Teurer Wohnen? Wohnkostenbelastung im Lebensverlauf aus der intersektionalen Perspektive
Laura Romeu Gordo, Nadiya Kelle
Deutsches Zentrum für Altersfragen, Deutschland
Zu den existenziellen Grundbedürfnissen des Menschen gehört das Wohnen. Doch mit dem deutlichen Anstieg der Immobilienpreise und Mieten stellt sich die Frage, ob ein sorgenfreies Wohnen in Deutschland für alle und in jeder Lebensphase noch selbstverständlich ist.
Vor diesem Hintergrund nimmt dieser Beitrag die Wohnkostenbelastung im Lebensverlauf in den Blick – mit besonderem Fokus auf Ungleichheiten zwischen sozio-ökonomischen Gruppen sowie intersektionalen Ungleichheiten. Im ersten Schritt betrachten wir anhand der SOEP-Daten und mithilfe von Wachstumskurvenmodellen die Unterschiede in der Wohnkostenbelastung zwischen Mieter*innen und Eigentümer*innen im Lebensverlauf, differenziert nach Haushaltstypologie, Einkommensgruppe, Migrationsstatus und regionalem Kontext. Im zweiten Schritt rücken wir mithilfe der MAIHDA-Methodologie die Intersektionalität stärker in den Fokus und analysieren, welche Kombinationen sozio-ökonomischer Merkmale als Risikofaktoren für eine erhöhte Wohnkostenbelastung identifiziert werden können.
Die Ergebnisse zeigen, dass Mieter*innen in jeder Lebensphase im Durchschnitt eine höhere Wohnkostenbelastung tragen als Eigentümer*innen. Ihr Belastungsprofil bleibt bis zum Rentenalter relativ stabil und steigt danach an. Eigentümer*innen hingegen weisen die höchste Wohnkostenbelastung vor dem 40. Lebensjahr auf; danach sinkt sie, sodass die Unterschiede zwischen Mieterinnen und Eigentümer*innen mit steigendem Alter zunehmen. Zudem zeigt sich, dass bestimmte soziale Gruppen besonders belastet sind: Mieter*innen mit niedrigem Einkommen, in Städten, alleinlebende Frauen sowie Personen mit Migrationshintergrund überschreiten teils im Alter die 30 %-Belastungsgrenze.
Aus intersektionaler Perspektive wird deutlich, dass insbesondere alleinlebende, ältere Mieterinnen mit niedriger Bildung überdurchschnittlich stark betroffen sind. Dagegen sind beispielsweise hochgebildete Paare mit Wohneigentum in keiner Lebensphase mit einer hohen Wohnkostenbelastung konfrontiert. Seit 2010 zeigt sich zudem, dass Eigentümer*innen noch besser dastehen, während einzelne Mieter*innengruppen, wie etwa alleinstehende, ältere Frauen, seither noch stärker belastet sind.
Diese Befunde verdeutlichen, dass Wohnkostenbelastung im Lebensverlauf nicht nur ungleich verteilt ist, sondern sich entlang intersektionaler Linien sozialer Benachteiligung zunehmend verschärft.
Dynamik der Wohnkostenbelastung nach (kritischen) Lebensereignissen in Deutschland
Alberto Lozano Alcántara, Ulrike Ehrlich
Deutsches Zentrum für Altersfragen, Deutschland
Die Wohnkostenbelastung - also der Anteil des verfügbaren Einkommens, der für die Deckung der Wohnkosten aufgewendet wird - ist in den letzten Jahren vor allem in den Städten und Ballungszentren stark gestiegen. Bisherige Studien konzentrierten sich vor allem auf interindividuelle Gruppenunterschiede in der Wohnkostenbelastung sowie deren zeitliche Entwicklung. Aus einer lebensverlaufstheoretischen Perspektive bleibt dabei jedoch die intraindividuelle Dynamik in der Wohnkostenbelastung unberücksichtigt. Verschiedene Lebensverlaufsereignisse und -übergänge gehen mit Veränderungen in ökonomischen Lebensbedingungen, im Wohnraumbedarf und in der räumlichen Mobilität einher, die die Wohnkostenbelastung beeinflussen können. Darüber hinaus ist im Sinne der Intersektionalitätstheorie anzunehmen, dass diese Prozesse für verschiedene soziale und sozioökonomische Gruppen unterschiedlich verlaufen.
