Hier finden Sie eine Übersicht über unser Tagungsprogramm. Eingefärbt dargestellt sind englischsprachige Sessions (gelb) bzw. Sessions mit einzelnen englischsprachigen Beiträgen (hellgelb). Alle nicht farbig dargestellten Sessions sind deutschsprachig, auch bei englischsprachiger Übersetzung des Sessiontitels in der übersetzten Programmübersicht.
B6: Evaluation als Wissens- und Lerninstrument im Umweltbereich
Zeit:
Donnerstag, 18.09.2025:
16:30 - 18:00
Leitung der Sitzung: Dominik Jessing, ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH
Zusammenfassung der Sitzung
Evaluationen im Umweltbereich zeichnen sich durch eine große Vielfalt verschiedener Themenbereiche, Strukturen und Rahmenbedingungen aus. Das Feld spannt sich von „Laienevaluationen“ im Kleinprojekten (Wie können wir unser lokales Schutzgebiet besser entwickeln?) bis hin zu durchstrukturierten und budgetstarken Evaluationen für milliardenschwere Förderprogramme (Wie gestalten wir die Energiewende sozialverträglich?). Entsprechend vielschichtig und uneinheitlich sind Zwecke, Vorgehensweisen und Methoden sowie in der Konsequenz auch der Stand der Umweltevaluation in Bezug auf Professionalisierung und Institutionalisierung.
In dieser Session werden drei Vorträge zusammengeführt, die jeweils anhand von Praxisbeispielen auf unterschiedliche Aspekte aus dem Feld der Umweltevaluation eingehen und spezifische Fragestellungen und Herausforderungen fokussieren. Gemeinsam beleuchten sie die Frage: Wie steht es um die Professionalisierung und Institutionalisierung in der Umweltevaluation?
Präsentationen
Evaluation der Wissenskommunikation und wissenschaftsbasierten Politikberatung des Bundesamts für Naturschutz am Beispiel der Fallstudie „Biodiversitätsverluste in FFH-Lebensraumtypen des Offenlandes“
Matthias Klapproth
CEval GmbH, Deutschland
Ziel institutioneller Evaluationen von Ressortforschungseinrichtungen ist die Identifizierung von Stärken und Schwächen sowie die Formulierung von Empfehlungen zur Verbesserung der Gesamtleistung einer Ressortforschungseinrichtung. Basierend auf dem "Leitfaden für die institutionelle Evaluation von Einrichtungen mit Ressortforschungsaufgaben des Bundes" wurde das Bundesamt für Naturschutz (BfN) durch den Wissenschaftsrat im Jahr 2024 evaluiert. In diesem Rahmen wurde die CEval GmbH mit der Umsetzung einer Begleitstudie zur Wissenskommunikation und wissenschaftsbasierten Politikberatung des BfN beauftragt. Gegenstand der Untersuchung war die Fragestellung, inwiefern das BfN Wissenstransferleistungen in der Praxis erfolgreich betätigt und wie diese sich im Rahmen einer Evaluation bewerten lassen.
Da die Effekte von Ressortforschung nur schwer quantifizierbar sind und sich entlang komplexer Wirkungspfade über längere Zeiträume entfalten, sollte dies anhand des Forschungsvorhabens "Biodiversitätsverluste in FFH-Lebensraumtypen des Offenlandes" qualitativ untersucht werden. Eine Grundannahme war, dass ein lineares Modell des Wissenstransfers in gesellschaftliche Bereiche nicht realistisch ist. Für die Evaluation wurde mit dem FIV-Modell (Forschung-Integration-Verwertung) ein methodischer Ansatz gewählt, der im Kontext der institutionellen Evaluierung der Ressortforschungseinrichtungen genutzt wird und der die Integration, also die Ausrichtung der Forschung auf politische und praktische Probleme, hervorhebt.
Der methodische Ansatz legt plausibel dar, dass durch die Förderung hochwertiger Forschung und Integrationsmaßnahmen die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse entscheidend gefördert wurde. Ungeachtet anfänglicher Widerstände wurden gezielt Handlungsmaßnahmen mit internen und externen Akteuren entwickelt und umgesetzt, die maßgeblich zu Gesetzesänderungen und Maßnahmen führten. Insgesamt etabliert das FIV-Modell einen praxisnahen, theoriegeleiteten Standard, der die besondere Rolle von Wissensdienstleistern für Politik und Gesellschaft differenziert abbildet und somit eine tragfähige Basis für institutionelle Evaluationen bildet.
