Veranstaltungsprogramm

Sitzung
AdH7: Am I on a road to nowhere? – Transitionen von der Schule in weitere (Aus)Bildungswege für marginalisierte junge Menschen
Zeit:
Dienstag, 23.09.2025:
14:15 - 17:00

Chair der Sitzung: Susanne Enssen, Universität Duisburg-Essen
Chair der Sitzung: Marina Ruth, Universität Duisburg-Essen
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


Präsentationen

Am I on a road to nowhere? – Transitionen von der Schule in weitere (Aus)Bildungswege für marginalisierte junge Menschen

Susanne Enssen, Marina Ruth

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Transitionen, wie der Übergang von der Schule in weitere (Aus)Bildungswege, markieren für junge Menschen einen signifikanten Einschnitt in ihren bisherigen Lebensverlauf, die mit vielfältigen Risiken des Scheiterns verbunden sind (Stöbe-Blossey et al. 2021). Besonders gefährdet sind junge Menschen aus marginalisierten Gruppen (u. a. aufgrund einer vorhandenen Migrationsgeschichte, der sozialen Herkunft oder eingeschränkten schulischen Leistungen). Aus lebenslaufsoziologischer Perspektive werden Transitionen in eine neue Lebensphase sowohl von strukturellen Rahmenbedingungen als auch von der Handlungsfähigkeit der Betroffenen selbst geprägt. Auf individueller Ebene sind dabei nicht nur der berufliche Einstieg, sondern auch zentrale biografische Entwicklungsprozesse zu bewältigen, wie etwa die Identitätskonstruktion oder die Loslösung vom Elternhaus (Daigler 2018). Auf struktureller Ebene besteht die Herausforderung in der Findung von Anknüpfungspunkten im Bildungs- und Ausbildungssystem. Dass junge Menschen innerhalb dieser Transitionsphase scheitern, lässt sich daran ablesen, dass jedes Jahr junge Menschen die Schule verlassen, die entweder keinen Schulabschluss haben oder sich trotz erworbenem Schulabschluss am Arbeits- und Ausbildungsbildungsmarkt nicht behaupten konnten (Weller et al. 2024). Problematisch ist dies vor dem Hintergrund, dass sich Deutschland bei dieser Transition durch stark institutionalisierte Normalitätserwartungen auszeichnet, die vorsehen, dass junge Menschen zunächst Schulabschlüsse erwerben, die „Eintrittskarten“ zu verschiedenen Formen beruflicher Qualifizierung darstellen (Solga & Menze, 2013). Die Arbeitsmarktintegration ist darüber hinaus stark mit Zugängen zu beitragsfinanzierten Leistungen sozialer Sicherung verknüpft. Das Scheitern innerhalb dieses „erwerbszentrierten Übergangsregimes“ (Walther 2020) geht daher mit Armuts- und insgesamt sozialen Teilhaberisiken einher (Stöbe-Blossey et al. 2021; Walther 2020). Im interaktiven Dialogforum werden die Mechanismen sozialer Ungleichheit und die institutionellen Rahmenbedingungen von Bildungsübergängen differenziert entlang der Fragen beleuchtet, welche Konsequenzen (nicht) erfolgreiche Übergänge von jungen Menschen aus marginalisierten Gruppen für Arbeitsmarkt und Gesellschaft haben und welche Relevanz vor diesem Hintergrund institutionalisierten Unterstützungssystemen zukommt.



Zwischen Maßnahme, Warteschleife und Ausbildung – Bildungsverläufe marginalisierter Jugendlicher in den Beruf

Maria Richter

Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI), Deutschland

Der Übergang von der Schule in eine berufliche Ausbildung markiert eine zentrale berufsbiographische Weichenstellung im Bildungsverlauf junger Menschen – mit teils langanhaltenden Folgen für Erwerbschancen und soziale Teilhabe. Während Jugendliche mit mittleren oder höheren Schulabschlüssen diesen Übergang häufig direkt und erfolgreich bewältigen, ist er für gering-qualifizierte Jugendliche, Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte oder aus sozial schwachen Elternhäusern oft von Verzögerungen, Brüchen und mehrfachen Umwegen geprägt.