In diesem Beitrag untersuchen wir, wie sich Lebensverlaufsereignisse und -übergänge – etwa Partnerschaftsbildung, Erstelternschaft, Trennung, Arbeitsplatzverlust, Ruhestand oder Verwitwung – auf intraindividuelle Veränderungen der Wohnkostenbelastung auswirken, differenziert nach Geschlecht, Migrationsgeschichte und sozioökonomischem Status.
Zur Beantwortung unserer Forschungsfrage analysieren wir Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP, 1992-2022) mittels längsschnittlichen Analysenverfahren.
Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass eine (Familien-)Trennung mit einem Anstieg in der Wohnkostenbelastung verbunden ist, wobei dieser Effekt bei Frauen stärker und andauernder ist als bei Männern. Gleichzeitig führt der Arbeitsplatzverlust zu einem Anstieg in der Wohnkostenbelastung, wobei dieser Effekt mit der Dauer der Arbeitslosigkeit weiter zunimmt.
Zudem zeigen die vorläufigen Ergebnisse, dass Wohnkostenbelastungsverläufe je nach Lebensverlaufsereignis/-übergang und sozialer Gruppenzugehörigkeit variieren und damit zur (Re)Produktion sowie Verstärkung sozialer Ungleichheiten beitragen können. In einem nächsten Schritt werden weitere Übergänge einbezogen und untersucht, ob sich diese Verläufe auch über historische Zeiträume hinweg verändern.
Die ungleiche Verteilung von Wohnraum in Deutschland
Simon Voß
John F. Kennedy Institut, Deutschland
Eine zentrale, aber untererforschte Dimension der Neuen Wohnungsfrage ist die unzureichende Versorgung von Haushalten mit angemessenem Wohnraum. Unser Forschungsprojekt zielt darauf ab, das Ausmaß von Unter- und Überversorgung mit Wohnfläche systematisch zu erfassen. Zudem untersuchen wir sowohl individuelle als auch strukturelle Faktoren, die diese Ungleichverteilung begünstigen. Schließlich identifizieren wir jene soziodemografischen Gruppen, die ein besonders hohes Risiko haben, in beengten Wohnverhältnissen zu leben. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein erhebliches Potenzial für eine bessere Wohnraumverteilung besteht – etwa, indem Haushalte mit besonders viel Wohnfläche durch gezielte Anreize zu einem Umzug in kleinere Wohnungen motiviert werden.
Die Wohnungsmarktkrise in der fragmentierten Gesellschaft
Rolf Heinze1, Sebastian Kurtenbach2
1Ruhr-Universität Bochu, Deutschland; 2FH Münster, Deutschland
Wohnen ist in Deutschland wieder zur sozialen Frage geworden. Immer mehr Menschen finden kaum noch angemessenen und bezahlbaren Wohnraum und das nicht nur in den Innenstädten von Ballungszentren. Beispielsweise stiegen die Angebotsmieten zwischen 2010 und 2022 im Durchschnitt um 50 %, in einigen Großstädten sogar um 70 %. Wohnen wird zum Symbol neuer sozialer Ungleichheiten. Die Wohnkrise betrifft inzwischen nicht mehr nur wenige Gruppen oder bestimmte Ballungsräume, sondern weite Teile der Gesellschaft.
Trotz zahlreicher Hinweise auf die Zuspitzung wurde politisch bislang kaum wirksam gegengesteuert. Auch aus soziologischer Perspektive fehlt eine vertiefte Analyse der gesellschaftlichen Folgen einer dauerhaft angespannten Wohnsituation. Unsere These: Die Wohnkrise produziert nicht nur neue Ungleichheiten und soziale Konflikte, sie hemmt auch gesellschaftliche Transitionen, etwa durch eingeschränkte Mobilität und verschärft bestehende Krisenlagen.
