Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Sitzung
AdH59: Nachhaltigkeitstransitionen im Gegenwartskapitalismus
Zeit:
Mittwoch, 24.09.2025:
14:15 - 17:00

Chair der Sitzung: Ricarda Büchinger, Universität Stuttgart
Chair der Sitzung: Marc Dreher, Universität Stuttgart
Chair der Sitzung: Vincent Gengnagel, Europa-Universität Flensburg
Chair der Sitzung: Gregor Kungl, Universität Stuttgart
Chair der Sitzung: Katharina Zimmerman, Universität Hamburg
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


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Präsentationen

Ambivalenzen sozial gerechter Klimapolitik im Kapitalismus

Felicitas Riedel

Universität Heidelberg, Deutschland

Es ist bekannt, dass der CO2-Ausstoß von Privathaushalten mit dem Haushaltseinkommen steigt. Dennoch sind es gerade einkommensschwache Haushalte, die durch ein Projekt der Nationalen Klimaschutzinitiative zum Energiesparen animiert werden, um ihren CO2-Ausstoß zu senken. Obwohl dabei eine Zielgruppe adressiert wird, die weder substanziell zur Klimakrise beiträgt noch nennenswertes Einsparpotenzial bietet, gilt das Energiesparprogramm als Vorzeigeprojekt sozial gerechter Klimapolitik. Vor diesem Hintergrund stellen sich für die soziologische Forschung zum gesellschaftlichen Umgang mit der Klimakrise zwei zentrale Fragen: 1) Auf welche Deutungsmuster greifen die Projektbeteiligten bei der Legitimation ihres Handelns zurück? 2) Wie ermöglicht ihnen diese Legitimationsgrundlage, ihr Handeln als sozial gerechte Klimapolitik zu deuten?

Um diese Fragen zu beantworten, wurden 45 leitfadengestützte Interviews mit Projektbeteiligten und Protokolle aus 140 Stunden teilnehmender Beobachtungen von Energiesparberatungen deutungsmusteranalytisch ausgewertet. Im Fokus stehen dabei Rechtfertigungsmomente und Legitimationsmuster, deren Analyse Aufschluss darüber gibt, inwiefern Klimapolitik für einkommensschwache Haushalte kapitalistische Prinzipien stabilisiert und soziale Ungleichheit reproduziert.

Es zeigt sich, dass vielen Projektbeteiligten zwar bewusst ist, dass einkommensschwache Haushalte nur einen geringen CO2-Ausstoß verursachen, die Klimakrise aber als etwas gedeutet wird, das alle betrifft – und daher auch alle angeht. Diese Sichtweise legitimiert es, auch Haushalten mit geringem Einkommen – frei nach dem Motto: „Auch wer bei Aldi einkaufen muss, kann Gemüsenetze benutzen!“ (Int. 4) – Verantwortung für den Klimaschutz zuzuschreiben. Vor diesem Hintergrund wird das Energiesparprogramm als etwas wahrgenommen, das denjenigen hilft, die diesen Beitrag zum Klimaschutz nicht aus eigener Kraft leisten können. Einkommensschwachen Haushalten auf diese Art Teilhabe am Klimaschutz zu ermöglichen, wird von den Projektbeteiligten als genuin sozialer Akt erlebt, wodurch das Projekt als Inbegriff sozial gerechter Klimapolitik gedeutet werden kann. Im Rückgriff auf diese Deutungsmuster wird gerechtfertigt, dass sich Emissionsungleichheit durch das Projekt verstärkt und Verantwortung für den Klimaschutz von den Verursacher*innen der Klimakrise zu den Betroffenen verschoben wird.



Nachhaltigkeit und Effizienz als Hybride. Verhandlungen ökonomischer, wissenschaftlicher und ökologischer Bewertungen in transdisziplinären Technologieentwicklungsprojekten

Peter Schulz, Sarah Christel

Friedrich-Schiller-Universität Jena/Thüringer Wasser-Innovationscluster, Deutschland

Die Zentralität von Nachhaltigkeit und Effizienz in der transdisziplinären, anwendungsorientierten Drittmittelforschung fordert es heraus, die Funktion dieser Konzepte zu untersuchen. Denn einerseits folgen sowohl ökonomische als auch naturwissenschaftliche Bewertungslogiken einem instrumentellen Naturverhältnis und stehen damit in Spannung zu ökologischen Bewertungslogiken, andererseits sind sie selbst keineswegs deckungsgleich. Diese Divergenz tritt insbesondere in der forschungsbasierten Zusammenarbeit zutage, in denen wissenschaftliche und ökologische Wertmaßstäbe mit ökonomischen Handlungslogiken konkurrieren. Begriffe wie Nachhaltigkeit und Effizienz fungieren dabei als Konzepte, über die sich konflikthafte Bewertungslogiken artikulieren und vermitteln lassen – sie strukturieren damit nicht nur technologische Entwicklungspfade, sondern auch deren ökologische Implikationen.