Auf Grundlage amtlicher Daten sowie der Längsschnittdaten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) werden in dem Vortrag die Bildungsverläufe dieser Gruppe nachgezeichnet. Dabei ermöglichen die detaillierten Informationen über Schul-, Ausbildungs- und Erwerbsverläufe im Jugend- und jungen Erwachsenenalter des NEPS, mithilfe sequenzanalytischer Verfahren typische Verlaufsmuster zu identifizieren. Im Fokus stehen der Übergang in Ausbildung und Beschäftigung sowie die Bedeutung von Ausbildungsabbrüchen für die weiteren Bildungs- und Erwerbsverläufe.

Der Beitrag zeigt die große Heterogenität der Bildungswege auf und damit auch die Konsequenzen (nicht-)erfolgreicher Bildungsverläufe für Individuum und Gesellschaft. Während ein Teil der Jugendlichen trotz anfänglicher Brüche eine vollqualifizierende Ausbildung erfolgreich abschließt, verbleibt ein erheblicher Anteil dauerhaft in instabilen Bildungs- und Erwerbsverläufen. Vor diesem Hintergrund werden die begünstigenden und hemmenden Faktoren für erfolgreiche Bildungsverläufe und die Rolle institutioneller Unterstützungsmaßnahmen des Übergangssektors für den Bildungsverlauf diskutiert.



Eine Berufsorientierung für alle? Wie berufliche Orientierung auch für marginalisierte junge Menschen gelingen kann

Birgit Reißig

Deutsches Jugendinstitut e.V., Deutschland

Jugend ist eine von Übergängen geprägte Lebensphase und besonders die Entscheidung über den weiteren beruflichen Ausbildungsweg fordert junge Menschen heraus.

Aktuell treffen junge Menschen auf verschiedene Entwicklungen beim Übergang von der Schule in Ausbildung. So hat sich insgesamt die Anzahl der unter 35-Jährigen erhöht, die über keine berufliche Qualifizierung verfügen (2022: 19,1 %, BIBB, 2024). Zudem beobachten wir das sogenannte Passungsproblem, bei dem sowohl Jugendliche keinen (direkten) Zugang zu Ausbildung finden und gleichzeitig Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben. Eine weitere Entwicklung betrifft den Übergangssektor. Trotz eines zwischenzeitlich starken Rückgangs der Eintritte hat sich der Übergangssektor als eine Einmündungsoption für junge Menschen stabilisiert, die sich damit in Angeboten befinden, die zu keinem beruflichen Abschluss führen.

Vor allem Jugendliche mit schlechteren Startchancen haben mit Barrieren beim Zugang zum Berufsbildungssystem zu kämpfen. Auf der einen Seiten schauen sie mit durchaus mit hohen Aspirationen auf den Übergang von der Schule in den Beruf (Hofherr 2024). Auf der anderen Seite steht eine deutlich gestiegene Unsicherheit bezüglich der Umsetzungschancen dieser Pläne (Reißig et al. 2018).

Vor diesem Hintergrund gerät immer wieder die Rolle der Berufsvorbereitung als äußerst wichtiges Instrument für gelingende Übergänge in den Blick (AG 9+1, 2022). Der Beitrag geht daher der Frage nach, wie die berufliche Orientierung ausgestaltet sein muss, damit sie den differenzierten Anforderungen aufseiten der marginalisierten jungen Menschen gerecht werden kann?

Auf Basis der Befunde des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes „Inklusion in der beruflichen Bildung“ soll diese Frage beantwortet werden. Das Projekt verfolgte einen Mixed-Methods-Ansatz, bei dem u.a. marginalisierte junge Menschen in vier Untersuchungsregionen quantitativ und qualitativ zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen im Übergangsprozess befragt wurden (Reimann & Lemke, 2024).

Trotz klarer beruflicher Wünsche nahmen die Jugendlichen deutliche Defizite in der orientierenden beruflichen Begleitung wahr. Insgesamt haben die Befunde gezeigt, dass für die Teilhabe junger Menschen eine Ausrichtung der Strukturen und Angebote an den Ressourcen und Voraussetzungen, Bedürfnissen und Bedarfen der jungen Menschen notwendig ist.



