Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
AdH1: Ableismusforschung als Work in Progress: Transitionspotentiale innerhalb und außerhalb der Dis/ability Studies
Zeit:
Dienstag, 23.09.2025:
14:15 - 17:00

Chair der Sitzung: Hannah Kröll, Universität Duisburg-Essen
Chair der Sitzung: Robel Afeworki Abay, Alice Salomon Hochschule Berlin
Sitzungsthemen:
Meine Vortragssprache ist Deutsch.

Zusammenfassung der Sitzung

Alle Vorträge der Veranstaltung werden auf Deutsch gehalten.


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Präsentationen

Ableismusforschung als Work in Progress: Transitionspotentiale innerhalb und außerhalb der Dis/ability Studies

Tobias Buchner1, Gertraud Kremsner2, Saskia Schuppener3, Vanessa Rau4

1Pädagogische Hochschule Oberösterreich; 2Universität Koblenz; 3Universität Leipzig; 4Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften

Forschung zu dis/ability ist wie ihr Gegenstandsbereich von Transitionen geprägt und entwickelt sich national und international in neue Bereiche wie die Deaf Studies (Rombach & Kellermann 2022; Young & Temple 2014) oder die Mad Studies (Beresford & Russo 2021; Lüthi 2022) hinein. Ableismusforschung hingegen ist im englischsprachigen Raum verbreiteter als in deutschsprachigen Ländern (Bogart & Dunn 2019; Buchner u. a. 2015; Waldschmidt & Schillmeier 2022). Ziel der Ad-hoc-Gruppe ist es, die deutschsprachige soziologische Debatte um den Ableismusbegriff zu fördern.

Zahlreiche Autor*innen (z.B. Afeworki Abay 2022; Goodley 2014) beziehen sich auf Campbell (2009: 5) als grundlegende Definition von Ableismus als „[a] network of beliefs, processes and practices that produce a particular kind of self and body […] that is projected as […] essentially and fully human“. Infolgedessen erleben behinderte Menschen Ableismus als repressive Machtstruktur (Waldschmidt & Schillmeier 2022), da ihnen ein vermindertes Maß an Menschlichkeit zugeschrieben werde (Campbell 2009; Evans 2020). Entsprechend hängen sowohl Unterdrückung als auch Privilegien mit Ableismus zusammen (Black & Stone 2005; Evans 2020). Wansing (2014) zufolge fehle es jedoch an einer empirisch fundierten und theoretisch konsistenten Begründung der Annahme, Behinderung als Differenzkategorie determiniere Ressourcenzugänge systematisch. Dementsprechend kann weiterer Theoretisierungsbedarf attestiert werden (Waldschmidt & Schillmeier 2022), der in dieser Ad-hoc-Gruppe bearbeitet werden soll.

Transitive und transformative Potentiale der Ableismusforschung für die Soziologie, spezieller auch für die Dis/ability Studies, und für das gesellschaftliche Zusammenleben stehen hierbei im Fokus. Mithilfe dreier Impulsvorträge von Tobias Buchner, Gertraud Kremsner und Saskia Schuppener sowie Vanessa Rau und einer anschließenden Podiumsdiskussion bearbeitet die Ad-hoc-Gruppe unter anderem die Fragen:

- Wie wird Ableismus in Aktivismus, Politik und Wissenschaft verhandelt? Welche theoretischen und methodologischen Impulse gibt es?

- Welche Potentiale und Herausforderungen sind mit Ableismusforschung verbunden?

- In welchem Verhältnis steht Ableismus zu anderen gesellschaftlichen Machtstrukturen wie z.B. (Cis-)Sexismus, Rassismus oder Klassismus? Welche Differenzen, Interdependenzen und Intersektionen lassen sich herausarbeiten?



Ableismuskritik in und durch Ansätze partizipativen Forschens und Lehrens

Gertraud Kremsner1, Saskia Schuppener2

1Universität Koblenz; 2Universität Leipzig

Ansätze des gemeinsamen Forschens in differenten Disziplinen (z.B. Soziale Arbeit, Soziologie, Erziehungswissenschaft) – vor allem in emanzipatorisch ausgerichteten, wie den Dis/Ability Studies oder den Gender Studies – sowie Konzepte partizipativer Lehre fordern traditionelle Verständnisse von Wissenschaft heraus (Schuppener, Goldbach & Hauser 2024). Insbesondere im Hinblick auf epistemologische und methodologische Fragen lassen sich hier aus ableismuskritischer Perspektive diverse Spannungsfelder identifizieren.

Vor dem Hintergrund der konzeptionellen Zugänge des „Academic Ableism“ (Dolmage 2017; Brown & Leigh 2020), der „Epistemischen Gewalt“ (Brunner 2020) sowie der „Epistemischen Ungerechtigkeit“ (Fricker 2023) möchten wir in unserem Beitrag Zugangs- und Wissens(re)produktionsbedingungen im Kontext gemeinsamer Forschung und partizipativer Lehre hegemonieselbstkritisch hinterfragen und diskutieren (Geldner-Belli, Klöpfer, Hanf & Kremsner 2024; Schuppener & Hauser 2025). Dies erfolgt auf der Basis einer Ableismuskritik, die bedeutsam ist für die Reflexion partizipativer Forschung und Lehre, wenn man anerkennt, dass „wissenschaftliche Wissensproduktion […] nie losgelöst von Macht- und Herrschaftsverhältnissen und damit nicht ambivalenzfrei sein [kann] (Flick & Hoppe 2021: 37).

