Sitzung | |
Sek29: Sektion Migration und ethnische Minderheiten, Sektion Stadt und Regionalsoziologie: "Migrations- und stadtsoziologische Perspektiven auf Ankunftsräume
Sitzungsthemen: Meine Vortragssprache ist Deutsch., Meine Vortragssprache ist Englisch.
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Zusammenfassung der Sitzung | |
Der Vortrag "Biographical Transitions in Arrival Spaces: Women from the Sinti and Roma Minority in Freiburg" wird auf Englisch gehalten. Alle anderen Vorträge der Veranstaltung sind auf Deutsch. | |
Präsentationen | |
‚Vor der bunten Tüte sind alle gleich‘ – Trinkhallen im Ruhrgebiet als glokalisierte Ankunftsräume. 1Universität Münster, Deutschland; 2Technische Universität Dortmund, Dortmund Der ‚Dreiklang‘ des Ruhrgebiets – Kohle, Stahl & Bier – hat einen kleinen, aber nicht unbedeutenden Zusatz: die Bude, auch Trinkhalle oder Kiosk genannt. Der Übergang Deutschlands von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, vom Nationalstaat zur Postmigrantischen Gesellschaft in einem Staatsverbund spiegelt sich so auch in der symbolischen Transformation der Bude im Ruhrgebiet wider. In unserem Beitrag verstehen wir Kioske als hybride Orte glokaler Verflechtung, an denen transnationale Migrationsdynamiken, lokale Ökonomien und städtische Sozialräume ineinandergreifen. Kioske erscheinen hierbei als sozioökonomisch und kulturell verdichtete Ankunftsräume, die eine doppelte Funktion erfüllen: Sie ermöglichen einerseits migrantische ökonomische Teilhabe durch kleingewerbliche Selbstständigkeit, andererseits fungieren sie als niedrigschwellige Begegnungsorte in heterogenen Stadtquartieren (auch für Neuankommende). Der Beitrag basiert auf Material aus dem Forschungsprojekt ‚Bude Inklusiv‘ und umfasst ethnographische Feldbegehungen, qualitative Interviews, quantitative Umfragen sowie sozialräumliche Analysen im Stadtgebiet Dortmund. Der Kiosk bietet für Betreibende eine unternehmerische Handlungsoption im Kontext limitierter Ressourcen, die gleichwohl mit hohem Arbeitsaufwand, ökonomischer Unsicherheit und sozialer Kontrolle einhergeht. Dennoch berichten viele Betreiber*innen von Selbstwirksamkeitserfahrungen und sozialer Anerkennung im unmittelbaren Quartierskontext. Kioske fungieren aber auch für migrantische Kund*innen als intermediäre soziale Räume. Informelle Praktiken – wie das Annehmen von Paketen, Übersetzungsleistungen, Wohnungsvermittlungen, Gespräche oder das ‚Anschreiben lassen‘ – kennzeichnen den Kiosk als alltagskulturelle Ressource innerhalb eines Stadtteils. Der Beitrag argumentiert, dass Kioske im Ruhrgebiet paradigmatische Orte für die Analyse von Ankunftsräumen darstellen. Sie zeigen, wie Migration Raum produziert, soziale Infrastruktur generiert und lokale Ökonomien transformiert. Kioske sind dergestalt nicht lediglich als Randphänomene des Einzelhandels zu begreifen, sondern als soziale Infrastrukturen einer sich wandelnden Migrationsgesellschaft und als resiliente, gleichwohl prekäre Ankunftsräume im Kontext städtischer Umbrüche. (Neue) Ankunftsräume unter Druck - Der Einfluss der politischen Rechten auf die Transition kommunaler Integrationspolitik am Beispiel Sachsens TU Chemnitz, Deutschland Rezeptivität beschreibt die Fähigkeit lokaler Gesellschaften, die Aufnahme von Geflüchteten mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen zu unterstützen und wird im Wesentlichen durch drei Dimensionen beschrieben: materielle Strukturen und Ressourcen, lokale Politik und Verwaltungspraxis sowie die soziale Struktur der Gesellschaft (Glorius, Bürer et al. 2021). Das Wechselspiel dieser Rahmenbedingungen prägt die Aufnahmefähigkeit lokaler Gemeinschaften. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf der kommunalen Integrationspolitik und -verwaltungspraxis. Da Integration sowohl Pflichtaufgaben als auch zahlreiche freiwillige Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung umfasst, ist die kommunale Integrationspolitik und -praxis stark vom politischen Willen, dem Handeln der lokalen Akteure sowie den finanziellen und materiellen Ressourcen abhängig. Die Wahrnehmung von freiwilliger Integrationsaufgaben kann somit als Indikator für die Proaktivität der Kommunen im Hinblick auf den Umgang mit Migration betrachtet werden (Schammann, Gluns et al. 2021). Empirische Daten unseres aktuellen Forschungsprojektes deuten darauf hin, dass rechte Parteien einen erheblichen (indirekten) Einfluss auf die kommunale Integrationspolitik in Sachsen ausüben. Auf lokaler Ebene gehen mit dieser Entwicklung eine Verunsicherung der Akteure, eine Schwächung der Integrationsstrukturen sowie unterschiedliche Bewältigungsstrategien einher. Vor dem Hintergrund früherer Forschungen zu Ankunftsräumen in Ostdeutschland reflektieren wir diese aktuellen Entwicklungen mit Hilfe des Rezeptivitätsmodells. Der vorliegende Beitrag ordnet sich ein in neuere Debatten der internationalen