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Chair der Sitzung: Viola Dombrowski, Universität Koblenz Chair der Sitzung: Nicole Zillien, Universität Koblenz
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.
Zusammenfassung der Sitzung
Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.
Präsentationen
Digitale Gewalt als Herausforderung für das Tübinger Interventionsprojekts. Erste Ergebnisse aus einem laufenden Lehrforschungsprojekt
Marion Müller
Universität Tübingen, Deutschland
Im Zentrum des geplanten Beitrags steht die Analyse der Auswirkungen zunehmender Digitalisierung von Partnerschaftsgewalt auf die (Zusammen-)Arbeit der professionellen Hilfsinstitutionen im Tübinger Interventionsprojekt (T.I.P.). Beim T.I.P. handelt es sich um einen kommunalen Zusammenschluss von Polizei, Justiz, Stadt-/Kreisverwaltung und Beratungsstellen gegen häusliche Gewalt im Landkreis Tübingen, der 2006 im Zuge einer stärker täterorientierten staatlichen Interventionspolitik gegründet wurde („Wer schlägt, der geht!“). Auf Grundlage des seit 2002 geltenden Gewaltschutzgesetzes (in Kombination mit §27a des Polizeigesetzes Baden-Württemberg) können seitdem Täter:innen durch Platzverweise, Näherungs- und Kontaktverbote auf Distanz gehalten werden. Dazu bedarf es aber einer engen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutionen, die die Gewaltbetroffenen beraten, Krisenintervention anbieten und weitere Unterstützungsangebote, z.B. durch das Ordnungsamt, Rechtshilfestelle, (falls Kinder beteiligt sind) Jugendamt und Justiz vermitteln können.
Im Rahmen eines seit dem Wintersemester 2024/25 laufenden dreisemestrigen Lehrforschungsprojekts wurde diese Zusammenarbeit im T.I.P. genauer untersucht – vor allem mit Blick auf die Veränderungen, die sich durch den Einsatz digitaler Technologien im Kontext gewalttätiger Paarbeziehungen für die Arbeit der professionellen Helfer:innen ergeben haben. Dafür wurden Leitfaden-Interviews mit den beteiligten Expert:innen in den Fachberatungsstellen, der Interventionsstelle, dem Ordnungsamt, der Rechtsbeihilfe und der Polizei geführt sowie teilnehmende Beobachtungen in Entscheidungsgremien des T.I.P. durchgeführt.
Zentrale Fragestellungen hierbei sind: Welche Formen digitaler Gewalt werden von den Expert:innen beobachtet und inwiefern werden sie überhaupt als Formen illegitimer Gewalt wahrgenommen? Welche Folgen hat die Digitalisierung von Partnerschaftsgewalt für den Arbeitsalltag von Frauenhäuser, Beratungen und Polizei und für deren Zusammenarbeit? Und welche Handlungsempfehlungen, Richtlinien gibt es für den Umgang mit digitalen Geräten in den Frauenhäusern und Beratungsstellen?
Im Vortrag werden erste Ergebnisse dieser Untersuchungen vorgestellt.
Digitale Partnerschaftsgewalt aus Betroffenenperspektive
Nivedita Prasad
ASH Berlin, Deutschland
Digitale Gewalthandlungen werden von Betroffenen und deren Umfeld häufig nicht als solche erkannt, weil die Formen und deren Wirkmächtigkeit nicht bekannt sind. Gleichzeitig erleben Betroffene sie oft als sehr belastend, da ein Entrinnen unmöglich erscheint. Im Rahmen des Vortrags werden daher zum einen (auch neuere) Formen digitaler Gewalt mit ihrer Wirkung auf Betroffenen aufgezeigt. Des weiteren werden Strategien von Betroffenen im Umgang mit digitalen Gewalthandlungen diskutiert. Da in der Regel bereits zu Beginn von Partnerschaften Informations- und Kommunikationstechnologien genutzt und die so ausgetauschten Informationen zu einem späteren Zeitpunkt für Gewalthandlungen missbraucht werden können, wird schließlich die Frage aufgeworfen, wie dies Geschlechterverhältnisse beeinflusst.
Digitalisierte Partnerschaftsgewalt aus polizeilicher Perspektive
Benjamin Rampp
Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz, Deutschland
Die Digitalisierung von Partnerschaftsgewalt wirkt sich in mehrfacher Hinsicht auf deren Erscheinungsformen aus: Phänomene von Partnerschaftsgewalt entgrenzen sich im Zuge ihrer fortschreitenden Digitalisierung räumlich, zeitlich und sozial. Damit verändern sich auch ihre konkreten Ausprägungen: Neben direkte, physische Gewaltphänomene treten automatisierte, individualisierte und internalisierte Formen der Kontrolle und des Zwangs, die systematisch mit (der Androhung von) physischer Gewalt verbunden sind, sich aber nicht auf diese reduzieren lassen.
Mit dieser Entgrenzung sind potenziell auch (Neben-)Folgen und Herausforderungen für den polizeilichen Umgang mit (digitalisierter) Partnerschaftsgewalt verbunden. Diesen liegt nicht zuletzt das (widersprüchliche) Verhältnis zwischen unterschiedlichen Gewaltverständnissen zugrunde: einerseits einem weiten Gewaltbegriff, um mittelbare und indirekte Formen digitalisierter Partnerschaftsgewalt überhaupt als Gewalt erfassen zu können; andererseits einem engeren Gewaltbegriff, der typischerweise eine höhere Praxisrelevanz für sich beansprucht.
Die Digitalisierung von Partnerschaftsgewalt und die damit verbundene polizeiliche Wahrnehmung, Deutung und Anpassung an diese Dynamik stellen somit eine Transition im Sinne des Kongressthemas dar: eine Figuration des „Übergangs mit ihren Momenten des ‚Dazwischen‘, der Kontingenz und der Offenheit wie auch möglicher Regelhaftigkeit, Regulierung und Gerichtetheit weiterer Entwicklungen“ (Themenpapier, S. 1).
Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag erstens der Frage nach, welche Formen digitalisierter Partnerschaftsgewalt in der polizeilichen Arbeit beobachtet werden und welche Entwicklungen und Phänomene dabei eine besondere Rolle spielen. Zweitens wird gefragt, inwiefern (neue) Formen digitalisierter Partnerschaftsgewalt in der polizeilichen Praxis überhaupt als Gewalt identifiziert werden und welche Kriterien und Gewaltbegriffe für eine entsprechende Deutung leitend sind. Drittens wird diskutiert, welche Herausforderungen sich daraus für den polizeilichen Umgang mit digitalisierter Partnerschaftsgewalt ergeben.