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Sitzungsübersicht
Sitzung
C2: Session C2: Teilhabe, Partizipation und Menschenrechte - Gegenstand und Prinzip in Evaluationen
Zeit:
Freitag, 15.09.2023:
9:00 - 10:30


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Präsentationen

Evaluation von universitären Maßnahmen zu Chancengleichheit und Antidiskriminierung

Svenja Hartwig

Universität Witten/Herdecke, Deutschland

Für die Sicherstellung gerechter Prozesse und diskriminierungsfreier Lehr-Lern- sowie Arbeitsräume werden an staatlichen Hochschulen schon seit längerem Gleichstellungsbeauftragte eingesetzt. An der privat geführten Universität Witten/Herdecke (UW/H) wurde jedoch erst vor Kurzem mit einem Team von fünf Beauftragten für Gleichstellung und Vielfalt eine neue Struktur für die Bearbeitung dieses wichtigen Themenkomplexes geschaffen. Dabei geht die Zielsetzung anders als an den meisten anderen Hochschulen über eine reine Gleichstellung der binären Geschlechter hinaus und es werden möglichst alle Diversitätsdimensionen einbezogen.

Eine Evaluation sollte nun einen ersten Überblick über die Wahrnehmung und Bewertung der bereits bestehenden Angebote (z.B. Sprechstunden, Fortbildungen oder Netzwerktreffen) geben und etwaige Verbesserungspotentiale und zusätzliche Bedarfe der Teilnehmenden identifizieren. Ein weiteres Ziel waren Rückmeldungen zu Ausmaß und Kontexten von Diskriminierungserfahrungen, die Angehörige der Hochschulgemeinschaft im Unikontext machen. Der verwendete Fragebogen wurde von Mitarbeitenden und Studierenden unter einem Mixed-Methods-Ansatz individuell konzipiert um sowohl quantitative Einschätzungen zu im Vorfeld festgelegten Aspekten, als auch qualitative, offene Antworten zu explorativen Fragestellungen zu erhalten. Die Zielgruppe der Befragung war die gesamte Hochschulgemeinschaft und die Stichprobe bestand nach Datenbereinigung aus N = 266 Teilnehmenden, was einem Rücklauf von knapp 10% entspricht. Hierbei waren die Statusgruppen anteilig in etwa wie in der Hochschulgemeinschaft repräsentiert. Die Ergebnisse zeigten insgesamt, dass Fragestellungen rund um Gleichstellung und Vielfalt, wie gesamtgesellschaftlich wahrnehmbar, auch an der UW/H kontroverse und teils emotionale Einschätzungen hervorrufen. So wurde bei den quantitativen Items die gesamte Skalenbreite in einer umfassenderen Weise als üblich genutzt und auch die offenen Antworten spiegelten Bewertungen von starker Ablehnung bis zu sehr positiven Meinungen zu den Themenbereichen wider. Spezifische Desiderata sahen die Teilnehmenden vor allem in der Gestaltung der Lehre, der Frauen- und Familienförderung sowie bei Informationsangeboten.

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden die bestehenden Angebote von den Verantwortlichen angepasst. Zudem werden weitere Projekte zu Chancengleichheit und Antidiskriminierung initiiert, die dann perspektivisch ebenfalls evaluiert werden sollen.



Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit in Evaluationen: Höherer Aufwand? Höhere Validität? Höhere Nützlichkeit?

Martin Bruder, Lena Taube

Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval), Deutschland

Die Verwirklichung von Menschenrechten und Geschlechtergerechtigkeit sind in den meisten Parteien Konsens. Insbesondere in der Außen- und Entwicklungspolitik wurde diese Ausrichtung jüngst durch die Festlegung auf eine feministische Politikorientierung bestärkt. Entsprechend steigen Erwartungen an Evaluationen, relevante Informationen bereitzustellen und selbst im Sinne der Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit vorzugehen.

Ein Review zur Evaluationspraxis in der Entwicklungszusammenarbeit zeigt jedoch, dass die Umsetzung von Menschenrechten und Geschlechtergerechtigkeit sowohl auf der Ebene der Evaluationsfragen als auch auf der Ebene der Evaluationsprozesse noch lückenhaft ist. Mit Blick auf die Evaluationsfragen soll eine bald erscheinende Handreichung der OECD Orientierung dazu geben, wie Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit entlang der Evaluationskriterien verankert werden können. Mit Blick auf den Evaluationsprozess bleiben jedoch Fragen: Welcher Aufwand ist damit verbunden, Menschenrechten und Geschlechtergerechtigkeit zu mainstreamen? Trägt dies zur Validität der Erkenntnisse bei oder bestehen Spannungsfelder mit anderen Evaluationsstandards? Und entsteht tatsächlich ein höherer Nutzen?

