Hier finden Sie eine Übersicht über unser Tagungsprogramm. Eingefärbt dargestellt sind englischsprachige Sessions (gelb) bzw. Sessions mit einzelnen englischsprachigen Beiträgen (hellgelb). Alle nicht farbig dargestellten Sessions sind deutschsprachig, auch bei englischsprachiger Übersetzung des Sessiontitels in der übersetzten Programmübersicht.
B4: Professionalisierung evaluativer Praxis in sozialpolitischen Handlungsfeldern
Zeit:
Donnerstag, 18.09.2025:
16:30 - 18:00
Leitung der Sitzung: Stefanie Reiter, Deutsches Jugendinstitut e.V. Leitung der Sitzung: Olaf Lobermeier, Ostfalia Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel
Zusammenfassung der Sitzung
Soziale Dienstleistungen sehen sich in unterschiedlichen sozialen Feldern einem zunehmenden Legitimationsdruck ausgesetzt. Diesem wird verstärkt mit qualitätssichernden Maßnahmen und Evaluationen begegnet. In drei Beiträgen aus unterschiedlichen sozialpolitischen Feldern wird der Frage nachgegangen, inwiefern Qualitätsentwicklung und Evaluation nicht nur zur Wirksamkeit von Programmen und Maßnahmen, sondern auch zu einer Professionalisierung in den jeweiligen Handlungsfeldern beitragen können. Dabei werden die Anregungspotenziale der Ansätze auf andere Felder diskutiert.
Ludwig Grillich: Evidenzinformierte Bewertungskriterien als Professionalisierungsansatz der Evaluation in der Gesundheitsförderung
Der erste Beitrag thematisiert die Professionalisierung der Evaluation in der Gesundheitsförderung, die transparente, wissenschaftlich fundierte Bewertungskriterien für komplexe Interventionen erfordert. Er zeigt am Beispiel kommunaler Projekte zur Stärkung der sozialen Integration älterer Menschen, wie evidenzinformierte Bewertungskriterien partizipativ entwickelt, gewichtet und angewendet werden und zur Professionalisierung von Evaluation beitragen können. Darauf aufbauend lässt sich das Transferpotenzial des evidenzinformierten Ansatzes in andere Politikfelder diskutieren.
Lotta Rahlf: Institutionalisierung von Evaluation und Qualitätsmanagement in der Extremismusprävention: Ein Vergleich von 13 europäischen Ländern
Der folgende Beitrag widmet sich dem Stand der Institutionalisierung von Evaluation und Qualitätsmanagement in der Extermismusprävention. Für das Feld wird erstens dargestellt, wie sich die Institutionalisierung empirisch messen lässt. Zweitens werden die Ergebnisse eines Ländervergleichs zum Stand in 13 europäischen Ländern präsentiert. Anschließend werden die Ergebnisse einer qualitativen vergleichenden Analyse (QCA) vorgestellt, die Bedingungen für einen hohen Institutionalisierungsgrad im Politikfeld identifiziert. Mit Überlegungen zur Übertragbarkeit der Ergebnisse möchte der Beitrag eine Diskussion über fördernde und hemmende Faktoren für die Institutionalisierung von Evaluation anregen.
Angela Wroblewski: Fehlende Professionalisierung in der Gleichstellungspolitik durch Mangel an Monitoring und Evaluation
Der dritte Beitrag beschäftigt sich mit der Entwicklung von Gleichstellungspolitiken, welche durch ein Fehlen von Monitoring und Evaluation gekennzeichnet ist. Damit fehlen die Grundlage für die Weiterentwicklung von Maßnahmen sowie die Basis für einen gleichstellungspolitischen Diskurs. Der Vortrag beschreibt dies anhand der Gleichstellungspolitik im Rahmen des gemeinsamen Europäischen Forschungsraums (ERA). Es wird die Relevanz von Monitoring für einen gleichstellungspolitischen Diskurs dargestellt und diese dem Status Quo (Ergebnisse einer Befragung von Mitgliedsstaaten) gegenübergestellt. Auf dieser Basis werden die Konsequenzen des fehlenden Monitorings herausgearbeitet. Abschließend werden Empfehlungen für Europäische, nationale und institutionelle Akteur:innen formuliert, die zu einer Stärkung von Monitoring und Evaluation in einem vollständigen Politikzyklus beitragen sollen.
