Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
AdH95: Übergänge und Verläufe junger Geflüchteter im deutschen Bildungssystem
Zeit:
Freitag, 26.09.2025:
9:00 - 11:45

Chair der Sitzung: Julian Seuring, Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Chair der Sitzung: Regina Becker, Leibniz Institut für Bildungsverläufe, Bamberg
Chair der Sitzung: Oliver Winkler, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


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Präsentationen

Institutionelle Bedingungen für die Zurückstellung von der Einschulung und den Besuch von Neuzuwandererklassen bei geflüchteten Kindern

Gisela Will1, Melanie Olczyk2, Julian Seuring1

1Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), Deutschland; 2Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Bildungssysteme stehen zunehmend vor der Herausforderung, auf die Heterogenität von Schülerinnen und Schülern angemessen zu reagieren – nicht zuletzt angesichts der gestiegenen Zahl geflüchteter Kinder in den letzten Jahren. Der Schuleintritt markiert dabei eine zentrale Weiche im Bildungsverlauf. Zwei institutionelle Mechanismen, mit denen auf unterschiedliche Voraussetzungen eingegangen wird, sind die Zurückstellung vom Schuleintritt und die Beschulung in gesonderten Neuzuwandererklassen. Diese Regelungen sind in Deutschland föderal organisiert und unterscheiden sich zwischen den Bundesländern erheblich. Bislang ist jedoch wenig darüber bekannt, wie sich diese institutionellen Unterschiede konkret auf die Einschulung geflüchteter Kinder auswirken.

Unsere Studie untersucht daher, wie sich bundeslandspezifische Regelungen auf zwei Aspekte der Einschulung auswirken: (1) die Wahrscheinlichkeit einer Zurückstellung vom Schuleintritt und (2) die Wahrscheinlichkeit der Einschulung in eine Neuzuwandererklasse. Grundlage der Analyse sind Daten der Längsschnittstudie ReGES (Refugees in the German Educational System), die geflüchtete Kinder in Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen bei ihrem Schuleintritt begleitet. Die Teilstichprobe umfasst 1.234 schulpflichtige Kinder. Zur Analyse verwenden wir lineare Wahrscheinlichkeitsmodelle, die sowohl individuelle (z. B. Deutschkenntnisse, Vorschulbesuch) als auch familiäre Merkmale (z. B. Bildungsniveau der Eltern) berücksichtigen.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Großteil der Kinder regulär eingeschult wird; lediglich 7,5 % erleben eine Zurückstellung. Im Vergleich zu offiziellen Statistiken wurden geflüchtete Kinder damit etwas häufiger zurückgestellt. Über 90 % besuchen eine Regelklasse. Dennoch bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, die auch bei Kontrolle individueller und familiärer Faktoren bestehen bleiben. Zudem deutet sich ein Zusammenhang zwischen Zurückstellung und Art der besuchten Klasse an: In Bundesländern mit geringerer Zurückstellungsquote ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Kinder zu Beginn ihrer Schulzeit eine Neuzuwandererklasse besuchen – und umgekehrt. Unsere Ergebnisse zeigen, wie unterschiedlich institutionelle Strategien innerhalb eines föderalen Bildungssystems ausgestaltet sind und wie diese Vielfalt frühe Bildungswege geflüchteter Kinder prägt.



Leistungsbezogene Signale und ihre Bedeutung für die elterlichen Bildungserwartungen am Ende der Grundschulzeit in zugewanderten Familien: Ein Vergleich unter Berücksichtigung institutioneller Unterschiede

Hannah Glinka, Melanie Olczyk

MLU Halle-Wittenberg, Deutschland

Das deutsche Bildungssystem ist stark differenziert und durch frühe Weichenstellungen geprägt. Besonders beim Übergang in die Sekundarstufe gewinnen leistungsbezogene Signale wie Noten und Lehrkraftempfehlungen an Bedeutung. Es stellt sich die übergreifende Frage, welche Rolle diese Signale im Zusammenhang mit Erwartungen an die weiterführende Schulform spielen. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag, inwieweit leistungsbezogene Informationen mit gymnasialen Erwartungen von Eltern am Ende der Grundschulzeit verbunden sind. Im Mittelpunkt steht, wie sich dieser Zusammenhang zwischen Familien mit und ohne Migrationshintergrund unterscheidet und inwiefern institutionelle Rahmenbedingungen eine Rolle spielen.

