Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
Sek35: Sektion Politische Soziologie: "Von Rechtspopulismus bis Faschismus – aktuelle Begriffsdebatten um die extreme Rechte"
Zeit:
Mittwoch, 24.09.2025:
9:00 - 11:45

Chair der Sitzung: Matthias Meyer, Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft IDZ Jena
Chair der Sitzung: Leo Roepert, Universität Hamburg
Chair der Sitzung: Viktoria Rösch, Frankfurt University of Applied Sci
Chair der Sitzung: Alexandra Schauer, Institut für Sozialforschung
Chair der Sitzung: Felix Schilk, Universität Tübingen
Chair der Sitzung: Matthias Quent, Hochschule Magdeburg-Stendal
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


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Präsentationen

Babel in Far-Right extremism studies? Überlegungen zu einer (Re-)Konzeptualisierung der Rechtsextremismusforschung

Rolf Frankenberger

Universität Tübingen, Deutschland

Die Forschungsansätze und -konzepte zur Erforschung der extremen Rechten ist gekennzeichnet durch eine mehrfache Fragmentierung. Die Verwendung von Containerbegriffen wie extreme Rechte (Häusler) oder Far Right (Mudde) in der nationalen und internationalen Forschung verweist auf Herausforderungen hinsichtlich der Konzeptbildung. Begriffe wie Neonazismus, Faschismus, Rechtspopulismus, radikalisierter Konservatismus, Autoritarismus, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus verweisen ebenso wie die Verwendung von Containerbegriffen wie extreme Rechte (Häusler) oder im internationalen Kontext Far Right, die mitunter für ein und dasselbe empirische Phänomen bezogen sind (vgl. etwa die Debatte um eine Charakterisierung der AfD) verweisen auf Herausforderungen hinsichtlich der Konzept- und Typenbildung – und in der Folge dieser auch der Theoriebildung. Kurz, in Anlehnung an einen Befund aus der Demokratisierungsforschung (Armony und Schamis 2005), herrscht ein Babel in der Rechtsextremismusforschung. Dieses verhindert oder erschwert eine zielführende, wissenschaftliche (und wertneutrale sowie entpolitisierte) innerwissenschaftliche Kommunikation, die Kommunikation in und zwischen verschiedenen Disziplinen (Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie, Erziehungswissenschaft, Empirische Kulturwissenschaft) sowie umso mehr die Wissenschaftskommunikation in die Gesellschaft hinein (die von Wissenschaft – zurecht - begriffliche Klarheit, Präzision und empirische Messbarkeit erwartet).

Um ein wenig Ordnung in die Dinge zu bringen, bietet es sich an auf Strategien der Klassifikation und Typenbildung zurückzugreifen, die in den Sozialwissenschaften etabliert (Sartori 1970; 1991; Collier und Mahon 1993; King et al 1994) sind und z.B. im Hinblick auf die Konzeptionalisierung von Demokratie (Collier und Levitsky 1994) und Autokratie (Albrecht und Frankenberger 2010) diskutiert wurden: Klassische Typebbildung, Radialkategorien und Familienähnlichkeiten. Im Beitrag werden diese Strategien durchgespielt und Ergebnisse verglichen. Diese können als Grundlage fpr eine Reformulierung des Konzeots "Rechtsextremismus" dienen.



Demokratischer Faschismus. Ein prozessualer Blick auf Faschismus im Präsens

Carolin Amlinger

Universität Basel, Schweiz

Der Vortrag diskutiert die analytische Tragfähigkeit des Faschismusbegriffs im Hinblick auf gegenwärtige politische Entwicklungen wie den Sturm auf das US-Kapitol im Jahr 2021 oder den Aufstieg Donald Trumps. Während einige Historiker:innen den Begriff inzwischen auf aktuelle autoritäre Bewegungen anwenden, wird zugleich vor einer inflationären Verwendung gewarnt, die seine historische Präzision untergräbt. Um den Faschismusbegriff für die Gegenwartsanalyse nutzbar zu machen, ohne ihn mit dem historischen Faschismus und Nationalsozialismus gleichzusetzen, schlägt der Vortrag vor, von demokratischem Faschismus zu sprechen. Dieser Begriff bezeichnet eine neue Konfiguration, in der faschistische Tendenzen nicht außerhalb, sondern innerhalb demokratischer Ordnungen entstehen, in ihnen operieren und deren Substanz unterminieren können. Anders als die historische Machtergreifung durch Gewalt und Parteidisziplin vollzieht sich dieser Prozess heute häufig im Normalbetrieb parlamentarischer Demokratien und in der Alltagskultur. Die Spannung zwischen Demokratie und Faschismus kann produktiv gemacht werden, um die scheinbare Banalität faschistischer Entwicklungen in Demokratien zu analysieren.