Vorhandene theoretische praxisorientierte Beiträge beantworten diese Fragen noch nicht hinreichend. Während theoretische Beiträge häufig einen starken Fokus auf das menschenrechtliche Prinzip der Partizipation legen und auf qualitative partizipative Methoden fokussieren, stellen einschlägige Handreichungen schwer erfüllbare Anforderungen an den Evaluationsprozess.

Aus unserer Sicht kann eine differenzierte Betrachtung mehrerer menschenrechtlicher Prinzipien wie Nicht-Diskriminierung und Chancengleichheit, Partizipation und Empowerment sowie Transparenz und Rechenschaftslegung dabei helfen, zielführende Designentscheidungen zu treffen. Für jedes dieser Prinzipien ist eine Unterscheidung nach (1) menschenrechts-/gender-sensibel, (2) menschenrechts-/gender-progressiv und (3) menschenrechts-/gender-transformativ möglich. Dieses differenzierte Raster erlaubt es, Stärken und Schwächen einzelner Evaluationsdesigns mit Blick auf Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit zu beurteilen und diese auf ihre Implikationen für Aufwand, Validität und Nützlichkeit zu hinterfragen. Zugleich trägt eine solche Betrachtung dazu bei, realistische Wege zu einer stärkeren Umsetzung dieser Prinzipien in ganz unterschiedlichen Evaluationsdesigns und Politikfeldern aufzuzeigen.



Reflexive Evaluation: Zur Rolle und zum Selbstverständnis einer partizipierenden Methode

Olaf Kleist, Andrea Prytula

Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), Deutschland

Wissenschaftliches Arbeiten und ihre politische und gesellschaftliche Kontextualität werden spätestens seit Max Weber als ein Spannungsfeld der Sozialwissenschaften erkannt. Dies führt auch bei Evaluationen zu Herausforderungen, wenn Ansprüche der Methode, der Auftraggeber und der Zielgruppen in Konflikt treten. In den letzten Jahren sind zur Überbrückung dieses Widerspruchs vermehrt Ansätze der Partizipation aufgegriffen worden, um verschiedene Stakeholder in den Evaluationsprozess einzubeziehen. Doch werden damit Konflikte häufig nur in den Konzeptions-, Erhebungs-, Auswertungs- bzw. Interpretationsprozess verlegt. Hingegen ignorieren traditionell-positivistische Evaluationsansätze den Widerspruch und suchen Kompromisse zwischen einer vermeintlichen Methodenreinheit und einer auftragsgefälligen Forschung.

Wir möchten die gesellschaftliche und politische Rolle von Evaluation verorten, um von dort aus ihre Ziele und Methoden neu denken zu können. Anders als theoriegeleitete Wissenschaft kann die Evaluation von einer spezifischen Aufgabe ausgehen, um ihre Methoden im Verhältnis zu anderen Stakeholdern zu entwickeln und anzuwenden. Anstatt Auftraggeber*innen und Zielgruppen am Evaluationsprozess zu beteiligen, so schlagen wir vor, sollte sich die Evaluation am zu evaluierenden Gegenstand beteiligen und ihre wissenschaftliche Expertise auf die zu untersuchenden Wirkziele ausrichten.

Am Beispiel einer Programmevaluation diskutieren wir zunächst die Rolle von Evaluation in einem Politikfeldzirkel. Dabei argumentieren wir, dass alle Programmakteure – einschließlich der Evaluierenden – auf die Erreichung gemeinsamer Wirkziele festgelegt sind aber unterschiedliche Aufgaben erfüllen und dabei in spezifischen Beziehungen zueinander stehen. Davon ausgehend diskutieren wir wie Methoden der Evaluation einerseits zur Zielerreichung beitragen und andererseits die spezifischen Expertisen der Programmakteure einbeziehen können. Hierfür stellen wir Überlegungen zur Evaluation vor, mit denen sowohl die Zielerreichung als auch die Evaluation unterstützt werden und somit im partizipierenden Verfahren Synergien statt Konflikte hervorgebracht werden können. Schließlich diskutieren wir die Übertragbarkeit und (politischen) Grenzen dieses Ansatzes.