Theoretisch wird ein Rational-Choice-Ansatz herangezogen, ergänzt um Perspektiven auf kulturelles Kapital nach Bourdieu. Leistungsbezogene Signale lassen sich als Hinweise auf potenzielle Bildungschancen interpretieren. Ihre Bedeutung kann variieren – etwa abhängig vom Maß institutioneller Vertrautheit oder von den Möglichkeiten zur Einordnung dieser Signale. Vor diesem Hintergrund wird geprüft, ob sich Zusammenhänge zwischen Leistungsindikatoren und Erwartungen nach Migrationshintergrund unterscheiden. Zudem wird analysiert, ob Merkmale des institutionellen Kontexts – wie verbindliche Übergangsempfehlungen, Notengrenzen oder der Anteil an Gesamtschulen im Bundesland – mit diesen Zusammenhängen in Beziehung stehen.

Datengrundlage ist der IQB-Bildungstrend 2021 (N = 12.014). Die Auswertung erfolgt mittels linearer Wahrscheinlichkeitsmodelle. Die Ergebnisse zeigen positive Zusammenhänge zwischen Noten, Empfehlungen und gymnasialen Erwartungen – besonders deutlich im Fall der Empfehlungen. Unterschiede nach Migrationshintergrund zeigen sich nicht für Empfehlungen, wohl aber für Noten: Der Zusammenhang ist in geflüchteten Familien sowie in Familien mit Kindern der ersten und 2,5. Generation etwas weniger ausgeprägt. In stärker regulierten Systemen treten gymnasiale Erwartungen insgesamt seltener auf. Hinweise auf moderierende Effekte institutioneller Rahmenbedingungen bleiben begrenzt.

Die Befunde verweisen auf unterschiedliche Deutungsmuster schulischer Signale in Familien mit und ohne Migrationshintergrund – ein Aspekt, der für das Verständnis elterlicher Bildungserwartungen und ihrer institutionellen Einbettung relevant erscheint.



Übergänge in die und innerhalb der Sekundarstufe. Ein Vergleich von geflüchteten, zugewanderten und nicht-zugewanderten Schülerinnen und Schülern

Cristina Gockeln

Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl (BAMF)

Geflüchtete Schülerinnen und Schüler stellen im Bildungssystem eine vulnerable Gruppe mit speziellen Voraussetzungen dar. Zu Beginn war ihr Zugang zu Bildung reglementiert und je nach Bundesland von ihrer Aufenthaltsdauer oder der Unterbringungsart abhängig. Zusätzlich zeichnen sich geflüchtete Kinder und Jugendliche durch eine ungünstige Ressourcenausstattung aus, welche schulischen Erfolg erschwert. Neben der häufig belastenden Wohnsituation, fehlen ihnen zunächst sowohl das Wissen über die Struktur des hiesigen Bildungssystems als auch die Möglichkeit auf elterliche Hilfe zurückzugreifen. Auch Fluchterfahrung, Sprachbarrieren, das heterogene Bildungsniveau und die teils durchbrochenen Bildungsbiographien können eine erfolgreiche Integration in das Bildungssystem erschweren.

Erste Befunde weisen darauf hin, dass die formale Bildungspartizipation bereits nach relativ kurzer Aufenthaltsdauer (zwischen 1 bis 3 Jahren) weitestgehend geglückt ist, sich im Sekundarschulbereich jedoch deutliche Diskrepanzen zeigen: Geflüchtete Schülerinnen und Schüler /haben eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit, eine Realschule oder ein Gymnasium zu besuchen als die Vergleichsgruppen mit und ohne Zuwanderungserfahrung. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass sich bei geflüchteten Schülerinnen innen und Schülern eine stärkere Individualisierung von Bildungsverläufen, auch innerhalb der Sekundarstufe abzeichnet.

Anhand der Daten des Sozio-oekonomischen Panels, der integrierten IAB-SOEP-Migrationsstichprobe sowie der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus den Jahren 2016 bis 2023, ist es nun möglich, die Übergangsmuster von Schülerinnen und Schülern verschiedener Herkunftsgruppen im Zeitvergleich zu modellieren und gegenüber zu stellen sowie erste Verläufe nachzuzeichnen, um die folgenden Fragen zu beantworten: Wie gestalten sich die Übergänge in die und innerhalb der Sekundarstufe für geflüchtete Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu Gleichaltrigen mit und ohne Zuwanderungshintergrund und was beeinflusst die Übergangsmuster?



Schulerfolg von Geflüchteten in ausgewählten Bundesländern – Sekundäranalysen anhand von Daten der amtlichen Schulstatistik

Thomas Kemper, Anna Cornelia Reinhardt

TU Dortmund, Deutschland

Der Beitrag fokussiert auf den Schulerfolg von Geflüchteten an allgemeinbildenden Schulen und untersucht die im deutschen Bildungssystem erreichten formalen Schulabschlüsse. Aufbauend auf die wenigen (quantitativen) empirischen Befunde des aktuellen Forschungsstands wird der Schulerfolg von Geflüchteten im Vergleich zu Nichtgeflüchteten für alle Bundesländer mit ausreichender Datenbasis analysiert. Die Analyse erfolgt anhand eines sekundäranalytischen Ansatzes, der es ermöglicht, den Schulerfolg empirisch zu erfassen, indem Daten der amtlichen Schulstatistik in Kombination mit Informationen des Ausländerzentralregisters verwendet werden.