Dabei ist Deutschland besonders vulnerabel für die Auswirkungen der Wohnungskrise, da es ein „Mieterland“ ist, was die Konfliktlage verschärft. Eigentumsbildung ist für viele kaum mehr erreichbar – nicht zuletzt wegen steigender Preise, unzureichender politischer Rahmenbedingungen und fehlender Förderinstrumente. Damit wird eine zentrale Säule individueller Absicherung und biografischer Planung brüchig. Konzepte wie Mietpreisregulierungen oder angestrebte Enteignungen von Wohnungsbeständen zeigen bislang nur begrenzte Wirkung und können das Problem nicht lösen. Eine spürbare Ausweitung des Wohnungsangebots bleibt aus. Dass sich das soziale Konfliktpotenzial mittlerweile in einzelnen Großstädten auch entlädt, ist Ausdruck einer Krise, für die bisher keine überzeugenden Lösungen gefunden wurden. Wohnen ist damit nicht nur abstrakt zur sozialen Frage geworden, sondern auch zu einem akuten gesellschaftlichen Brennpunkt.
Mehr als nur ein Mietvertag: Das Mietwohnen als Ungleichheitstreiber?
Philipp Kadelke
Technische Universität Dortmund, Deutschland
Vor dem Hintergrund der persistenten Wohnungskrise und vielzähligen Dysfunktionalitäten und Benachteiligungen vor allem beim Mietwohnen sensibilisiert der Beitrag für den Zusammenhang von Wohneigentumsstatus und Ungleichheitsdynamik(en). Auf Basis der Vergleichsanordnung zwischen Mieter*innen und Eigentümer*innen (sowohl Selbstnutzer*innen als auch private Kleinvermieter*innen) in Deutschland lassen sich Ungleichheitslinien nachzeichnen, die etwa über aktuelle sozialgruppenspezifische Wohnkostenbelastungen innerhalb der Mieter*innen hinausgehen. Der überblicksartige Vergleich der Wohnstatusgruppen thematisiert nicht nur den ökonomischen (Um-)Verteilungsaspekt, sondern auch Asymmetrien sowohl innerhalb von Mietverhältnissen (etwa in Bezug zu vermieterseitigen Vorrechten und Konflikten) als auch hinsichtlich der Verwobenheit des Mietwohnens mit anderen gesellschaftlichen Bereichen wie zum Beispiel stadträumlicher Konfigurationen aber mit Blick auf (sozial-)politische Einstellungen und politische Teilhabe. Ziel ist es, den Wohneigentumsstatus – technisch gesprochen – nicht nur als abhängige Variable zu beschreiben, sondern ihn als eigenständigen Einflussfaktor zu plausibilisieren, gerade auch mit Blick auf das gegenwärtig vernehmbare Politisierungspotenzial, das der Mietfrage innewohnt. Ein Fokus bei der Präsentation ausgewählter empirischer Befunde, liegt zudem auf der Differenzierung der Wohnstatusgruppen (unter anderem nach Art des Mietverhältnisses und Vermietertypen), um konzeptionelle Unschärfen diskutieren zu können. Schließlich werden gegenwärtige Forschungsdesiderata gebündelt vorgestellt, die sowohl die Komplexität dieses Forschungszusammenhangs aufzeigen als auch Möglichkeiten, wie man dem Wohneigentumsstatus als bislang eher unterschätzter Ungleichheitsfaktor zukünftig genauer auf die Spur kommen kann.
