Sitzung | |
Sek5: Sektion Bildung und Erziehung : "Transitionen im deutschen Bildungsföderalismus"
Sitzungsthemen: Meine Vortragssprache ist Deutsch.
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Zusammenfassung der Sitzung | |
Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten. | |
Präsentationen | |
Bedarfsorientierte Ressourcensteuerung in Kommunen: Ungleiche Verteilung unter ungleichen Bedingungen Ruhr-Universität Bochum, Deutschland Herkunftsbedingte Ungleichheiten sind national wie international über alle Bildungsetappen hinweg empirisch belegt. Neben primären und sekundären Herkunftseffekten (Boudon 1974) tragen auch sozialräumliche Faktoren und soziale Segregation zur Reproduktion dieser Disparitäten bei (z.B. Baumert et al. 2006; Helbig 2010; Jeworutzki et al. 2017). Bedarfsorientierte Ressourcensteuerung, die Bildungseinrichtungen in benachteiligten Lagen zusätzliche Mittel zuweist, gilt als ein zentrales Instrument zur Reduzierung von Bildungsbarrieren und gewinnt auch auf kommunaler Ebene an Bedeutung. Internationale Studien zeigen, dass die Zuweisungskriterien für die Wirksamkeit entscheidend sind (Franck & Nicaise 2022). Für Deutschland fehlt eine systematische Analyse zur konkreten Umsetzung, zu Steuerungslogiken und Wirkungen solcher Verfahren. Im deutschen Bildungsföderalismus übernehmen Kommunen eine komplexe Rolle zwischen Verwaltung, Finanzierung, Zuweisung und Koordination. Dabei entstehen Spannungsfelder, in denen nicht nur Ressourcen verteilt, sondern auch Bildungsbedarfe verhandelt und definiert werden. Der Beitrag untersucht die Genese und Praxis bedarfsorientierter Ressourcensteuerung in vier kontrastiv ausgewählten Großstadtkommunen. Im Fokus steht: Welche zusätzlichen Ressourcen erhalten Schulen in benachteiligter Lage? Auf welchen Grundlagen basieren diese Entscheidungen? Welche Akteur*innen sind beteiligt und welche Handlungslogiken lassen sich identifizieren? Grundlage ist eine qualitative Interviewstudie im BMBF-Projekt „Abbau von Bildungsbarrieren durch bedarfsorientierte Ressourcensteuerung“. In vier Kommunen wurden Interviews mit durchschnittlich acht kommunalen Akteur*innen geführt, die direkt oder indirekt in Entscheidungsprozesse involviert sind. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring 2007). Die Ergebnisse zeigen unterschiedliche Entstehungskontexte, institutionelle Bedingungen und Steuerungslogiken. Gesetzliche Vorgaben, Förderprogramme und Finanzierungsstrukturen bedingen Handlungsspielräume. Die Mittelvergabe folgt strategischen wie pragmatischen Logiken und basiert auf Sozialindikatoren, Vor-Ort-Wissen, individuellen Anfragen oder ressortübergreifender Abstimmung. Der Beitrag diskutiert kommunale Steuerungspraktiken und macht Spannungsfelder zwischen politischen, administrativen und lokalen Steuerungslogiken sichtbar. Schulinfrastruktur in der Krise: Herausforderungen und Handlungsbedarfe der Kommunen Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), Deutschland Die Bedeutung von Schulgebäuden für Bildungsprozesse sowie die Rolle der kommunalen Schulträger bei der Bereitstellung der schulischen Infrastruktur wurden lange vernachlässigt. Erst seit einigen Jahren wächst das Interesse am Zusammenspiel von Pädagogik und Architektur sowie den damit verbundenen strukturellen Herausforderungen (Nikolai et al., 2019). Anstoß geben Berichte über marode Schulen, Schulplatzmangel infolge hoher Schülerzahlen sowie notwendige Neu- und Umbaumaßnahmen im Rahmen des