Wege zur Professionalisierung und Institutionalisierung von Evaluationen im Umweltbereich: Das Beispiel des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschu
Svenja Bertram, Sophie Ittner
DLR-PT, Deutschland
Die Dringlichkeit, auf die Klima- und Biodiversitätskrise zu reagieren, erfordert wirkungsvolle und effiziente Maßnahmen. Um dieser Doppelkrise zu begegnen, hat die Bundesregierung 2023 das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) verabschiedet. Ziel des Programms ist es, die Ökosysteme in Deutschland nachhaltig zu stärken, ihre Klimaschutzleistung und Resilienz zu verbessern und gleichzeitig die biologische Vielfalt zu schützen. Nicht nur ist in den Bereichen Klimaschutz und Biodiversität der Nachweis von Wirkung methodisch anspruchsvoll, auch die Komplexität durch 69 Maßnahmen in den zehn Handlungsfeldern, die Vielzahl der Förderprogramme sowie involvierten Akteur*innen stellen besondere Ansprüche an die Konzeption.
Ein entscheidender Bestandteil des ANK ist ein adaptives Evaluationssystem, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu untersuchen und langfristig zu optimieren. Um den Herausforderungen zu begegnen, wurde ein programmübergreifendes Evaluationskonzept entwickelt. Dieses Konzept entstand innerhalb der ANK-Regiestelle, die beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) angesiedelt und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) beauftragt ist. Die Grundlage hierfür bildet ein wirkungsorientiertes Monitoring- und Evaluationssystem, das eine systematische, institutionalisierte Evaluation auf allen Ebenen – von der Projekt- bis zur Programmebene –ermöglicht. Eine zentrale Herausforderung ist dabei die institutionelle Verankerung der Evaluation in einem dynamischen und komplexen System.
Der Vortrag mit anschließender Diskussion geht daher auf folgende Fragestellungen ein:
Wie gelingen die Institutionalisierung und Professionalisierung von Evaluation in einem Umfeld, das von politischer Schnelllebigkeit, unterschiedlichen Akteuren, der damit einhergehenden Dynamik und Interdisziplinarität geprägt ist?
Welche spezifischen Anforderungen stellen Evaluationsgegenstände im Bereich von Klimaschutz- und Biodiversitätsschutzmaßnahmen an die Institutionalisierung und Professionalisierung von Evaluation?
In dem Vortrag werden die bisherigen Erfahrungen aus der Konzeption und Institutionalisierung des Evaluationssystems sowie das Evaluationskonzept als zentrale Ausgangspunkte für einen anschließenden, interaktiven Austausch mit dem Publikum vorgestellt und erläutert. Dabei werden Erfolgsfaktoren, Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze präsentiert, die als Ausgangspunkt für den Austausch dienen.
Öffentliche Förderprogramme werden als Instrumente zur Steuerung politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen genutzt, deren Gelingen sich in der Regel evaluieren lässt. Damit Erkenntnisse aus entsprechenden Evaluationen rechtzeitig vorliegen, um im laufenden Förderprogramm informiert nachjustieren zu können oder in Planung befindliche Programme entsprechend zu konzipieren, bieten sich begleitende Evaluationen an.
Ab einer bestimmten Anzahl geförderter Projekte innerhalb eines Förderprogramms gibt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) sogenannte Vernetzungs- und Transfervorhaben (VuT) zur Begleitung ihrer geförderten Projekte in Auftrag. Neben der fachlichen Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit zugunsten dieser Projekte beinhalten die VuT auch eine begleitende Evaluation auf Programmebene. Die Evaluation von BLE-Förderprogrammen ist institutionell zwar nicht fest verankert; seit längerem ist sie als wirkungsorientiertes Steuerungsinstrument der BLE dennoch gängige Praxis, um den Grad der Zielerreichung von Förderprogrammen zu ermitteln, verallgemeinerbares Wissen zu erlangen und Handlungsempfehlungen für verschiedene Akteure inner- und außerhalb des jeweiligen Förderprogramms abzuleiten.
Dieser Einzelvortrag soll der Präsentation und Diskussion einer solchen Evaluation dienen, die die Vortragenden derzeit im Auftrag der BLE im Rahmen der VuT für eine Fördermaßnahme zur Reduzierung von Kunststoffverpackungen entlang der Lebensmittelkette umsetzen. Hierbei steht das Evaluationskonzept im Fokus, das durch die herausfordernde Vorgabe geprägt ist, die einzelnen Projekte zwar keiner projektspezifischen Erfolgskontrolle zu unterziehen, ihre Ergebnisse aber dennoch in die begleitende Evaluation der Fördermaßnahme einfließen zu lassen. Die Herausforderung ergibt sich aus der Annahme, dass der Erfolg von Einzelprojekten den Erfolg der Fördermaßnahme bedingt. Im Mittelpunkt des Vortrags steht die Frage, inwiefern diese Vorgabe methodisch angemessen erfüllt werden kann. Die Vortragenden stellen vor, wie sie in der Evaluation für die BLE mit dieser Herausforderung umgegangen sind und welche Rolle dabei die Distanz zwischen Projektzielen einerseits und Programmzielen andererseits sowie die Operationalisierbarkeit der Programmziele spielen.
Mit Blick auf das Tagungsthema zielt der Beitrag auf die Frage ab, welche Bedingungen für die Institutionalisierung vergleichbarer Evaluationen besonders förderlich und welche eher hinderlich sind.