Wir greifen aktuelle kritische Diskurse auf (Flick & Herold 2021; Hauser, Goldbach, Schuppener, Leonhardt & Hellmann, i.E.) und verknüpfen sie mit Beispielen aus eigenen partizipativen Forschungs-und Lehrerfahrungen, um Verdeckungen, Leerstellen und Dethematisierungen ableismuskritisch zu enttarnen und damit bearbeitbar zu machen. Hierbei möchten wir auch Bezug nehmen auf die Zielperspektive eines „UnDoing Epistemic Voilence“ (Brunner 2020: 306) und die damit verbundenen Anforderungen an Transitionspotentiale durch ‚Partizipation in der Wissenschaft‘.



Affektive Ökonomien von Migration und Dis*ability: Sozio-historische Verflechtungen von Ableismus und Rassismus

Vanessa Rau

Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften

Die Intersektion von Migration und Behinderung wurde lange Zeit in der empirischen Forschung vernachlässigt. Dies gilt sowohl für Politik und zivilgesellschaftliche Organisationen, als auch für die Sozialwissenschaften und die Migrationsforschung. Vor diesem Hintergrund nimmt der Beitrag diese Intersektion im Kontext ihrer jeweiligen Logiken und Schnittmengen in den Blick und analysiert die psychosozialen Dynamiken, Machtstrukturen und Ausgrenzungsmechanismen, die beiden Kategorien zugrunde liegen. Basierend auf der Forschung mit Akteur*innen aus dem Umfeld einer deutschen Behindertenrechtsorganisation (Rau & Baykara-Krumme 2024) analysiert der Beitrag die affektiven Dynamiken im Kontext von Migration und Dis*ability. Der Fokus dabei liegt auf der Frage, inwieweit die Prozesse des ableistischen und rassifizierten Othering eine ähnliche Genese aufweisen und inwiefern ihre individuellen aber auch sich überschneidenden praxeologischen Logiken vergleichbar sind.

Unter Rückgriff auf psychoanalytische Annäherung an Migration, Fremdheit und Rassismus auf der einen (Bohleber 2016; Davids 2011) und Konstruktionen von Behinderung und Unbewusstem auf der anderen (Kristeva 2010; Rommelspacher 2015) diskutiert der Beitrag deren Intersektionen und Parallelen am Beispiel von Deutschland und seinen postnationalsozialistischen Konstellationen (Herzog 2024). Schließlich diskutiert der Beitrag nicht nur die zugrundeliegenden psychosozialen Mechanismen, sondern formuliert auch die Notwendigkeit eines Zusammendenkens beider Kategorien, nicht zuletzt angesichts der aktuellen politischen Lage.



Ableismuskritische Perspektiven auf Intersektionalität im Kontext inklusiver Bildung

Tobias Buchner

Pädagogische Hochschule Oberösterreich

Im Beitrag wird auf ein breites Verständnis von Ableismus Bezug genommen. Dieses geht über die prominente Fokussierung hinaus, entlang derer vor allem binarisierende Fähigkeitskonstruktionen in dis/abled und die damit verbundenen Diskriminierungen im Kontext von Behinderung untersucht und kritisiert wurden. Ein breites Verständnis setzt Ableismus in einen strukturellen und gesellschaftlichen Kontext, in dem Fähigkeit als soziales Ordnungsprinzip fungiert. Dabei wird nicht nur gefragt, wer behindert wird, sondern wie gesellschaftliche Normen, Institutionen und Machtverhältnisse bestimmte Fähigkeiten zur Voraussetzung für Teilhabe und Anerkennbarkeit machen und mit Hierarchisierungsprozessen verknüpfen. Im Vortrag werden die hier ersichtlich werdenden Strukturmerkmale der ableistischen Ordnung in Hinblick auf ihr Zusammenspiel mit einer weiteren Achse der genannten Ordnung in den Blick genommen: ihrer ausgesprochenen Bindungsfreudigkeit mit weiteren Differenzordnungen (Buchner & Akbaba 2023). Demzufolge spielen Fähigkeitszuschreibungen eine wesentliche Rolle in intersektionalen Machtverhältnissen. So zeigen etwa koloniale (Wissens-)Ordnungen, Arbeitsmarktausschlüsse oder Fluchtregime, wie durch normative Fähigkeitszuschreibungen rassifizierte Gruppen systematisch benachteiligt, ausgegrenzt oder auch getötet werden (Afeworki Abay 2023). Diese Überlegungen aufgreifend wird im Beitrag danach gefragt, welche Möglichkeiten ein solches breites Verständnis von Ableismus in Bezug auf Forschungen zu (inklusiver) Bildung eröffnen – die sich zum Ziel setzt, Differenz(en) ermächtigend zu bearbeiten, fähigkeitsbezogene Hierarchisierungen zu vermeiden und sozusagen als „Gegenspielerin ableistischer Subjektivierung in Schulen“ (Buchner 2022: 67) zu wirken. Dazu werden zunächst zentrale Ergebnisse der Bildungsforschung zu sozialer Ungleichheit, wie die Überrepräsentation migrantisierter Schüler*innen im sonderpädagogischen Fördersystem (Artiles 2017), deren Unterrepräsentation an Gymnasien (SVR 2019) oder das Zusammenspiel von sozialer Herkunft und Zuschreibungen von Lernbehinderungen (Pfahl 2011) re-inspiziert und anschließend anhand aktueller empirischer Beispiele aus vermeintlich inklusiven Settings Möglichkeitsfelder einer solchen theoretischen Folie für Inklusionsforschung ausgelotet.



 
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