen als den Wechselbewegungen von einer Ordnung in eine andere adäquat befassen zu können, müssen auch die jeweiligen Ordnungen, zwischen denen ein Übergang vollzogen wird, zumindest grundlegend bestimmt werden. Während sich ein größerer Teil der Forschung auf biografische oder gesamtgesellschaftlich-kollektive Ordnungen und Übergänge konzentriert, soll in diesem Beitrag über einen dritten Ordnungs- und Übergangstyp nachgedacht werden: Resultierend aus der Auseinandersetzung mit phänomenologischen sowie strukturtheoretischen Differenzierungstheorien werden als einer ‚Phänomenologisierung der Differenzierungstheorie‘ die Übergänge zwischen verschiedenen plural-differenzierten Seinsordnungen als eigenes gesellschaftliches Phänomen der Moderne aufgetan: Wenn man davon ausgeht, dass Menschen stets in nur je eine raumzeitliche Lebenswelt eingebunden sind, wird die Ordnungspluralität moderner Gegenwartsgesellschaften von Subjekten nicht simultan erfahren. Stattdessen wird sukzessiv in die verschiedenen Sinnrahmungen eingetreten, womit notwendigerweise Übergänge vollzogen werden müssen.

Mit diesen spezifischen Wechselprozessen wird sich im Beitrag beschäftigt und diese werden in ihrer Erfahrungsqualität untersucht: Wo und wie entstehen diese Übergänge? Was passiert beim Vollzug und wie werden diese Momente erlebt? Nach einer kurzen theoretischen Einordnung wird für die nähere Bestimmung der Übergangsvollzüge zwischen den alltäglichen differenzierten Sinnordnungen und Handlungskontexten auf die Ergebnisse einer eigenen qualitativ-empirischen Erhebung zurückgegriffen: In Interviews wurden Gesprächspartner:innen nach dem Auftreten und Erleben (räumlicher) Übergangssituationen in ihrem Alltag befragt. Zudem wurden sie zu besonders eindrücklichen Übergangsorten ins Feld begleitet (‚Go-Along‘), um dort raumzeitliche Prozesslogiken sowie subjektive Umgangsweisen (Rituale) mit solchen Situationen beobachten zu können.

Hierdurch gewonnene Erkenntnisse sollen im Beitrag erläutert und zur Diskussion gestellt werden. Ziel ist ein besseres Verständnis davon, an welchen Orten, zu welchen Zeiten und unter welchen Umständen alltägliche Ordnungswechsel entstehen, und wie sie von Subjekten erfahren werden. Grundsätzlich leistet die Übergangsforschung damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis subjektiver Lebensweisen in differenzierten Gesellschaftsformen.



Die Selbsttransformation der Katholischen Kirche und ihre Blockaden

Thomas Kron, Simon Schmalen

RWTH Aachen University, Deutschland

Ausgehend von der Ebenendifferenzierung Gesellschaft – Organisation – Interaktion legen wir dar, wie sich die römisch-katholische Kirche in Deutschland im Kontext des sog. ‚Missbrauchsskandals‘ um einen selbsttransformativen Übergang bemüht und diesen zugleich blockiert.

Nach der medialen Veröffentlichung von Missbrauchsfällen 2010 musste die Kirche reagieren. Den Grund für den Reaktionszwang sehen wir in der Gefährdung des ökonomischen Unternehmens Kirche durch die öffentliche Missachtung des Spitzenpersonals. Insbesondere die seelsorgerische Versorgung der Gemeinden kann aufgrund des dadurch verschärften Fachkräftemangels nicht mehr gewährleistet werden: Gab es 2010 noch 89 geweihte Priester, waren es 2024 nurmehr 29.

Um die intendiert kommunizierten Veränderungen in der Transition scheinbar kontrollieren zu können, hat sich die Kirche eine organisationale Selbsttransformation auferlegt und Strukturänderungen wie Verfahren der Intervention, Prävention, Entschädigung (‚Anerkennung des Leids‘) oder Aufarbeitung implementiert. Diese müssen durch Anpassungen des Funktionssystems Religion (‚Synodaler Weg‘) sowie der seelsorgerischen Interaktionen als Orte der sexualisierten Gewalt (z. B. Beichtinteraktion) begleitet werden, um religiöse Übergangsnarrative und Rituale aufrechterhalten und gläubige Mitglieder spirituell und seelsorgerisch bedienen zu können.

Aus soziologischer Perspektive ist ein einfaches Gelingen dessen nicht erwartbar. Zeigt sich in der Praxis, dass Strukturveränderungen sowie die Anpassungen von Religion und seelsorgerischer Interaktion als Umwelten der Organisation nicht passgenau zu bewerkstelligen sind, wird die Selbsttransformation vor allem qua organisationaler (also kirchlicher) Entscheidungen prozessiert, die auch anders ausfallen können.

Im Vortrag stellen wir selbst eingerichtete Entscheidungsblockaden dar, wie sie sich bei den Strukturveränderungen und Anpassungsbemühungen zeigen, z. B. päpstliche Gegenreaktionen, Strukturen der Beharrung, die wie Transformation aussehen, das Fehlen durchgehender Entscheidungsverknüpfungen zwischen nicht-amtstragenden Mitgliedern und klerikalen Entscheidern, Probleme der Implementation und Kontrolle von Schutzkonzepten, Instrumentalisierung des weltlichen und kirchlichen Rechts sowie Externalisierung der Schuld in ‚die‘ Gesellschaft. Wir enden mit dem Versuch der Generalisierung der Erkenntnisse.