Präsentationen
Evidenzinformierte Bewertungskriterien als Professionalisierungsansatz der Evaluation in der Gesundheitsförderung
Ludwig Grillich
Donau Universität Krems, Österreich
Hintergrund: Eine Professionalisierung der Evaluation in der Gesundheitsförderung erfordert transparente, wissenschaftlich fundierte Bewertungskriterien. Bei komplexen Interventionen besteht eine Herausforderung darin, geeignete Bewertungskriterien zu identifizieren und anzuwenden. Der Beitrag zeigt am Beispiel kommunaler Projekte zur Stärkung der sozialen Integration älterer Menschen, wie evidenzinformierte Bewertungskriterien zur Professionalisierung von beitragen können.
Fragestellung: Wie können evidenzinformierte Bewertungskriterien für komplexe Gesundheitsförderungsinterventionen zur Stärkung der sozialen Integration älterer Menschen partizipativ entwickelt, gewichtet und angewendet werden? Welche Faktoren sind dabei im kommunalen Setting förderlich oder hemmend?
Methode: Die Evaluation folgt dem Ansatz des “Evidence-Informed Decision Making in Public Health” des National Collaborating Centre for Methods and Tools https://www.nccmt.ca/tools/eiph. Nach systematischer Literaturrecherche und Qualitätsbewertung relevanter Leitlinien (AGREE II) sowie systematischer Reviews (AMSTAR 2) wurden Bewertungskriterien extrahiert und durch Qualitätskriterien der Gesundheitsförderung ergänzt. Eine Empfehlungsgruppe aus Praktikern, Finanzgebern und Zielgruppenvertretern priorisierte die Bewertungskriterien mittels einer Delphi-Befragung. Die EvaluatorInnen wandten das entwickelte Bewertungsinstrument bei 14 kommunalen Projekten an.
Resultate: Es wurden 39 spezifische, messbare und stakeholdervalidierte Bewertungskriterien identifiziert (7 zu Projektbedingungen, 17 zum Projektplan, 12 zur Projektumsetzung, 3 zu Projektresultaten). Der systematische Bewertungsprozess identifizierte Stärken (Chancengerechtigkeit, Zielgruppenorientierung, umfassender Gesundheitsbegriff), Verbesserungspotenziale (Qualifikation der Mitarbeitenden, Bedarfsorientierung, Vernetzung, Partizipation) und ermöglichte eine transparente Identifikation förderungswürdiger Projekte.
Interpretation: Der Beitrag zeigt, wie Professionalisierung von Evaluation durch systematische Kriterien-Entwicklung und Stakeholder-Einbindung erfolgen kann. Förderlich waren die systematische Literaturarbeit und der partizipative Ansatz. Hemmend wirkten der hohe Entwicklungsaufwand und unterschiedliche Kommunikationsbereitschaft der Stakeholder. Der evidenzinformierte Ansatz bietet Potenzial für Transfer in andere Politikfelder.
Institutionalisierung von Evaluation und Qualitätsmanagement in der Extremismusprävention: Ein Vergleich von 13 europäischen Ländern
Lotta Rahlf
PRIF – Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung, Deutschland
Die Institutionalisierung von Evaluation hat in verschiedenen Politikfeldern umfassende wissenschaftliche Beachtung gefunden, insbesondere in der Entwicklungszusammenarbeit und der öffentlichen Politik. Dort wurden Analyserahmen und Indikatoren zur Messung und Bewertung der institutionellen Verankerung von Evaluation entwickelt. Ein bislang wenig untersuchtes Feld ist jedoch die Extremismusprävention – ein Bereich von hoher sicherheitspolitischer und gesellschaftlicher Relevanz, in dem Evaluation bislang eine eher untergeordnete Rolle spielt. Die Untersuchung der Institutionalisierung von Evaluation und Qualitätsmanagement könnte dazu beitragen, dieses Paradoxon besser zu verstehen. Der Konferenzbeitrag verfolgt drei Ziele: Erstens wird dargestellt, wie sich die Institutionalisierung von Evaluation und Qualitätsmanagement in der Extremismusprävention empirisch und ländervergleichend messen lässt. Dazu wird ein bestehender Analyserahmen der DeGEval auf dieses spezifische Anwendungsfeld angepasst, wobei dessen Besonderheiten herausgearbeitet werden. Zweitens