Veranstaltungsprogramm

Sitzung
AdH35: Extrem rechte Gewalt: Empirie und Analyse
Zeit:
Freitag, 26.09.2025:
9:00 - 11:45

Chair der Sitzung: Lotta Mayer, Universität Heidelberg
Chair der Sitzung: Matthias Quent, Hochschule Magdeburg-Stendal
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


Präsentationen

Eine Bestandsaufnahme: Formen und Muster extrem rechter Gewalt in der BRD seit 1990

Lotta Mayer

Universität Heidelberg, Deutschland

Deutschland stellt das Land mit den meisten extrem rechten Tötungsdelikten seit 1990 dar. Allerdings ist weder systematisch erforscht, welche Formen diese schwere extrem rechte Gewalt annimmt, noch, ob sich über Raum und Zeit unterschiedliche Muster erkennen lassen. Der Vortrag versucht, diese grundlegende Lücke durch die Entwicklung einer phänomenologischen Typologie schwerer extrem rechter Gewalt zu schließen, und deren Relevanz für die Analyse empirischer Muster in Raum und Zeit aufzuzeigen.



Ideologische Legitimation und praktische Anleitung: Rechtsextreme „Strategiepapiere“ zur Ausübung organisierter politischer Gewalt aus Bewegungs- und gewaltsoziologischer Perspektive.

Paul Bischoff

Universität Heidelberg, Deutschland

Ein affirmatives Verhältnis zur Gewalt gehört zu den konstitutiven Aspekten der rechtsextremen Bewegungsfamilie. Das spezifische Verhältnis der extremen Rechten zur Gewalt wird zwar häufig benannt, jedoch nur selten systematisch analysiert. Der Vortrag eröffnet darauf einen gewalt- und bewegungssoziologischen Zugang. Rechtsterrorismus wird dabei als eine spezifische Form des Gewalthandelns begriffen, das in der politischen Klandestinität vorbereitet wird und versucht, mit Hilfe eines „message crime“, eine politische Botschaft zu verbreiten.

Rechtsextreme Strategiepapiere geben uns einen Einblick in den untererforschten Gewaltdiskurs des "radikalen Milieus" (Malthaner/Waldmann) in der extrem rechten Bewegung und verdeutlichen uns, wie die extreme Rechte versucht, ihre Anhänger zur Anwendung klandestiner Gewalt zu motivieren und in ihren Augen zu legitimieren, sowie ihnen das zur Umsetzung erforderliche praktische Wissen zu vermitteln.



Rechte Gewalt in Deutschland 1990-2024: Eine landesweite Datenbank zur Untersuchung von Ursachen und Mustern

Markus Lang

Universität Heidelberg, Deutschland

Rechte Gewalttaten werden sowohl von staatlichen Sicherheitsbehörden als auch von zivilgesellschaftlichen Opferorganisationen dokumentiert, jedoch selten in wissenschaftlichen Studien kombiniert. Diese Trennung behindert präzise Schätzungen des Ausmaßes und der regionalen Verbreitung rechter Gewalt und erschwert die Bewertung sicherheitspolitischer und bildungspolitischer Maßnahmen. Unsere Studie nutzt die umfangreiche Verfügbarkeit behördlicher und zivilgesellschaftlicher Daten in Deutschland, um eine landesweite Datenbank rechter Gewalttaten für den Zeitraum von 1990 bis 2024 zu erstellen. Mit Hilfe dieser Datenbank können wir untersuchen, wie viele rechte Gewalttaten jährlich in Deutschland verübt werden und wie viele davon tödlich enden. Zudem ermöglicht sie es, zu analysieren, ob rechte Gewalttaten tatsächlich hauptsächlich in ostdeutschen Regionen mit ökonomischen oder sozialstrukturellen Problemen konzentriert sind oder ob in westdeutschen Regionen mit ähnlichen Problemen vergleichbar hohe Gewaltzahlen vorliegen. Darüber hinaus können wir mit der Datenbank untersuchen, inwieweit staatliche Ausgaben und Aktivitäten mit der Häufigkeit rechter Gewalttaten zusammenhängen. Die Datenbank soll als Grundlage für zukünftige Forschungsarbeiten dienen, die sich mit den Ursachen und Konsequenzen rechter Gewalt in Deutschland auseinandersetzen.



Systemfeindlich oder -stabilisierend? Die soziologischen Funktionen rassistischer und recht(sterroristisch)er Gewalt

Matthias Quent

Hochschule Magdeburg-Stendal, Deutschland

Rassistisch und rechtsextrem motivierte Gewalttaten als Kulminationspunkt rechter Radikalisierung wirken auf den ersten Blick wie ein Frontalangriff auf den demokratischen Rechtsstaat und die pluralistische Gesellschaft. Andererseits können sie paradoxerweise bestehende gesellschaftliche Strukturen und Hierarchien stabilisieren und Täter:innen erheben mitunter einen vigilantistischen Anspruch der Selbstjustiz zur Stabilisierung der sozialen Ordnung und der Abwehr von Veränderung. Der Vortrag untersucht diese Ambivalenz im Hinblick auf die Funktionen rassistischer und rechtsterroristischer Gewalt zwischen Systemopposition und der Affirmation hierachischer Sozialstrukturen und beleuchtet am Gewaltbeispiel die gesellschaftlichen Funktionen von Rassismus, die in Soziologie und Rechtsextremismusforschung weiterhin oft ignoriert werden. Theoretisch greift der Vortrag dazu u.a. auf das Konzept des Vigilantismus zurück. Ziel ist es, die ambivalente gesellschaftliche Funktion rassistischer Gewalt im Spannungsfeld zwischen dem ideologischen Anspruch und der historischen Realität „weißer Vorherrschaft“ herauszuarbeiten.