Migrationsforschung, zum direkten und indirekten Einfluss rechter Parteien auf die lokale Integrationspolitik und -praxis (Schyvens, Rossi et al. 2024; Caponio und Pettrachin 2023; Zapata‐Barrero 2024) sowie die Forschung zu "new arrival neighbourhoods" (El-Kayed, Bernt et al. 2020) und zur Aushandlung von Ankommensprozessen in kleinstädtischen und ländlichen Räumen (Bolzoni, Donatiello et al. 2022; Schneider 2022). Wir wollen dazu beitragen, das Wissen über die transformativen Dynamiken von Ankunftsorten in diesen räumlichen Kontexten zu vertiefen. Biographical Transitions in Arrival Spaces: Women from the Sinti and Roma Minority in Freiburg 1Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), Hildesheim/Holzminden/Göttingen; 2Eötvös Loránd University (ELTE), Budapest | National University of Political Studies and Administration, Romania This contribution examines arrival and participation experiences of women from the Sinti & Roma minority in Freiburg through the lens of Critical Race Theory. We approach diverse neighborhoods as dynamic arrival spaces where social infrastructure shapes biographical transitions and opportunities for social mobility. Based on narrative interviews with women aged 18-35, we reconstruct their educational biographies and analyze how they navigate, engage with, and potentially transform local institutional structures. The neighborhood Freiburg-Weingarten exemplifies the complex evolution of arrival spaces. Originally built as a large housing estate in the 1960s, it experienced vacancy in the 1990s before transforming through multiple migration waves: first labor migrants, then refugees from former Yugoslavia, followed by diverse migration movements from the 2000s onward. Recently recognized with the Baden-Württemberg State Prize for Building Culture 2024, the district represents a dense, functionally mixed arrival quarter with evolving social infrastructure. Our research reveals critical temporal dimensions of arrival processes and examines path dependencies that span generations. We find that historical structures and patterns continue to influence present participation opportunities across education, work, health, and social domains. The women's narratives demonstrate how institutional contexts can either facilitate or hinder integration, creating lasting effects that extend to their children's access to resources. The study highlights complex figurations between different "generations" and "groups" of arrivals in the neighborhood. These social dynamics manifest in resource allocation and usage patterns that reflect broader power structures. Our findings align with recent scholarship on arrival infrastructures (Meeus et al., 2019) and arrival spaces as sites of everyday bordering practices (Saunders, 2011; Hall et al., 2017). Our analysis contributes to theoretical debates on arrival spaces by examining the interplay between actors and structures over time. Unlike approaches that focus solely on spatial characteristics, we emphasize the temporal dimension of transitions within arrival contexts. The women's biographical narratives reveal how arrival spaces simultaneously represent opportunity structures and reproduce inequalities (Çağlar & Glick Schiller, 2018). Comparing Refugee Dispersal Policies: Varieties of Responsibility-Sharing in Europe 1Institut für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland; 2Universität Genf, Schweiz Many European countries are concerned about the asymmetric distribution of refugees within their territory. In response, they have developed sophisticated policies designed to spatially disperse refugees. These policies not only regulate refugees’ settlement rights but also influence the geography of immigration politics. Despite their importance, we lack a comprehensive understanding of such refugee dispersal policies (RDPs). This article addresses this gap by making three key contributions. First, we develop a conceptualization of RDPs as systems of sub-national responsibility-sharing in asylum governance based on five policy attributes and three ideal types of dispersal regimes. These policies seek to alter the ‘natural’ spatial distribution of asylum seekers and refugees by allocating them to particular places within the national territory. Second, we introduce a novel dataset capturing the dispersal policies of 32 European states, culminating in an original index measuring the restrictiveness of these policies. Third, we theorise states’ motivation for adopting refugee dispersal and examine factors driving cross-country variation in their restrictiveness. The analysis shows that the restrictiveness of RDPs is primarily a function of countries’ functional need to accommodate refugees and the institutional degree of subnational autonomy. Rezeption von Migration und die (Re-)Produktion von Ankunftsräumen in