werden die Ergebnisse eines vergleichenden Ländervergleichs präsentiert, der den Stand der Institutionalisierung in 13 europäischen Ländern untersucht. Dabei zeigt der Beitrag auf, welche Unterschiede sowohl im Grad als auch in der Art der Institutionalisierung bestehen. Während einige Länder wie Großbritannien, Finnland, die Schweiz und Deutschland bereits etablierte Evaluationsstrukturen aufweisen, stehen andere, etwa Spanien oder Italien, noch am Anfang dieser Entwicklung. Diese Heterogenität bietet eine einzigartige Gelegenheit, Erkenntnisse über die Bedingungen für eine erfolgreiche Institutionalisierung von Evaluation und Qualitätsmanagement zu gewinnen. Deswegen werden drittens und letztens die Ergebnisse einer qualitativen vergleichenden Analyse (QCA) vorgestellt, die notwendige und hinreichende Kombinationen an Bedingungen für einen hohen Institutionalisierungsgrad im Politikfeld der Extremismusprävention zu identifizieren versucht. Damit leistet der Beitrag einen wichtigen Impuls zur wissenschaftlichen Reflexion über die besonderen Herausforderungen der Evaluationsforschung in einem hochpolitisierten Feld wie der Extremismusprävention. Mit abschließenden Überlegungen zur Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Politikfelder hofft der Beitrag eine Diskussion über fördernde und hemmende Faktoren für die Institutionalisierung von Evaluation und Qualitätsmanagement anregen zu können.
Fehlende Professionalisierung in der Gleichstellungspolitik durch Mangel an Monitoring und Evaluation
Angela Wroblewski
Institut für höhere Studien (IHS), Austria
Die Entwicklung von Gleichstellungspolitiken basiert im Idealfall auf einem vollständigen Politikzyklus, d.h. ausgehend von einer Genderanalyse, werden Ziele definiert, Maßnahmen entwickelt, diese werden umgesetzt, einem Monitoring unterzogen und schließlich evaluiert. Die Praxis im Bereich der Gleichstellungspolitik ist jedoch durch ein Fehlen von Monitoring und Evaluation gekennzeichnet. Damit fehlt nicht nur die Grundlage für die professionelle Weiterentwicklung von Maßnahmen, sondern auch die Basis für einen gleichstellungspolitischen Diskurs, in dessen Rahmen Akzeptanz für Gleichstellungsziele hergestellt wird, Genderkompetenz aufgebaut und Widerstand begegnet werden kann.
Der Vortrag beschreibt dieses Phänomen anhand der Gleichstellungspolitik im Rahmen des gemeinsamen Europäischen Forschungsraums (ERA). ERA ist dadurch gekennzeichnet, dass Ziele auf Europäischer Ebene vereinbart werden und die Verantwortung für die Zielerreichung auf nationaler Ebene liegt. Damit besteht sowohl auf EU wie auch auf nationaler Ebene gleichermaßen Bedarf an Monitoring und einem gleichstellungspolitischen Diskurs. Monitoring kommt eine zentrale Rolle für den Diskurs zu, da damit ein gemeinsames Verständnis der gleichstellungspolitischen Probleme und zentraler Konzepte (wie z.B. Intersektionalität) hergestellt und eine Verbindung zwischen der Europäischen und der nationalen Ebene geschaffen werden kann.
Im Vortrag wird in einem ersten Schritt die Relevanz von Monitoring für einen gleichstellungspolitischen Diskurs auf Europäischer und nationaler Ebene dargestellt und diese dem Status Quo (Ergebnisse einer Befragung von Mitgliedsstaaten) gegenübergestellt. Auf dieser Basis werden in einem zweiten Schritt die Konsequenzen des fehlenden oder wenig aussagekräftigen Monitorings herausgearbeitet. In einem dritten und abschließenden Schritt werden Empfehlungen für Europäische, nationale und institutionelle Akteur:innen formuliert, die zu einer Stärkung von Monitoring und Evaluation in einem vollständigen Politikzyklus beitragen sollen.
Quellen:
GENDERACTIONplus (2025), Using the leverage effect of monitoring: strong monitoring to support effective gender equality policy.
Wroblewski, Angela (2024). Second report on monitoring ERA Action 5 implementation at national level.