Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Sitzung
AdH110: Zwischen Pathologisierung und Empowerment: Jugend, Geschlecht und Gesundheit in gesellschaftlichen Übergängen
Zeit:
Freitag, 26.09.2025:
9:00 - 11:45

Chair der Sitzung: Julia Wustmann, TU Dortmund
Chair der Sitzung: Anne Rauber, Hochschule Bielefeld
Chair der Sitzung: Anike Krämer, TU Dortmund
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


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Präsentationen

Die soziale Konstruktion von Alterskategorien in der gesetzlichen Krankenversicherung

Ronja Friedl

Universität Luzern

Altersdifferenzierungen wie „Kinder“, „Jugendliche“ oder „Erwachsene“ finden sich in der Regulierung psychotherapeutischer Versorgung im Rahmen gesetzlicher Krankenversicherungen wieder. In meinem Konferenzbeitrag stelle ich Ausschnitte aus meinem Dissertationsprojekt vor, in dem ich die Praxis der Regulierung der Psychotherapie untersuche und herausstelle, dass Altersdifferenzierung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ich verstehe die Verfahren zur Ausgestaltung der gesetzliche Krankenversicherung dafür als empirisch Kontext. Das bedeutet, dass ich von einem konstruktivistischen Verständnis von Alterskategorien ausgehe und mich konkret dafür interessiere, wie diese in organisierten Entscheidungsverfahren sozial verhandelt und festgehalten werden. Dafür nehme ich Bezug auf Beiträge, die Politik als soziale Praxis verstehen, sowie Einsichten zu Kategorisierungsprozessen. Neben der Darstellung meines konzeptionellen Ausgangspunktes, möchte ich für den thematischen Fokus der Ad-Hoc Gruppe insbesondere erste empirische Einsichten vor dem Hintergrund aktueller epidemiologischer Befunde zu geschlechtsspezifisch ungleichen Prävalenzen psychischer Erkrankungen bei Jugendlichen zur Diskussion stellen. Es stellt sich die Frage, ob und wie Alterskategorien in Entscheidungsverfahren zur Ausgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung auch vergeschlechtlicht ausgedeutet werden. Dafür fokussiere ich auf die Analyse des Bewertungsverfahrens zur systemischen Psychotherapie für Kinder und Jugendliche (G-BA, 2021–2024) sowie erste explorative Expert:inneninterviews.



One Pill, many uses: Ambivalenzen der Verhütungsarbeit von Mädchen

Anne Rauber

Hochschule Bielefeld

Wann der Zeitpunkt für Kinder im Leben ist und ob überhaupt Kinder Teil der Lebensplanung sein sollen, können Menschen (mit vielen Ausnahmen aber doch größtenteils) individuell entscheiden. Dass Kinder jedoch in der Jugend unter keinen Umständen Teil des Lebens sein sollten, ist eine klare, normative Anweisung an Jugendliche (vgl. McRobbie 2016, S. 116.). Die staatliche Förderung von Verhütungsmitteln, insbesondere der Pille für Mädchen und junge Frauen kann als ein neoliberaler Anreiz verstanden werden, ihre Arbeitskraft, Produktivität und die Teilhabe an der Konsumkultur so lange wie möglich zu wahren (vgl. ebd., S. 115). Über den Aspekt der Verhütung hinaus, fungiert die Pille jedoch auch zunehmend als ein ‚Life-Style-Produkt‘, durch das Mädchen die vergeschlechtlichten Anrufungen an ihren ‚perfekten‘ adoleszenten Körper gerecht zu werden versuchen (vgl. Hark/Villa 2016: IX).). Gleichzeitig geht die Nutzung der Pille jedoch auch zurück und Mädchen und junge Frauen denken immer kritischer über diese und die Nebenwirkungen der Pille nach (vgl. Scharmanski/Hessling 2021: 4).). Die Pille ermöglicht sowohl sexuelle Selbstbestimmung und gefährdet gleichzeitig die reproduktive Gesundheit von Mädchen und jungen Frauen. In meiner Forschung bin ich der Frage nachgegangen, wie Mädchen mit der vergeschlechtlichen Verantwortung und Zuständigkeit für Verhütung umgehen (Rauber 2024). In meinem Beitrag arbeite ich heraus, dass Mädchen durch ihre Verhütungsarbeit bereits in ihrer Jugend in die geschlechtliche Arbeitsteilung eingebunden sind.