künftigen Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung. Laut Studien der KfW-Bank lag der Investitionsrückstand in der Schulinfrastruktur zuletzt bei 55 Mrd. Euro – mit regionalen Unterschieden (Raffer/Scheller, 2024). Zur Schaffung förderlicher Lernumgebungen wurden verschiedene Förderprogramme aufgelegt, etwa durch das seit 2015 geltende Kommunalinvestitionsförderungsgesetz oder im Kontext des Startchancen-Programms ab dem Schuljahr 2024/25. Dennoch fehlen fundierte Erkenntnisse über Bedarfe vor Ort und kommunale Herausforderungen. Hier setzt der Vortrag an und präsentiert Ergebnisse einer Online-Befragung kommunaler Schulverwaltungen, die im Rahmen des BMBF-Projekts ABBAUBAR im Jahr 2023 durchgeführt wurde. Es liegen Daten aus 55 kreisfreien Städten, 116 Landkreisen und 27 kreisangehörigen Städten und Gemeinden vor. Die Ergebnisse zeigen: Fast die Hälfte der Kommunen hat nicht genug Schulplätze – besonders betroffen sind kreisfreie Städte. Reagiert wird mit Erweiterungs- und Neubauten sowie Übergangslösungen. Hochgerechnet ergibt sich ein bundesweiter Bedarf von rund 2.000 Schulneu- und Erweiterungsbauten bis 2030, von denen nur 72% realistisch umsetzbar erscheinen. Im Bereich Sanierung sind durchschnittlich 46% aller Schulgebäude bis 2030 sanierungsbedürftig – insbesondere in finanzschwachen Kommunen. Finanzielle Engpässe gelten als zentrales Hemmnis. Organisatorische Aspekte, wie die Konzeptentwicklung oder Gewinnung von Fachpersonal, spielen eine untergeordnete Rolle. Die Ergebnisse verdeutlichen: Schulbau und -sanierung sind zentrale kommunale Herausforderungen. Bestehende Förderprogramme reichen nicht aus, um tragfähige Lösungen zu sichern. Ob das Startchancen-Programm Abhilfe schafft, sollte künftige Forschung klären. Der Beitrag liefert eine empirische Grundlage für bildungssoziologische Analysen zur sozialen Dimension der Schulinfrastruktur und kommunalen Steuerung. Schulische Entwicklung und Handlungskoordination zwischen Land und Kommune Justus-Liebig-Universität Gießen, Deutschland Spätestens mit dem PISA-Schock 2001 sind die bildungspolitischen Anforderungen an Schulen gestiegen, die im Zuge einer Umsteuerung des Schulsystems mit neuen Bildungsreformen und Steuerungsmaßnahmen wie Schulinspektionen, zentralen Abschlussprüfungen, Bildungsstandards, Lernstandserhebungen usw. konfrontiert wurden. Gleichzeitig veränderten sich im Zuge des demografischen Wandels schulische Umwelten. Verschärft wurde diese herausfordernde Situation durch die Corona-Pandemie. Beteiligt sind an den Koordinationsprozessen dieser Umstände Akteure unterschiedlicher Ebenen des schulischen Mehrebensystems wie Kultusministerien, Landesinstitute, Schulaufsichten, Schulträger und die einzelnen Schulen. Deren Verhältnis untereinander, insbesondere das Verhältnis der politischen und administrativen Akteure gegenüber den Einzelschulen, wird häufig als hierarchisch erachtet. Unter Berücksichtigung von Machtverhältnissen im Bildungssystem sind schulische Akteure jedoch jene, die die Leistung des Schulsystems erbringen. Dieser Beitrag löst sich von einem hierarchischen Verständnis des Schulsystems und diskutiert mit einem feldtheoretischen Ansatz nach Pierre Bourdieu aus schulzentrierter Perspektive schulische Handlungsstrategien im Umgang mit staatlichen Steuerungsmaßnahmen und regionalen Wandlungsprozessen (vgl. Gromala 2019). Dabei bietet er auch schulzentrierte Erklärungen zu schulinternen intendierten und nicht-intendierten Folgen und adressiert die Rollen staatlicher und regionaler Akteure wie