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Sitzungsübersicht
Sitzung
D1: Session D1: Anspruch, Potenziale und Konsequenzen von Evaluationen in sozialen Bereichen
Zeit:
Freitag, 15.09.2023:
11:00 - 12:30


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Präsentationen

Schulevaluation und Schulleistungsstudien – Konsequenzen für Unterricht, Schul- und Bildungspolitik?

Heiner Rindermann

Technische Universität Chemnitz, Deutschland

Die international vergleichenden Schulleistungsstudien (TIMSS, PISA, IGLU-PIRLS u. a.) sowie die innerdeutschen Vergleichsstudien (IQB) kommen zu robusten Ergebnismustern. International liegen Länder in Ostasien vorn, gefolgt von westlichen Ländern, deutlich schwächere Resultate finden sich in Lateinamerika, im arabisch-muslimischen Raum und Südasien sowie in Subsaharaafrika. Innerhalb Deutschlands liegen in West wie Ost die südlichen Länder vorne, schwächer sind Bremen und Berlin. Bis auf einzelne Staaten und Regionalerhebungen finden sich zuverlässige Ergebnisse, die auf ein allgemeines Fähigkeitsniveau hindeuten.

Eine andere Frage ist, was man aus diesen Studien über die Qualität von Unterricht und Bildungssystemen lernen kann und was sich verbessern lässt. Hier variieren die Positionen zwischen „nichts“, man kann aufgrund der nichtexperimentellen Anlage der Studien nichts über Ursachen und Verbesserungsmöglichkeiten lernen, „etwas“, einzelne Fragestellungen wie die Wirkungen von Zentralprüfungen lassen sich bei Kontrolle von anderen Merkmalen untersuchen, bis zu „viel“, die gegebene nichtexperimentelle Variation lässt sich mittels statistischer Verfahren analysieren und Kausalfaktoren lassen sich so bestimmen.

An letzteren Ansätzen zeigt sich aber geringes Interesse, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Rezeption durch Medien und Bildungspolitik. Dies trifft insbesondere auf Analysen der Ursachen der innerdeutschen Unterschiede zu. Meines Erachtens können hierfür vier Gründe herangezogen werden:

(1) Methodische Fremdheit. In relevanten Disziplinen gibt es das Ideal der kleinen sauberen gut kontrollierten Studie mit Individualdaten.

(2) Politische Abhängigkeit. Institutionen aber auch einzelne Forscherinnen und Forscher sind in ihrer Forschung von politischen Entscheidungsträgern abhängig.

(3) Politisch-weltanschauliche Verzerrung. Die Sozialwissenschaften sind politisch stark in eine Richtung geneigt. Es ist schwierig, in einem solchen Milieu bestimmte Resultate zu artikulieren.

(4) Disziplinäre Fraktionierung, Wissensdefizite und Anpassung: Das Ideal der kleinen Studie, der Zwang zum Einwerben von Drittmitteln und der Publikationsdruck verengen den Horizont. Man ist in Forschung und Werdegang vom Urteil anderer im eigenen Feld abhängig.

Dies alles führt dazu, dass Schulleistungsstudien für eine rationale und wissensbasierte politische Steuerung der Politik (insbesondere Bildungspolitik) nicht angemessen genutzt werden.



Evaluation in Kindertageseinrichtungen: Zwischen Anspruch und Realität

Melina Preuß, Lisa Ulrich

Deutsches Jugendinstitut e.V.

Kindertageseinrichtungen können einen zentralen Beitrag zur Chancengerechtigkeit von Kindern leisten. Besonders positiv wirkt sich der Besuch einer Kindertageseinrichtung (Kita) auf die kindliche Entwicklung aus, wenn entsprechende Angebote qualitativ hochwertig ausgestaltet sind. Jedoch sind Regelungen zur Qualitätssicherung und -entwicklung in Kitas hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben sowie der praktischen Umsetzung in Deutschland sehr heterogen gestaltet. Auf Bundesebene liegt die Zuständigkeit zur Qualitätsentwicklung bei den jeweiligen ausführenden Organen der Länder, auf Landesebene variiert der Grad an gesetzlichen Vorgaben und in der Realität wird oftmals den Trägern von Kitas die zentrale Rolle bei der praktischen Ausgestaltung zugeschrieben.