Der Begriff „(extreme) Rechte“ in der Präventionsarbeit

Alexandra Mehnert

Universität Leipzig, Deutschland

Die Wahl und Verwendung von Begriffen beeinflusst maßgeblich unsere Wahrnehmung sozialer und politischer Phänomene. Besonders deutlich wird dies beim Begriff der „(extremen) Rechten“, der zunehmend den sicherheitspolitisch geprägten Begriff „Rechtsextremismus“ in Politik-, Sozialwissenschaften und politischer Bildung ersetzt (Salzborn 2018; Salzborn/Quent 2019). Während der Begriff „Rechtsextremismus“ oft auf eine dichotome Vorstellung von „extremen Positionen“ an den „Rändern“ und „demokratischen Positionen“ in der „Mitte“ der Gesellschaft verweist (Backes/Jesse 1996; Jesse 2002), zielt der Begriff der „(extremen) Rechten“ darauf ab, menschenverachtende Einstellungen und Handlungen in ihrer gesamtgesellschaftlichen Verankerung zu analysieren (Decker/Bräher 2006; Zick/Mokros 2023).

Diese begriffliche Unterscheidung hat weitreichende Implikationen für präventive und bildungspolitische Praxis – insbesondere in der Ausstiegs- und Distanzierungsberatung im Kontext der „extremen Rechten“ (Bürgin 2021; Mehnert 2024). Der Beitrag setzt sich mit den theoretischen Grundlagen und praktischen Konsequenzen der begrifflichen Unterscheidung auseinander. Zentrale Fragen sind dabei:

• Welche theoretischen und empirischen Argumente sprechen für die Verwendung des Begriffs „(extreme) Rechte“ in der Präventionsarbeit?

• Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich daraus für die Ausstiegs- und Distanzierungsberatung?

Ziel des Beitrags ist es, durch eine theoretische Reflexion der Begriffsverwendungen differenzierte Perspektiven für eine praxisnahe Präventionsarbeit im Umgang mit der „(extremen) Rechten“ aufzuzeigen.



Die türkische extreme Rechte als staatsloyale Bewegung?

Ismail Küpeli

Ruhr-Universität Bochum, Deutschland

Die türkische extreme Rechte konnte seit ihrer Entstehung in den 1930er Jahren sowohl auf die Ideologie des türkischen Staatsnationalismus als auch an die Praxis der staatlichen Gewalt gegen nicht-türkische und nicht-muslimische Bevölkerungsgruppen anknüpfen. Weil Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungsnarrative und insgesamt ein völkisch-autoritäres Politikverständnis durch den Staat selbst ohnehin normalisiert waren, konnte sich der Rechtsextremismus als eine den Staat begleitende und unterstützende Bewegung etablieren. Auch die Transformationen des türkischen Rechtsextremismus sind mit Veränderungen der Staatsideologie eng verknüpft. Dies zeigt sich etwa bei der Etablierung und Durchsetzung der sogenannten Türkisch-Islamischen Synthese als die Brückenideologie, die es geschafft hat, weitgehend alle Strömungen der türkischen Rechten von der staatstragenden bis hin zu den randständigen zu vereinigen.

Diese Zusammenwirkung des türkischen Staates und der extremen Rechten bestimmte auch die Entstehung und Etablierung der türkischen extremen Rechten in Deutschland. Staatlich gelenkte Strukturen wie etwa der Moscheeverband Diyanet İşleri Türk İslam Birliği (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, DITIB) erleichterten ebenfalls die Etablierung der extremen Rechten, indem sie ein rechtskonservativ-nationalistisches Milieu konsolidierten, die viele Schnittstellen und Agitationsräume für den Rechtsextremismus bot. So verbreitete DITIB unter der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland die türkische Staatsideologie, auf den sich die Ideologie der extremen Rechten positiv beziehen kann. Im hiesigen Impulsbeitrag werden diese Verknüpfungen zwischen der extremen Rechten und dem rechten und nationalistischen Staat skizzert und adäquate Analysebegriffe debattiert.



Parallelbegriffe – Begriffsgeschichte und Bezugspunkte in der quantitativen Forschung

Mara Simon

Europa-Universität Flensburg, Deutschland

Der Vortrag geht der These nach, dass in der quantitativen Soziologie und Sozialforschung eine weitgehend entkoppelte Begriffsentwicklung zu beobachten ist. Während in frühen Studien zu (extrem) rechten Einstellungen – etwa Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches oder The Authoritarian Personality – qualitative Forschung, theoretische Reflexion und quantitative Methoden noch eng miteinander verflochten waren, operiert die zeitgenössische quantitative Forschung vielfach selbstreferenziell und ohne Rückbindung an theoretische oder qualitative Erkenntnisse. Anhand der historischen Entwicklung und Verwendung der Begriffe Rechtsextremismus, Autoritarismus und Populismus zeichnet der Vortrag unterschiedliche Pfade dieser begrifflichen Ablösung nach.

Diese Entwicklung ist aus zwei Gründen problematisch: Erstens prägt die öffentlichkeitswirksame quantitative Forschung maßgeblich das gesellschaftliche und politische Verständnis dieser Phänomene. Zweitens führt die entkoppelte Begriffsentwicklung zu einer verzerrten empirischen Erfassung und damit zu einer potenziellen Unterschätzung (extrem) rechter Einstellungen und Dynamiken.

Abschließend wird ein Vorschlag zur Diskussion gestellt, wie eine stärkere Integration unterschiedlicher Forschungstraditionen gelingen kann. Dabei werden auch die strukturellen Hürden thematisiert, die sich aus der Logik und Praxis quantitativer Forschung ergeben.



 
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