Literatur:

Hark, Sabine; Villa, Paula-Irene (2016): Felder und Formen von Feminität und Feminismus– Zur Neuausgabe. In: McRobbie, Angela (Hrsg.): Top Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS, S. V–XV.

McRobbie, Angela (2016): Top Girls: Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS Verlag.

Rauber, Anne (2024): Caring Girlhood – Verhütung als Sorgearbeit von Mädchen. Reihe Geschlecht & Gesellschaft, Bd. 85. Wiesbaden: Springer VS.

Scharmanski, Sara; Hessling, Angelika (2021): Im Fokus: Die Pille. Jugendsexualität 9. Welle. BZgA-Faktenblatt. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:fb_JUS9_Pille.



Sexualisierte Peer-Gewalt in der Lebensphase Jugend - Besonderheiten, geschlechtsspezifische Perspektiven und Prävention

Katharina Stein

ohne Organisation

Sexualisierte Peer-Gewalt ist ein weit verbreitetes Phänomen im Jugendalter und umfasst ein Spektrum von verbaler Belästigung bis hin zu körperlichen Übergriffen. Empirische Befunde weisen auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Betroffenheit hin: Besonders weibliche und queere Jugendliche sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, unterschiedliche Formen sexualisierter Peer-Gewalt zu erleben (vgl. Hofherr 2017: 10f.; Maschke/Stecher 2022: 42; Erkens et al. 2021: 7). Die damit einhergehenden gesundheitlichen Folgen – etwa Angst, Scham, Schlafstörungen oder selbstschädigendes Verhalten – verdeutlichen die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen (vgl. Maschke/Stecher 2022: 102ff.).

Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich untersucht, welchen Beitrag Präventionsangebote aus Sicht von Fachkräften zur Verringerung sexualisierter Peer Gewalt leisten können. Die Ergebnisse zeigen, dass eine wirksame Prävention die (geschlechtsspezifischen) Herausforderungen der Lebensphase Jugend sowie die Besonderheiten des Phänomens der sexualisierten Peer-Gewalt berücksichtigen muss. Der Vortrag greift diese Aspekte auf und beleuchtet geschlechtsspezifische Unterschiede im Erleben und Ausüben sexualisierter Peer-Gewalt. Darüber hinaus wird ein zentrales Forschungsdesiderat aufgegriffen, das die Frage betrifft, wie Jugendliche sexualisierte Peer-Gewalt aus ihrer eigenen Perspektive erleben, einordnen und bewerten.

Literatur:

Erkens, Christiane; Scharmanski, Sara; Hessling, Angelika (2021): Prävalenzen sexualisierter Gewalt. Jugendsexualität 9. Welle. BZgA-Faktenblatt. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. URL: https://shop.bzga.de/pdf/13316313.pdf [Stand 13.07.2024]

Hofherr, Stefan (2017): Wissen von Schülerinnen und Schülern über sexuelle Gewalt in pädagogischen Kontexten. Kurzbericht über zentrale Ergebnisse. München: Deutsches Jugendinstitut e.V.

Maschke, Sabine; Stecher, Ludwig (2022): „Ich habe so etwas erlebt – und will es nie wieder“. Sexualisierte Gewalt aus der Perspektive Jugendlicher: Fakten, Einordnungen, Prävention. Weinheim/Basel: Beltz.



Wissenssoziologische Analysen im Kontext von Long-Covid

Stephan Weihrauch

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Im Mittelpunkt des Beitrags steht Long-Covid als gesellschaftlich umkämpftes Deutungs- und Handlungsfeld, das exemplarisch für das Spannungsverhältnis zwischen Pathologisierung und Empowerment steht. Aus wissenssoziologischer Perspektive (Mannheim) wird untersucht, wie

unterschiedliche soziale Gruppen – insbesondere junge Erwachsene – spezifische Deutungsmuster und Orientierungsrahmen zu Long-Covid ausbilden. Dabei wird der Fokus nicht auf die Mechanismen als Krankheit gerichtet, sondern auf die Frage, in welchen sozialhistorisch situierten

Seinslagerungen Long-Covid als sinnvolle Erklärung für bestimmte Körpererfahrungen und biografische Brüche apostrophiert und plausibilisiert wird.