Als konkrete Maßnahme zur Qualitätsverbesserung werden in diesem Beitrag die Verortung sowie die Verbreitung von Evaluationen in Kitas in den Blick genommen, da sie sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch die Akteure im Feld auf unterschiedlichen Ebenen des Systems der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) unterstützen und Entwicklungsprozesse langfristig verankern können. Hierfür werden zunächst die 16 Landesvorgaben recherchiert und anschließend die tatsächliche Umsetzung von interner und externer Evaluation anhand der ERiK-Surveys 2020 aus der Perspektive der Jugendämter, Träger und Leitungen von Kitas ausgewertet.

Die aus den heterogenen Vorgaben entstehende Unsicherheit in der konkreten Umsetzung von Evaluationsprozessen in Kitas spiegelt sich in den Befunden wider: Auf lokaler Ebene machen Jugendämter eher im geringen Maße konkrete Vorgaben zu Evaluationen. Gleichzeitig geben weder alle Träger Maßnahmen zur Evaluation vor, noch setzen alle Kitas Evaluation im pädagogischen Kontext um. Differenzen zwischen Vorgaben und tatsächlicher Durchführung werden sichtbar und in Kontext landesspezifischer Regelungen gesetzt.

Die ausgewählten Befunde zeichnen die komplexen Dynamiken lokalen Steuerungshandelns und damit einhergehende Verantwortungsbereiche der beteiligten Akteure nach. Auf dieser Grundlage erfordert die Entwicklung und Sicherung von Qualitätsprozessen im Feld der FBBE eine kohärente Steuerung. Der Beitrag diskutiert, wie die Umsetzung und Sicherung von Evaluationsprozessen gelingen kann und bezieht internationale Diskurse der FBBE und angrenzende Themenfelder mit ein.



Das Ziel vitale Kirche: erste Ergebnisse der Validierung des Vitalitätsmodells

Nikita Katsuba

Zentrum für angewandte Pastoralfoschung, Deutschland

Seit Jahrzehnten kann der Zustand der deutschen katholischen Kirche treffend mit einem Wort beschrieben werden: Krise. Ihre Mitgliederzahlen gehen stetig zurück, Personalmangel ist flächendeckend, das Image der Kirche in der Gesellschaft ist angeschlagen und die Bänke bei den Sonntagsgottesdiensten werden immer leerer. All das führt dazu, dass die Kirche ihrem volkskirchlichen Selbstbild nicht mehr gerecht werden kann, da sie die Mehrheitsbevölkerung immer weniger repräsentiert.

Die Lösung dafür sind systemische Reformen mit dem Ziel, eine moderne, gesellschaftsadäquate und lebendige Kirche zu schaffen. Doch diese Reformen, die mit einer Umsteuerung der Ressourcen einhergehen, implizieren die Störung tradierter organisationaler Routinen, punktuellen Stellenabbau, Fusion von Kirchengemeinden usw. Dieser aufwändige, komplexe und schmerzhafte Prozess erfordert eine klar definierte und messbare Zielsetzung sowie eine durchgehende und zuverlässige Begleitung – von der Messung des Ist-Zustands bis hin zur Beantwortung der Frage, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden.

Zu diesem Zweck hat das Zentrum für angewandte Pastoralforschung das Modell der Vitalität religiöser Gemeinschaften entwickelt. Diese Vitalität wird durch vier Schlüsseldimensionen definiert: interne Funktionalität, geteilte Identität, situative Performanz und transformativer Einfluss. Alle vier Dimensionen werden operationalisiert und anhand eines Fragebogens zu zwei Zeitpunkten – dem Ist-Zustand zu Beginn der Evaluationsbegleitung und der Messung der Entwicklung – quantitativ gemessen. Der Anspruch des Modells ist universell: Es soll für unterschiedliche Organisationseinheiten der Kirche wie Innovationsprojekte, Stellen oder Organisationsroutinen gültig sein.

Die erste Validierung erfolgte im Rahmen von zwei unterschiedlichen Projektvorhaben mit insgesamt etwa 160 teilnehmenden Projekten und Stellen. Das Modell wurde einer Faktorenanalyse unterzogen, um seine Validität zu prüfen. Dabei ergab sich unter anderem, dass Einflussfaktoren wie geteilte Identität und situative Performanz sich empirisch als eigene Vitalitätsdimensionen bestätigen lassen. Außerdem wurden durch hierarchisch-agglomerative Clusteranalysen drei unterschiedliche typische Vitalitätsprofile von Projekten entdeckt, die jeweils unterschiedliche Wege zur Verfolgung ihrer Vitalitätsziele aufweisen. Es werden die Ergebnisse beider Analyseverfahren vorgestellt.