Diese Daten haben den Vorteil, Informationen zur Grundgesamtheit der Schüler:innen bereitzustellen. Auf dieser Datenbasis wird der Schulerfolg von Geflüchteten vergleichend und detailliert analysiert und für mehrere Bundesländer ausdifferenziert. Die erzielten Ergebnisse werden anschließend hinsichtlich ihrer möglichen strukturellen Ursachen diskutiert, dies betrifft insbesondere regionale Disparitäten des Schulerfolgs. Hierbei steht die Frage im Mittelpunkt warum sich in einzelnen Bundesländern der Schulerfolg von Geflüchteten (nicht) erheblich von dem von Nichtgeflüchteten unterscheidet.

Das Hauptziel des Beitrages besteht darin, Disparitäten im Schulerfolg zwischen geflüchteten und nichtgeflüchteten Abgänger:innen von allgemeinbildenden Schulen für mehrere Bundesländer systematisch aufzuarbeiten und damit bildungsbezogene Chancen(un)gleichheit sekundäranalytisch einzuschätzen. Der fokussierte formale Schulerfolg ist u.a. deshalb bedeutsam, da dieser allgemein als zentraler Schlüssel angesehen werden kann für Lebenschancen – wie etwa Gesundheit, Einkommen, Zugang zu Berufsausbildung, Arbeitsmarkt oder Studium. Die Ergebnisse des Beitrages geben Hinweise auf die Leistungsfähigkeit verschiedener Schulsysteme sowie auf weitere den Schulerfolg von Geflüchteten beeinflussende länderspezifische Strukturen. Zudem dienen sie als Grundlage für weiterführende Ursachenanalysen. Abschließend werden Limitationen des gewählten Ansatzes benannt und kritisch reflektiert.



Studienabbruch von geflüchteten Studierenden: Wie gut eignen sich gängige soziologische Theorien für den Vergleich zwischen spezifischen Risikogruppen?

Michael Grüttner

DZHW, Germany

Unter Geflüchteten in Deutschland sind viele junge, bildungsaffine Menschen. Abhängig vom Zuzugsalter unterscheiden sich die Hochschulzugangswege: Minderjährige Geflüchtete können über das inländische Schulsystem einen Schulabschluss mit Hochschulzugangsberechtigung erwerben. Jedoch sind die Bedingungen schwierig und regional unterschiedlich. Ältere Geflüchtete, die bereits über eine ausländische Hochschulzugangsberechtigung verfügen, müssen zusätzlich eine Studienvorbereitung über ein Studienkolleg oder Hochschulsprachkurse bewältigen. Viele Geflüchtete haben dennoch inzwischen ein Studium an einer Hochschule in Deutschland aufgenommen. Doch wie steht es um das Risiko von Studienabbrüchen? Um ungleiche Risiken des Studienabbruchs zu erklären sind in der soziologischen Studierendenforschung zwei theoretische Ansätze lang etabliert, ein konflikttheoretischer Ansatz im Anschluss an Bourdieu sowie ein systemtheoretischer Ansatz nach Tinto. Mit Blick auf spezifische Risikogruppen wie internationale oder geflüchtete Studierende fehlen bisher vergleichende Untersuchungen, die diese Ansätze anwenden. Der Beitrag nutzt Daten einer repräsentativen Befragung von Studierenden an deutschen Hochschulen, die das DZHW im Sommersemester 2021 durchgeführt hat („Die Studierendenbefragung“), um geflüchtete Studierende in Hinblick auf zentrale Variablen mit Bezug zu den oben genannten Theorieansätzen zu untersuchen. Der Beitrag bezieht dabei andere Studierendengruppen mit inländischer oder ausländischer Hochschulzugangsberechtigung vergleichend in die Analysen mit ein und fragt nach dem Erklärungsbeitrag für Studienabbruchintentionen. Es werden sowohl bivariate Ergebnisse zu Gruppenunterschieden präsentiert, als auch multivariate Modelle zur Erklärung von Studienabbruchintentionen. Im Vergleich mit in Deutschland geborenen Studierenden sind stärkere Studienabbruchintentionen insbesondere bei geflüchteten Studierenden mit inländischem Schulabschluss zu beobachten. Geflüchtete Studierende mit ausländischer Hochschulzugangsberechtigung zeigen weniger Unterschiede hinsichtlich der Studienabbruchintention. Wir diskutieren die unterschiedliche Bedeutung der Modellvariablen für die verschiedenen Studierendengruppen sowie Implikationen für die weitere Forschung und für die Migrations- und Bildungspolitik.



 
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