Regionale Ungleichheiten und institutionelle Rahmenbedingungen bei der Bildungsintegration junger Geflüchteter

Oliver Winkler

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland

Geflüchtete Kinder und Jugendliche gehören zu einer besonders vulnerablen Gruppe im deutschen Bildungssystem, die großen Herausforderungen und Schwierigkeiten in ihrem Bildungsverlauf in Deutschland gegenüberstehen. Auf ihre Bildungschancen nehmen insbesondere institutionelle Rahmenbedingungen Einfluss, die sich territorial bzw. räumlich unterscheiden. So variieren zwischen den Bundesländern die Gesetze und Verordnungen, die den Eintritt in die Schule, die Beschulungsformen (z.B. in Neuzuwandererklassen) oder den Übergang in die Schulformen der Sekundarstufe regulieren. Neben diesen territorial gebundenen Bildungskontexten differieren auch räumlich eingebettete Gelegenheitsstrukturen des Ausbildungsmarktes, die die Übergangschancen in eine Berufsausbildung bedingen können. Der Beitrag stellt aktuelle Forschungsergebnisse zur Bildungssituation junger Geflüchteter vor und zeigt für verschiedene Bildungsetappen (Grundschule, Sekundarstufe, Berufsausbildung), wie territorial-institutionelle und regional-marktförmige Rahmenbedingungen ihre Bildungschancen beeinflussen. Mit Hilfe von quantitativen Auswertungen großer Sekundärdatensätze (u.a. ReGES, SOEP) zeigt der Beitrag, dass bundeslandspezifische Regelungen Rückstellungen und Wartezeiten bis zu Einschulung, die Beschulung in regulärem Unterricht vs. Neuzuwandererklassen und den Übergang ins gegliederte Sekundarschulsystem beeinflussen. Im Unterschied zu nicht-geflüchteten Familien haben geflüchtete Familien vergleichsweise wenig Agency im Bildungsgeschehen. Für den Berufsbildungsbereich zeigen sich Zusammenhänge ungleicher Wirtschaftslagen am Wohnort für den Übergang in eine Berufsausbildung, die gerade für geflüchtete Jugendliche aufgrund eingeschränkter Ressourcen und Wohnsitzauflagen teilweise schwer zu überwinden sind. Der Beitrag schlussfolgert, dass für junge Geflüchtete und ihre Familien die Bedeutung des Wohnortes für individuelle Bildungschancen eine hohe Bedeutung zukommt und dass eingeschränkte Mobilität zum Wechsel des geografischen Kontextes Marginalisierungsprozesse dieser sozialen Gruppe vorantreiben kann.



Bildungsaspirationen und Schulabbruchquoten unter eingewanderten Jugendlichen: Eine vergleichende Analyse am Beispiel Islands, Dänemarks, Ungarns und Deutschlands

Markus Kohlmeier

University of Iceland, Iceland

Within Europe, Iceland has the highest school-leaving rate after compulsory education and a higher-than-average dropout rate during upper secondary education. Research shows that these patterns are prevalent in migratory contexts. However, there is limited quantitative research on the educational trajectories of immigrant students in Iceland.

The project aims to address the research gap on migration-related educational inequality in Iceland by examining three key aspects:

1) factors influencing the perception of challenges in remaining in the education system beyond compulsory and secondary education,

2) the impact of study and career counseling, as well as educational role models, on immigrant students’ educational aspirations, and

3) the drivers of immigrant students’ educational trajectories after transitioning to upper secondary and tertiary education.

The project will use data from the EDUCHANGE project, which is currently being conducted at the University of Iceland and partner institutions in Denmark, Germany, and Hungary. It will adopt an international comparative perspective to examine how different education systems and their levels of stratification influence educational outcomes. Although the focus is on Iceland, the project aims to address a broader international research gap. Studies across Europe show that immigrant students often make more ambitious educational choices than their non-immigrant peers, but these aspirations do not always lead to success, as seen in higher dropout rates. The reasons for this "aspiration-achievement paradox" are unclear, and existing research does not sufficiently compare education systems in this context.

The proposed project will contribute to the international field of research by:

a) Examining the factors that drive immigrant students’ educational trajectories within different education systems.

b) Conducting a comparative analysis of dropout rates at two critical transitions, i.e. from lower to upper secondary education and from upper secondary to tertiary education.

c) Examining how the institutional context influences the efficacy of study and career counseling, as well as of educational role models, in mitigating migration-related inequality during two key transitions and potentially reducing dropout at the subsequent level.