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AdH6: Alma Mater im Wandel? Transitionen von Sorgearbeit und Sorgebedarfen im akademischen Feld
Zeit:
Donnerstag, 25.09.2025:
14:15 - 17:00
Chair der Sitzung: Hanna Haag, Frankfurt University of Applied Sciences Chair der Sitzung: Julia Reuter Chair der Sitzung: Anja Mallat, Universität zu Köln Chair der Sitzung: Annette Hilscher, Frankfurt University of Applied Sciences & Gender- und Frauenforschungszentrum der hessischen Hochschulen Chair der Sitzung: Eva Tolasch Chair der Sitzung: Janet-Lynn Holz, Hochschule Fulda
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.
Zusammenfassung der Sitzung
Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.
Präsentationen
„Caminando juntxs - Care als methodologisches Prinzip zur Gewährleistung onto-epistemischer Zugänge in Forschung und Lehre aus intersektional-dekolonialer Perspektive“
María Cárdenas
Goethe Universität, Deutschland
Die Hochschule lässt sich nicht nur als Ort der Wissensgenerierung betrachten, sondern auch als Ort der Reproduktion und Verhandlung von Herrschafts- und Gewaltverhältnissen. Diese Verhältnisse werden durch institutionelle Strukturen, soziale und kulturelle Regeln, sowie die Prinzipien der neoliberalen Hochschule geprägt und beeinflussen unsere Praxis in Forschung und Lehre. Hierdurch sind Personen, die an Forschung und Lehre teilnehmen, auch von intersektional wirkenden Verletzungen entlang postkolonialer Achsen geprägt - sie verletzen und werden verletzt, wir verletzen und werden verletzt. Care kann in diesem Kontext als ethisches Prinzip in der Hochschule verstanden werden, dass versucht, sich diesen Verletzungen und ihrer Überwindung zu widmen. Darüber hinaus, und im Widerspruch zu den Anforderungen der neoliberalen Hochschule, so argumentiere ich in diesem Vortrag, ist Care aus intersektional-dekolonialer Perspektive jedoch ein relevantes methodologisches Prinzip zur Gewährleistung onto-epistemischer Zugänge in Forschung und Lehre. Ausgehend von meiner ethnographischen Forschung und am Beispiel des Ansatzes ‚Caminando Juntxs‘ (Gemeinsam gehen), stelle ich die Möglichkeiten, Potentiale und Herausforderungen von Care als methodologischem Prinzip zunächst in Forschung und anschließend in Lehre dar. Ich schließe aus einer intersektional-dekolonialer Perspektive mit einer kritischen Reflexion der Kosten von Care als methodogolischem und ethischem Prinzip und mit der Frage, wie diese Kosten im Kontext prekärer Verhältnisse und postkolonialer Machtstrukturen an unseren Hochschulen verteilt sind, und welche unintendierten Folgen das für unsere Forschungslandschaft haben könnte und welche Paradoxien sich hieraus für die akademische Sorgeverantwortung ergeben.
Das Gegenteil von Sorge – Machtmissbrauch in der Wissenschaft
Sandra Beaufays
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Nicht nur organisationale Strukturen, auch die wissenschaftliche Praxis ist niemals frei von Machtverhältnissen. Ganz im Gegenteil sind Machtverhältnisse eine soziale Grundlage der spezifischen Funktionsweise von Wissenschaft. Organisationale Bedingungen können dazu beitragen, die Machtwirkungen der Scientific Communities abzuschwächen oder zu verstärken. Dies wäre eine Sorgfaltspflicht von Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen gegegenüber Wissenschaftler*innen, die noch keine gefestigte Position im wissenschaftlichen Feld bezogen haben.
Die strukturellen Voraussetzungen von Wissenschaftskarrieren in Deutschland sind jedoch wenig geeignet, dieser Sorgfaltspflicht nachzukommen. Vielmehr begünstigen sie Machtmissbrauch insbesondere in Führungspositionen. So bringt bspw. das Promotionsmodell extreme und multiple Abhängigkeiten hervor. Zusätzlich werden durch diskriminierende Mechanismen (entlang von Sexismus, Rassismus, Ableismus etc.) die Chancen und Risiken in Wissenschaftskarrieren ungleich verteilt. Extreme Hierarchien verstärken die Benachteiligungen. Vulnerable Personengruppen werden in der (deutschen) Wissenschaft nicht geschützt, sondern sind der strukturellen Missbräuchlichkeit besonders ausgesetzt.