Schulaufsichten und Schulträger. Der Beitrag stützt sich auf empirische Daten und Ergebnisse aus zwei BMBF-Verbundprojekten („Schulinspektion als Steuerungsimpuls“, 2010-2013, und „Funktionen von Schulinspektionen“, 2013-2016) zur Implementierung von Schulinspektionen in vier Bundesländern (vgl. Böhm-Kasper et al. 2016; Brüsemeister et al. 2016). Es werden bildungspolitische Maßnahmen und Akteure als schulisches Feld rekonstruiert, während Schulregionen als regionale Felder mit eigenen Logiken verstanden werden (vgl. Gromala 2019). Der Beitrag analysiert das je unterschiedliche Verhältnis von Schulen zu staatlichen Impulsen auf der einen sowie regionalen Impulsen auf der anderen Seite und veranschaulicht die jeweils differierenden schulischen Strategien gegenüber diesen Umwelten und ihren Akteuren sowie deren Auswirkungen auf schulische Entwicklung und Handlungskoordination. Wirksame Einbindung von offenen Bildungsmaterialien (OER) im Mehrebenensystem Berufliche Bildung – Schulträger als Schnittstellenakteure im Spannungsfeld von Landesvorgaben und Bedarfen berufsbildender Schulen Universität Duisburg-Essen, Deutschland Die Einbindung von OER in die Bildungslandschaft soll eine inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung für alle Menschen gewährleisten (vgl. Agenda Bildung 2030). Studien zeigen jedoch, dass sich die Rahmenbedingungen für die Einbindung von OER in berufsbildenden Schulen zwischen den Bundesländern unterscheiden. Dies betrifft sowohl die Digitalisierung in der Bildung allgemein als auch spezifisch die Strukturen, Entscheidungsbefugnisse, Qualitätssicherung und thematische Schwerpunkte für einen wirksamen Einsatz von OER (Grimm/Rödel 2018/2019). Gleichzeitig werden ein geringes Wissen über OER (Wikimedia Deutschland e. V. 2015) und Forschungsdefizite konstatiert. Einige Studien weisen auf die Potenziale von OER mit Blick auf unterschiedliche Berufsbildungsinhalte hin (Bettray 2014). Das Projekt „Digitalisierungsmanagement für berufsbildende Schulen (DiMaBBS)“ fokussiert die bisher wenig beleuchteten Funktionen von Schulträgern der berufsbildenden Schulen (BBS) in Landkreisen im deutschen Bildungsföderalismus (Fischer et al. 2023, Hackstein/Fischer 2024) im Rahmen der OER-Strategie des BMBF. Ihre Rolle bei der Implementierung von OER zur Gestaltung bedarfsorientierter (Berufs)Bildungsprozesse für Schüler*innen mit heterogenen Bedarfen am Übergang von der Schule in die Arbeitswelt wird dabei vertiefend beleuchtet. In Anlehnung an das Forschungsparadigma des „Design-Based-Research“ (DBR) (vgl. Anderson/Schattuck 2012; Euler/Sloane 2014; Ratermann-Busse 2023) steht eine iterativ-zyklisch angelegte Kollaboration zwischen Wissenschaft und Praxis im Vordergrund. Im Beitrag werden erste Ergebnisse einer Dokumentenanalyse, einer Onlinebefragung und von Experteninterviews mit Schulträgern vorgestellt, die ihre Schnittstellenfunktion für eine mehrdimensionale Organisationsentwicklung sowohl innerhalb der Kreisverwaltung als auch in Zusammenarbeit mit BBS und anderen Akteuren (bspw. IT-Dienstleister, Schulaufsicht) in der kommunalen Bildungslandschaft verdeutlichen. Dabei sind Schulträger in Akteurskonstellationen einerseits für die Umsetzung landesseitiger Vorgaben zuständig und beteiligen sich andererseits an der Digitalisierung von BBS. Die Erkenntnisse geben einen ersten Eindruck zu Gelingensbedingungen, Handlungsbedarfen und Engpassfaktoren für die Gestaltung von Digitalisierungsprozessen sowie Problematiken des Mehrebenen-Transfers. |