Duisburg-Hochfeld Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen e.V./Zentrum für Kultur, Universität Duisburg-Essen (unter Vorbehalt) Der Vortrag untersucht, inwiefern Ankunftsräume wie Duisburg-Hochfeld als Orte der (Re-)Produktion von sozialer Exklusion oder Teilhabe fungieren und welche Rolle stadtpolitische Interventionen, diskriminierende Praktiken und lokale Netzwerke dabei spielen. Konkret wird die Rolle repressiver und paternalistischer Praktiken – etwa durch kommunale Zwangsräumungen oder institutionellen Rassismus – in der Migrationssteuerung beleuchtet. Besondere Aufmerksamkeit gilt langfristigen Pfadabhängigkeiten, die durch migrationspolitische und soziale Dynamiken entstanden sind und die Struktur des Stadtteils maßgeblich prägen. Die empirische Grundlage bilden qualitative Methoden, darunter Interviews mit Bewohner*innen, lokalen Akteur*innen und Expert*innen, ergänzt durch ethnografische Beobachtungen. Zudem fließen Erkenntnisse aus den Forschungsprojekten „Diskriminierung jenseits der Kategorien“ (ADS, IAQ, Uni DUE) und „Aneignungskonflikte in mischungsorientierten Stadtentwicklungsprozessen“ (Uni DUE, DFG) sowie community-übergreifende Erfahrungen aus der fünfjährigen gemeinwesenorientierten Arbeit im Zentrum für Kultur Hochfeld ein. Schließlich wird die Rolle stadtentwicklungspolitischer Programme wie dem integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) und der Internationalen Gartenausstellung 2027 (IGA 2027) analysiert, die eine städtebauliche Aufwertung, bei gleichzeitiger Verdrängung von störenden „Elementen“, forcieren. Inwiefern beeinflussen sie die Wahrnehmung von Migration und soziale Figurationen in Hochfeld? Welche Handlungsmöglichkeiten bieten sich für politische Akteur*innen, zivilgesellschaftliche Initiativen und migrantische Selbstorganisationen? Der Vortrag leistet einen Beitrag zur Debatte über Ankunftsräume als Orte der Aushandlung von sozialer Teilhabe und Exklusion. Durch die Analyse der komplexen Wechselwirkungen zwischen etablierten Bewohner*innen, migrantischen Gruppen sowie staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen sollen die Herausforderungen und Potenziale dieser Räume als Orte sozialer Transformation und „Aufwertungen“ aufgezeigt werden. Dabei wird untersucht, wie Migration, stadtpolitische Interventionen und lokale Netzwerke die soziale Integration und Marginalisierung von Migrant*innen prägen und welche Handlungsmöglichkeiten für politische und zivilgesellschaftliche Akteur*innen bestehen. Wittenberg ist nicht Paris! Zum Einfluss der Stadt auf das Erleben von Vielfalt Ruhr Universität Bochum Mit diesem Vortragsvorschlag greife ich das Thema Rezeption von Migration (Wie verändert die Herausbildung von Ankunftsräumen Wahrnehmungen und das Verhalten bereits etablierter Bevölkerungsgruppen?) des Calls auf. Dieser Beitrag fragt einerseits, welche Eindrücke die zunehmende Vielfalt bei Stadtbewohnern hinterlässt, also wie sie diese Vielfalt erleben, und andererseits, wie sich Unterschiede im Erleben urbaner Vielfalt erklären lassen, insbesondere welche individuellen Lebensumstände und Eigenschaften sowie stadträumlichen Kontextbedingungen dieses Erleben urbaner Vielfalt beeinflussen. Der Beitrag setzt neue Akzente, indem er urbane Diversitätserfahrungen als zu erklärendes Phänomen in den Mittelpunkt stellt. Diese Diversitätserfahrungen speisen sich aus dem alltäglichen Erleben, das sich überwiegend lokal in der bewohnten Stadt abspielt. Mit diesem Perspektivwechsel werden gleich mehrere Kritikpunkte bisheriger Studien angesprochen. Erstens werden die räumliche Gebundenheit und der Bezug auf alltägliche Gewohnheiten, d.h. die Lebenswelt der Menschen, starker akzentuiert. Zweitens handelt es sich um Erfahrungen und gelebte Praxis aller Menschen in diversen, komplexen Gesellschaften, nicht um eine starre Insider-Outsider-Trennung zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Dies eröffnet die Möglichkeit, das Erleben zunehmender urbaner Vielfalt aus der Perspektive von allen Stadtbewohnern zu beschreiben. Damit gelingt eine Darstellung einer in Verschiedenheit vereinten anstatt einer polarisierten Stadtgesellschaft. Drittens wird die Eindimensionalität von xenophoben Einstellungen aufgebrochen. Da sich das Erleben urbaner Vielfalt aus mannigfaltigen Eindrücken und Begegnungen mit verschiedenen Menschen und ganz unterschiedlichen Handlungssituationen speist, wird angenommen, dass es ambivalent ist. D.h. Vorteile und Nachteile urbaner Vielfalt können von einer Person gleichzeitig und in unterschiedlichem Ausmaß erlebt werden. Empirisch greife ich auf Daten des Surveys Diversity Assent (DivA) zurück, der 2019/20 im Auftrag des MPI Göttingen erhoben wurde. In 20 deutschen Mittel- und Großstädten sind etwa 2900 Personen zu ihrem Diversitätserleben befragt worden. Es zeigt sich, dass vor allem individuelle Lebensumstände die Diversitätserfahrungen prägen. |