Krise und (blockierte) Transformation von Mieter:innenvereinen in Malmö und Berlin
Lisa Vollmer
Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Deutschland
Die aktuelle Krise der Wohnraumversorgung ist nicht nur eine Krise der Bezahlbarkeit und Zugänglichkeit von Wohnraum für immer breitere Schichten der Bevölkerung, sondern auch eine Krise der Institutionen des Wohnungsregimes. Insbesondere ein Akteur des korporatistischen institutionellen Arrangements dieses Regimes befindet sich in der Krise: Mieter:innenvereine. Einerseits aufgrund von zunehmenden Konflikten zwischen Mieter:innen und Vermietenden gefragt wie nie, zeitigen ihre etablierten Formen der Interessenvertretung doch immer weniger Wirkung. Durch den Wandel des Wohnungsregimes insgesamt und der Vermietendenseite im speziellen gelingt Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse kaum noch.
Anhand von Mieter:innenvereinen in Berlin und Malmö zeigt der Beitrag einerseits diese Krise der Interessenvertretung von Mieter:innen auf und beleuchtet andererseits Vorschläge zur Transformation der Vereine, um dieser Krise zu begegnen. Diese Vorschläge werden von wohnungspolitischen sozialen Bewegungen artikuliert, deren Mitglieder innerhalb der Vereine für Veränderung sorgen wollen, dabei aber auch zahlreiche Hürden und Blockaden stoßen. Um die notwendige Transformation und sie blockierenden Bedingungen zu konzeptualisieren rekurriert der Beitrag auf konzeptuelle Ansätze der Soziologie des institutionellen Wandels sowie Ansätzen aus den Labour Studies.
Wohnen, Partizipation und soziale Aspekte energetischer Sanierung
Sabine Meier
Hochschule RheinMain, Deutschland
Saniert, erneuert oder verändert werden Wohngebäude seit es sie gibt. Doch das Ziel bis 2045 klimaneutral zu sein, erhöht den Sanierungsdruck in den nächsten beiden Jahrzehnten. Insbesondere die energetische Sanierung älterer Wohngebäude in urbanen Räumen ist ein unverzichtbarer Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Energetische Sanierung und deren Folgen für Miethöhe, Sozialstruktur und nachbarschaftliche Netzwerke berühren existenzielle Fragen zur Wohnsicherheit.
Bei Sanierungen gerät die Aufmerksamkeit für die Chancen, die diese für die Partizipation und deren Auswirkungen haben können, oftmals in den Hintergrund. Aktuelle Studien thematisieren, dass energetische Sanierung den Wohnkostenanteil am verfügbaren Einkommen empfindlich in die Höhe treiben und sogar Gentrifizierungsprozesse auslösen können. Wenige Studien haben bisher erforscht, wie Klimaschutzmaßnahmen bezüglich des Wohnens bewertet werden, inwieweit im Rahmen von energetischen Sanierungen Partizipationsprozesse inkludiert sind oder ob die Intensität der Mitbestimmung der Bewohner*innen von der Rechtsform der Wohnungsunternehmen abhängig ist.
Im Rahmen des Beitrages werde Studien reflektiert, die Partizipationsprozesse während (oder nach) einer Sanierung von Wohnungsunternehmen in unterschiedlichen Rechtsformen analysiert haben. Dabei stehen folgende Fragen zentral: Welche Interessen stehen hinter der energetischen Sanierung, wer organisiert wie Partizipationsprozesse und inwieweit werden soziale Ziele verfolgt? Wer profitiert von Partizipationsprozessen bzw. wie bewerten Bewohner*innen energetische Sanierung? Wer trägt die Kosten der Sanierung? Kann die Einbindung der Mitglieder von Wohngenossenschaften dazu beitragen, neue Ansätze zu entwickeln?
Der Beitrag hat das Ziel, aus stadtsoziologischer Sicht die energetische Sanierung im Kontext residentieller Segregation als multiskalaren Prozess zu begreifen, in dem politisch gesteuerte Programmatik auf unterschiedliche Lokalitäten trifft. Es ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Lokalitäten einen maßgeblichen Einfluss auf die Partizipationsmöglichkeiten während Sanierungen haben und damit entweder die Reproduktion profitorientierter Stadterneuerung oder neue Ansätze fördern können.
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