Long-Covid fungiert in diesem Kontext als Projektionsfläche widerstreitender Wissensformen und Anerkennungsansprüche. Die Analyse zeigt, wie sich individuelle Erfahrungen – etwa Fatigue oder kognitive Einschränkungen – in gesellschaftlich vermittelten Sinnstrukturen verankern: zwischen dem Bedürfnis nach Anerkennung, gesundheitspolitischer Regulierung und geschlechtsspezifischen

Zuschreibungen.

Die empirische Grundlage bilden zehn offene Leitfaden-Interviews mit Informantinnen und Informanten im Alter von 20 bis 34 Jahren, die im Rahmen eines Lehrforschungsseminars (Ende 2022/Anfang 2023) gef¸hrt wurden. Die meisten Befragten verfügen nicht über eine formale Diagnose, erleben jedoch langfristige gesundheitliche Einschränkungen und bringen diese mit Long- Covid in Zusammenhang. Methodologisch basiert der Beitrag auf Annahmen der praxeologischen

Wissenssoziologie. Ziel ist es, Long-Covid als Ausdruck soziokultureller Aushandlungen von Gesundheit, Subjektivität und gesellschaftlicher Positionierung in einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Brüche und sozialer Übergänge zu fassen.

Auf der einen Seite kann Long-Covid Subjektivierungsgenerator in einem wechselvollen, aufstiegsambitionierten Lebensverlauf karriereorientierter Frauen sein und mit therapeutischen Deutungsmustern zu Achtsamkeit und Authentizität konvergieren. Auf der anderen Seite wird durch und über Long-Covid die Schicksalhaftigkeit der Krankenkarriere und Biographie und das (vorzeitige) Ende eines zukunftsgerichteten Lebensentwurfs vorgeführt, die für junge Frauen im ländlichen Raum in das traditionelle geschlechtliche Rollenmuster sozialisiert.



Zwischen Vulnerabilität und Widerstand: (Verkörperte) Erfahrungen von trans* Personen im Elternhaus

Leah Petersen

Universität Bonn

In Deutschland nimmt die Diskriminierung queerer Menschen zu, besonders die Hasskriminalität gegen trans* Personen ist hoch wie nie (vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024, S. 11). Vor dem Hintergrund dieser gesellschaftlichen Entwicklungen kann das private Wohnumfeld für trans* Menschen einen zentralen Rückzugsort bieten, allerdings sehen sich besonders junge trans* Personen in ihrem Elternhaus mit trans*feindlichem Verhalten konfrontiert (vgl. Morrow et al. 2023). Trans* Personen sind aufgrund ihrer Diskriminierungserfahrungen besonders anfällig für Stress, Traumata, Drogenkonsum, Angststörungen, Depressionen und Suizidalität (vgl. McCann et al. 2021, S. 90).

Im Rahmen meines Dissertationsprojekts untersuche ich die Diskriminierungserfahrungen von trans* Personen im Elternhaus. Neben narrativen Interviews werden Body Mapping Workshops in Kleingruppen mit erwachsenen trans* Personen durchgeführt, die verdeutlichen, inwiefern sich diese meist traumatischen Erfahrungen in der Kindheit und Jugend in die Körper der Personen einschreiben (vgl. van der Kolk 2014, S. 3). Dabei zeigt sich, wie trans* Personen und ihre Körper in einem ständigen Aushandlungsprozess mit dem sozialen Wohnumfeld im Elternhaus stehen und wie ihre Körper auf diese Weise selbst zu essentiellen Räumen der (täglichen) Aushandlung, des Kampfes und des Widerstands werden.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium des Innern und für Heimat (2024): Bundesweite Fallzahlen 2023 Politisch motivierte Kriminalität. Fact Sheet 21.05.2024.

McCann, Edward/Brown, Michael J. (2021): Homeless experiences and support need of transgender people: A systematic review of the international evidence. In: Journal of Clinical Nursing (1), 85 - 94. doi: 10.1111/jonm.13163.

Morrow, Quin J./McGuire, Jenifer K. (2023): A Qualitative Inquiry of Associations Between Family Environment and Suicidality for Transgender Youth Experiencing Homelessness. In: Journal of Adolescent Research (1), 196-233. doi: 10.1177/07435584231163191.

Van der Kolk, Bessel (2014): The Body keeps the score. Penguin Books.



 
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