Sitzung | |
AdH48: Kredite als Ungleichheitsmechanismen Oder Transition der (Privat-)Verschuldung in Zeiten gesellschaftlicher Krisen
Sitzungsthemen: Meine Vortragssprache ist Deutsch., Meine Vortragssprache ist Englisch.
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Zusammenfassung der Sitzung | |
Der Vortrag "Understanding racial inequality in financial access" wird auf Englisch gehalten. Alle anderen Vorträge der Veranstaltung sind auf Deutsch. | |
Präsentationen | |
Kredite und finanzielle Teilhabe: Erste Ergebnisse aus dem Weizenbaum Panel 2024 1Goethe Universität; 2Weizenbaum Institut; 3Universität Kassel, Deutschland Während in Ländern wie den USA seit Jahrzehnten bekannt für eine hohe Konsumverschuldung sowie eine starke Nutzung von Finanzdienstleistungen außerhalb des traditionellen Bankensektors ist, fehlt es in Deutschland bislang weitgehend an Analysen. Unsere Grundannahme ist nun, dass sich die Ergebnisse aus den USA nicht eins zu eins nach Deutschland übertragen lassen. Vielmehr argumentieren wir, dass es auch in Deutschland eine Klassenstruktur der Verschuldung gibt, dass sich jedoch das Volumen und die konkreten Verschuldungsstrategien zwischen den Ländern unterscheiden. Vor diesem Hintergrund haben wir im Rahmen des Weizenbaum Panels – einer jährlichen wissenschaftlichen Telefonbefragung zur Internetnutzung– erstmals Fragen zur finanziellen Teilhabe integriert. Erhoben wurden unter anderem die Nutzung von Kreditkarten sowie digitaler Bezahlangebote wie PayPal oder Apple Pay, aber auch der Zugriff auf Konsum- und Immobilienkredite. In unserem Vortrag möchten wir erste Ergebnisse vorstellen und diskutieren. Die Daten des Panels deuten darauf hin, dass digitale bzw. bargeldlose Bezahlangebote bestehende soziale Ungleichheiten verstärken. Insbesondere zeigt sich ein deutliches Gefälle in der Nutzung dieser Angebote zwischen verschiedenen Einkommensgruppen: Personen mit niedrigem Einkommen nutzen beispielsweise Kreditkarten und appbasierte Zahlungsverfahren erheblich seltener als Besserverdienende. Ein weiterer Befund betrifft die Nutzung von Konsumkredite wie Dispokredite, Ratenkredite oder informeller Kreditformen etwa über Pfandhäuser. Es zeigt sich im Vergleich zu den USA werden diese in Deutschland deutlich seltener in Anspruch genommen. Ein besonderer Fokus unseres Beitrags liegt auf die niedrigschwelligen Kreditformen von „Buy Now, Pay Later“-Anbietern, wie Klarna und PayPal . Laut unseren Daten hat etwa ein Drittel der Befragten (32 %) im Jahr 2024 diese Zahlungsoption im Online-Handel genutzt. Hier zeigen sich kaum Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen. Wir möchten daher insbesondere die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle dieser Angebote sowie deren Potenzial zur Überschuldung kritisch beleuchten. Privatverschuldung als soziales Reproduktionsverhältnis? Die Aushandlungen von Schulden und Geschlecht in Paarbeziehungen zwischen Fürsorgepflicht und Schuldenlast Friedrich-Schiller-Universität Jena Mit Blick auf die wachsende Bedeutung von Schulden zur Finanzierung des alltäglichen Lebens ist festzustellen, dass sich eine geschlechtlich codierte, ungleiche Verteilung von finanziellen Risiken und Verpflichtungen zeigt. Diese lassen sich insbesondere innerhalb von Paarbeziehungen verdichtet beobachten. Beispielsweise tragen Frauen in ökonomisch vulnerablen Partnerschaften, trotz geringerer individueller Verschuldung, die Rückzahlungslast der Verbindlichkeiten ihrer Ehe- oder Lebenspartner – etwa aufgrund von Kreditbürgschaften. Dieser Beitrag beschäftigt sich daher mit der Frage, wie die Partnerinnen ihre Position als Schuldnerinnen in Auseinandersetzung mit ihren Schuldenpraktiken subjektiv und relational aushandeln. Dafür greift der Beitrag auf die Social Reproduction Theory zurück, um zu untersuchen, inwiefern Verschuldung reproduktive Tätigkeiten erfordert und welche Auswirkungen dies auf die alltäglichen Lebenserfahrungen verschuldeter Frauen hat. Darüber hinaus fließen Forschungsperspektiven ein, welche die Selbstdeutungen jenseits der Subjektposition des Homo oeconomicus erfassen, und somit auch vergeschlechtlichte Verantwortungsbeziehungen als identitätsstiftende Aspekte in den Blick nehmen. Zu diesem Zweck werden leitfadengestützte Paarinterviews analysiert, die im Rahmen des SFB- Teilprojekts ‚Eigentumsungleichheit im Privaten – Zur