Epistemische Brüche: Zur Transition der Ungleichheitssemantiken zwischen Universalismus und Diversität

Julian Höfner

Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Deutschland

In der Gegenwartsgesellschaft lässt sich eine Transition des Ungleichheitsdiskurses beobachten: Statt klassenbezogener ökonomischer Unterschiede rücken identitätsbezogene kulturelle Ungleichheiten immer mehr in den Fokus. Ausgehend von dieser Beobachtung entfaltet der Vortrag die These, dass die Wissensordnung des gesellschaftlichen Ungleichheitsdiskurses in einer Transition begriffen ist, in dessen Zuge universalistische Ideen des Menschen und seiner moralischen Gleichheit zunehmend in Konkurrenz zu identitätsbezogenen Referenzen auf Individuen und Vorstellungen der identitären Äquivalenz treten. Dies zeigt, dass der moralische Universalismus auf Legitimationsprobleme stößt, die ihn zunehmend als unplausibel erscheinen lassen. Das Ziel des Vortages ist es, aufzuzeigen, auf Grundlage welcher gesellschaftlichen Bedingungen sich eine solche Transition des Wissens verstehen lässt.

Soziale Ungleichheit wird dabei nicht als Abbild einer materiellen gesellschaftlichen Realität verstanden, sondern als soziale Konstruktionsleistung, mit der die Gesellschaft ihre Individuen, Gruppen und Kollektive sowie deren Verhältnis zueinander als soziale Wirklichkeit erzeugt. Unter dieser Prämisse lässt sich beobachten, welches kulturelle Wissen – welche Semantiken transitieren: Zum einen Formen des Verständnisses von Individualität und sozialer Zugehörigkeit, zum anderen Semantiken der Gleichheit, mittels derer Unterschiedliches vergleichbar gemacht wird. Diese Semantiken variieren dabei nicht beliebig, sondern bilden Sinnformen, die auf gesellschaftsstrukturelle Wandlungsprozesse und ihre Folgeprobleme reagieren.

Um aufzuzeigen, unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen sich diese Transition der Ungleichheitssemantiken vollzieht, werden der moralische Universalismus und Diversität unter Anwendung einer funktional-analytischen Methodologie dahingehend befragt, auf welches gesellschaftliche Bezugsproblem diese Semantiken reagieren. Auf diese Weise soll der Vortrag einen Beitrag zum Verständnis jener tiefgreifenden epistemischen Verschiebungen leisten, die den gegenwärtigen Diskurs über soziale Ungleichheit prägen und ihn zunehmend an Fragen kultureller Differenz, Zugehörigkeit und Anerkennung orientieren.



Gedächtnis als Wissensordnung: Transitionen in Schockmomenten am Beispiel der russischen Invasion der Ukraine 2022

Till Hilmar

University of Vienna, Österreich

Der Beitrag widmet sich der Frage, wie sich Wissensordnungen im Moment eines ereignishaften „Schocks“ transformieren können. Wie werden bestehende Wissensbestände in solchen Situationen aufgelöst, überformt oder neu artikuliert? Aus einer gedächtnissoziologischen Perspektive (Sebald et al., 2020) wird Erinnerung als spezifische Wissensform verstanden, die mit moralischen Akteursrollen und Vorstellungen „reiner“ Opferkategorien operiert. Erinnerungspolitik wird dabei als Auseinandersetzung um Deutungsmacht innerhalb etablierter Erinnerungsregime (Kubik & Bernhard, 2014) gefasst.

Empirisch untersuche ich die Reaktionen deutscher und polnischer Erinnerungsorganisationen (Gedenkstätten, Museen, zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure) auf die russische Invasion der Ukraine im Februar 2022. Im Zentrum steht die Frage, wie ukrainische Opfer massenhafter Gewaltverbrechen des 20. Jahrhunderts (wie des „Holodomor“) im Lichte aktueller Kriegsverbrechen neu gerahmt werden.

Der Beitrag arbeitet zwei Prozesse heraus: Erstens zeigen sich kontrastierende Dynamiken in den Gedächtniskulturen Polens und Deutschlands. In Polen werden etablierte Narrative zur sowjetischen Gewaltherrschaft aktualisiert, um gegenwärtige Bedrohungswahrnehmungen stützen. In Deutschland hingegen zeigt sich einerseits die Sorge, NS-Opfer durch aktuelle Vergleiche zu relativieren; andererseits erfordert die Abgrenzung gegenüber nationalistischen erinnerungspolitischen Positionen aus Ostmitteleuropa eine Selbstvergewisserung. In diesem Spannungsfeld lässt sich eine graduelle Transition beobachten: Die ukrainische Geschichte des 20. Jahrhunderts wird verstärkt als eigenständiger erinnerungspolitischer Bezugspunkt integriert. Zweitens identifiziere ich vier Modi der ereignishaften Bezugnahme auf Vergangenheit: Analogie, Kontinuität, kontextuelle Referenz und Korrektur. Diese verdeutlichen, wie bestehende Wissens- und Erinnerungskonstellationen im Moment des Schocks aktualisiert und partiell neu interpretiert werden.

Empirische Grundlage der Analyse sind über 15.000 Twitter/X-Posts von 82 Erinnerungsorganisationen aus Polen und Deutschland rund um den 24. Februar 2022, ausgewertet mit einem „computational hermeneutics“-Ansatz (Mohr et al., 2015). Die digitalen Spuren kontextualisiere ich durch eine breitere Analyse der Reaktionen der deutschen und polnischen Gedächtnislandschaft.



 
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