Sorglose Universitäten? Überlegungen zur Krisenhaftigkeit der Reproduktionsbedingungen akademischer Wissensproduktion und -vermittlung
Tine Haubner
Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Deutschland
Die Bologna-Reformen haben dazu beigetragen, europäische Hochschulen stärker an ökonomischen Kalkülen auszurichten und die Marktorientierung bereits im Studium zu fördern (vgl. Sambale et al. 2008). Zugleich hat ein Wandel in den Studiengängen stattgefunden, bei dem Kompetenzorientierung und Lernprozesse gegenüber dem Lehren gestärkt wurden. Das hat nicht nur zu einer Standardisierung akademisch-universitärer Lehre geführt, sondern auch einen Prozess der Qualitätssteigerung in Bezug auf die Lehre angestoßen (vgl. Erb 2025). Hochschullehre soll nicht nur praxis- und damit marktnäher, sondern auch unter besonderer Berücksichtigung individueller Lernbedürfnisse gestaltet werden. Aus der Sicht feministischer Care- und Reproduktionsforschung zeichnet sich dabei ein besonderer Aspekt der Krise sozialer Reproduktion im Kontext akademischer Lehre ab: Einerseits wird Care in Bezug auf eine stärker individuelle Betreuung von Studierenden gestärkt. Andererseits sind die materiellen und sozialen Voraussetzungen für eine solche Betreuungsqualität durch die mit der Marktorientierung verbundene Standardisierung der Lehre sowie hohe Leistungsanforderungen, prekäre Beschäftigungsbedingungen und restriktive Zeitregime in der Forschung insbesondere für Wissenschaftler*innen mit Sorgeverantwortung permanent gefährdet. Zugespitzt ließe sich formulieren, dass Universitäten einerseits vermehrt Reproduktionsfreundlichkeit (wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Gestalt des Zertifikats familiengerechter Hochschulen) als Standortfaktor in Zeiten steigender gesellschaftlicher Nachfrage nach quali¬fi¬zie¬rten Fachkräften und chronisch niedriger Geburtenraten bewerben müssen. Andererseits betreiben sie, durch den gesteigerten Marktdruck aber auch die tradiert androzentrische Konzeption wissenschaftlicher Karriereverläufe, eine permanente Externalisierung von Reproduktionskosten. Die Folgen sind nicht nur, dass insbesondere Frauen in der Wissenschaft nach wie vor geringere Karrierechancen haben, auch Erschöpfung, Prekarisierung und Ausschluss sind zu einem Gegenstand politischer Mobilisierung im universitären Kontext geworden. Der Beitrag beleuchtet widersprüchliche Anforderungen der akademischen Wissensproduktion aus feministisch gesellschaftstheoretischer Sicht und hinterfragt die „Sorglosigkeit“ (vgl. Aulenbacher/Dammayr/Décieux 2014) universitärer Forschung und Lehre.
Unsichtbare Sorgearbeit und wissenschaftliche Karrierebedingungen im Exzellenzwettbewerb
Lena Weber
GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften
Wissenschaftliche Exzellenz wird im Zuge der Ökonomisierung der Wissenschaft zunehmend vermessen. Als Kriterien dienen quantifizierbare Leistungen wie die Anzahl an Publikationen, der impact factor einer Fachzeitschrift in der veröffentlicht wird oder den ein Beitrag erreicht, das eingeworbene Drittmittelvolumen usw. Wissenschaftler*innen in frühen Karrierephasen sind zunehmend Druck ausgesetzt diese Kriterien bestmöglich zu erfüllen, um eine der wenigen Professuren und Aussicht auf unbefristete Beschäftigung zu erhalten. Gleichzeitig bleiben viele Tätigkeiten unsichtbar, die zur Aufrechterhaltung des wissenschaftlichen Betriebs notwendig und relevant sind – analog zum Privaten – die akademische Sorgearbeit. Studien zeigen, dass Männer und Frauen unterschiedlich in akademische Sorgearbeit eingebunden sind und diese vor allem für Frauen eher karrierehinderlich ist. Der Beitrag diskutiert diese Befunde vor dem Hintergrund gegenwärtiger Entwicklungen in der Wissenschaft.