institutionellen und kulturellen (Re-) Strukturierung von Eigentumsarrangements in Paarhaushalten‘ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena geführt wurden. Da in der sozialwissenschaftlichen Forschung das Thema Schulden lange mit Arbeitslosigkeit und Armut assoziiert wurde – trotz dessen auch Kreditschulden, bis zum Eintreten der Rückzahlung, immer eine Schuld enthalten – umfasst das Sample gleichermaßen Paare mit Konsum-, wie auch Investitionsschulden. Dieser Beitrag präsentiert die zentralen Erkenntnisse aus diesem, zum Einreichungszeitpunkt noch andauernden, Forschungsprozess im Rahmen einer Masterarbeit. Soziale Teilhabe oder Predatory Inclusion? Der Konsumentenkredit in den USA im späten 20. Jahrhundert Georg-August-Universität Göttingen Die USA wurden im späten 20. Jahrhundert zu einer „Debtor Nation“ (L. Hyman); die massive Ausweitung der Privathaushaltsverschuldung stellt ein zentrales Merkmal des US-amerikanischen Konsumkapitalismus dar. Aufbauend auf dieser Literatur und ausgewählten Quellenbeständen, skizziert der Beitrag einen Umbruch in den U.S.-amerikanischen Debatten zu Verbraucherkrediten seit den 1960er/70er Jahren. In den Nachkriegsjahrzehnten wurden Verbraucherkredite weithin als „moderner“ Zugang zum Mittelschichtskonsum propagiert. Neben Akteuren der Kreditindustrie teilten auch viele Beobachter*innen aus Politik und Wirtschaftswissenschaften die Einschätzung von Kreditvergabe als Motor gesamtwirtschaftlichen Wachstums, individueller sozialer Mobilität sowie als Instrument staatlicher Sozialpolitik. Neue soziale Bewegungen erkämpften zudem Zugangsrechte zu Krediten für ökonomisch marginalisierte Gruppen (u.a. (verheiratete) Frauen, Sozialleistungsempfänger*innen, und ethnische Minoritäten). Vor dem Hintergrund einer stagnierenden Reallohnentwicklung änderte sich der gesellschaftliche Blick auf Verbraucherkredite aber seit den 1980er Jahren. Die Kreditkartenrevolution, wachsende Haushaltsüberschuldung, das Anwachsen eines prekären „Fringe Banking“-Bereichs gerieten ebenso wie die Expansion von Haushaltsschulden für medizinische und Bildungsausgaben in den Blick einer kritischen öffentlichen Debatte. Dabei traten sowohl soziale Ungleichheiten als auch die Persistenz struktureller Rassismen in der Kreditökonomie des amerikanischen „Racial Capitalism“ deutlich zu Tage. Entgegen der Nachkriegsvision einer inklusiven, kreditbasierten Wohlstandsgesellschaft identifizierte der Soziologe Matthew Desmond Kreditmärkte daher jüngst als einen grundlegenden Faktor in der (Re-)Produktion von Armut in den USA. Dieser Befund, so eine zentrale These des Beitrags, lässt sich historisch nicht zuletzt aus der lange vorherrschenden und von einer breiten gesellschaftlichen Koalition getragenen Wahrnehmung von Verbraucherkrediten als einem probaten Mittel amerikanischer Wirtschafts- und Sozialpolitik verstehen. Understanding racial inequality in financial access Universität Bremen Having access to financial institutions who provide a.o. credit is essential to build wealth. Even though the use of online service has risen, the physical location of financial institution still remains of great importance. Research has shown that in the US many low-income and minority neighborhoods lack traditional banks, which undermines access to financial services, savings and checking accounts, loans, and credit. In contrast, such neighborhoods often have a disproportionate number of alternative financial institutions (AFI), such as payday lenders and check cashers – known for charging higher fees and interest rates. This leads to unequal access to credit across race and class. This is reflected, for example, in higher underbanked rates among minority groups. We ask why. While there is plenty of research on the consumer or demand side of this phenomena little is known about the supply side. But the distribution of conventional banks vs AFIs mainly reflect managerial decisions. We have conducted 50 qualitative interviews with managers of financial institutions to understand how this companies make location decisions. We found that banks use large scale self-produced or third party produced data (“big data”) and publicly available data, AFI rely heavily on observation and experience (“gut feeling”). We discuss the implication for understanding the mechanisms of credit as an amplifier of social inequality. |