Der Beitrag verfolgt das Ziel, anhand der Analyse dieser Konzepte als hybride Deutungsfiguren die Aushandlungsprozesse zwischen ökonomischen und wissenschaftlichen Perspektiven näher zu beleuchten und so einen Beitrag zum Verständnis von Bewertungsdynamiken in transdisziplinären Forschungskontexten zu leisten. Die Untersuchung basiert auf qualitativem Datenmaterial, das im Rahmen ethnografischer Projektbeobachtungen sowie leitfadengestützter Interviews mit Akteur:innen aus transdisziplinären Forschungsvorhaben erhoben wurde. Die empirischen Befunde werden im Anschluss theoretisch gerahmt, wobei auf das Konzept pluraler Rechtfertigungsordnungen nach Boltanski , Thévenot und Lafaye zurückgegriffen wird. Nachhaltigkeit und Effizienz fungieren in den beobachteten transdisziplinären Forschungsprojekten als Hybride, die die Interaktionen zwischen unterschiedlichen Rechtfertigungsordnungen ermöglichen, sind dabei selbst jedoch ebenfalls umkämpft.



Zwischen Greening und „De-Wokefication“: Der militärisch-industrielle Komplex im Konfliktfeld der sozial-ökologischen Transformation

Bernd Sommer, Kerrin Langer

TU Dortmund, Deutschland

Für moderne Streitkräfte wird von einem direkten Zusammenhang zwischen der Nutzung fossiler Brennstoffe und militärischer Stärke ausgegangen, und wäre das globale Militär ein Land, steht es nach aktuellen Berechnungen im globalen Ranking der Emittenten auf Platz 4 (nach China, den USA und Indien). Entsprechend gehen Beobachter:innen (siehe z.B. Block et al. 2025) davon aus, dass wachsende geopolitische Spannungen und Konflikte sowie die damit verbundene Aufrüstung des Militärs die Erreichung der internationalen und nationalen Klimaziele zusätzlich erschweren. Gleichwohl haben in den vergangenen Jahren die Streitkräfte verschiedener Länder sowie die Rüstungsindustrie Maßnahmen ergriffen, um ihren Treibhausgasausstoß zu reduzieren. Im Zusammenhang mit dem jüngst zu beobachtenden „Greenlash“, der Infragestellung und Aufweichung bereits vereinbarter Klima- und Umweltschutzziele, geraten diese Bemühungen unter Druck oder werden in den USA unter dem Schlagwort der „De-Wokefication“ aktiv bekämpft.

Der Beitrag rekonstruiert das Naturverhältnis des modernen Militärs und argumentiert, dass Umweltveränderungen, die unter Konzepten wie „Anthropozän“ und „Ökozid“ diskutiert werden, maßgeblich auf militärische Aktivitäten zurückgehen. Anschließend werden die vorläufigen Ergebnisse einer qualitativen Inhaltsanalyse einschlägiger Dokumente präsentiert, die zeigen wie in Deutschland, Großbritannien sowie den USA innerhalb der Streitkräfte, der Politik und der Rüstungsindustrie Greening-Strategien sowie diesbezügliche Gegenbewegungen diskursiv verhandelt werden.



Der 'nachhaltige' Finanzkapitalismus und seine Kritik

Lisa Knoll

Universität Paderborn, Deutschland

Dieser Vortrag reflektiert das Phänomen des 'nachhaltigen' Finanzkapitalismus mit den Mitteln der Soziologie der Kritik, Rechtfertigung und der Konventionen. Er leistet zweierlei: Einerseits diskutiert er die spezifische Analyseperspektive der Soziologie der Konventionen, die Strukturen und Strukturwandel über die Sichtbarmachung einer Dynamik aus Kritik und Rechtfertigung erklärt, und die Pluralität sozialer Situationen betont. Andererseits greift er auf ein konkretes Forschungsfeld zurück, dem Social Impact Investing, mit dem Ziel die Analyseperspektive der Soziologie der Konventionen in ihrer empirischen Anwendung auszuloten. Dabei werden auch Bezüge und Abgrenzungen zu anderen (kritischen) Analyseparadigmen gezogen, wie dem Ansatz der Assetisierung (Kean Birch und Fabian Muniesa), um die Stärken und Schwächen der Soziologie der Konventionen sichtbar zu machen. Der Vortrag bezieht sich auf Überlegungen aus bestehenden Veröffentlichungen, insb.:

Chiapello, Eve; Knoll, Lisa (2020): The Welfare Conventions Approach: A Comparative Perspective on Social Impact Bonds. In: Journal of Comparative Policy Analysis: Research and Practice 22 (2), S. 100-115.

Knoll, Lisa; Fraser, Alec (2024): Social Impact Bond assetization struggles: A comparative case study of the United Kingdom and Germany. In: Economy and Society 53 (1), S. 92-111.



Greenlash – verflüchtigt sich der Geist des grünen Kapitalismus?

Sighard Neckel

Universität Hamburg, Deutschland

Die Diagnose eines Greenlash stützt sich auf vier Befunde: den Rückzug von Finanzmärkten und zentralen Industriesektoren aus dem Projekt einer ökologischen Modernisierung, die Streichung des grünen Kapitalismus von der politischen Agenda durch rechte und rechtsextreme Regierungen in liberalen Demokratien, die Aufweichung des „marktgerechten“ Klimaschutzes in der Europäischen Union (und darüber hinaus), den Einbruch der öffentlichen Unterstützung für grüne Transformationspolitik bei Wahlen und in Bevölkerungsumfragen. Im Vortrag wird diesen Befunden nachgegangen und gefragt, was sie über die Annahmen eines grünen Geistes des Kapitalismus besagen. Ist der grüne Geist ein Dschinn, der sich stets verflüchtigt, wenn man ihn zu erkennen meint?



 
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