Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
E4: Session E4: Alter, Pflege und Eingliederung: Erkenntnisse aus Evaluationen
Zeit:
Freitag, 15.09.2023:
13:00 - 14:30


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Präsentationen

Kritische Distanz trotz Erfolgsdruck: Konstruktiver Umgang mit Zielkonflikten bei der Evaluation eines digitalen Rollators

Ina Dupret, Katja Schertler, Dagmar Renaud

htw saar Deutschland

Projekte zur Entwicklung digitaler Technologien, die auf eine Förderung der Mobilität und sozialen Teilhabe im Alter zielen, stellen ein neues Arbeitsfeld für Evaluator*innen dar. Letzteren fällt u.a. die Aufgabe zu, einen iterativen „Aushandlungsprozess zwischen Technikentwicklern, Nutzenden und weiteren Stakeholdern“ (Kunze 2021, 137) zu begleiten. Projekte zur teilhabefördernden Technologieentwicklung sind mit hohen Erwartungen in Bezug auf die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen im Kontext des demographischen Wandels verknüpft. Auch werden damit „innovationspolitische wie auch marktwirtschaftliche Interessen“ (Endter 2020, 124) verfolgt. Hieraus kann ein Erfolgsdruck resultieren, der auf die Projektbeteiligten einwirkt.

Das Spannungsfeld zwischen Erfolgsdruck und der Einhaltung wissenschaftlicher Standards wird am Beispiel der Evaluation des Projektes „DigiRoll“ reflektiert. Im Projekt wurde eine Elektronikbox, die am herkömmlichen Rollator befestigt wird und unterschiedliche Assistenzsysteme enthält (u.a. Sturzerkennung, manueller Hilferuf, Gehwegbeleuchtung und Hinderniswarnung), entwickelt und in Bezug auf ihre Wirkungen evaluiert. Das Projekt bestand aus einer formativen Pilotphase, in der die Alltagstauglichkeit der Elektronikbox unter Beteiligung der Zielgruppe überprüft wurde. In der anschließenden Feldphase wurden die Wirkungen der Elektronikbox im RCT-Design evaluiert und dabei die Outcome-Indikatoren „Sturzhäufigkeit“, „Sturzangst“, „Mobilität“, „soziale Teilhabe“ und „Lebensqualität“ anhand standardisierter Erhebungsinstrumente erhoben. Dabei stellte sich die dem Projektdesign zugrunde liegende Überschätzung der potenziellen Wirkungen der zu entwickelnden Technik als eine Schwierigkeit dar. Zugleich war sowohl die Komplexität der Bedarfe der Nutzer*innen als auch der Zeitaufwand einer angemessenen Beteiligung der Zielgruppe unterschätzt worden. Im Vortrag wird erläutert, wie das Evaluationsdesign angesichts der dargestellten Zielkonflikte angepasst wurde. Die entsprechenden Lösungen werden in Hinblick auf die Einhaltung der DeGEval-Standards diskutiert.

Literatur

Endter C (2020): Assistiert Altern. Die Entwicklung digitaler Technologien für und mit älteren Menschen. Springer, Wiesbaden

Kunze C (2021): Nutzerorientierte und partizipative Ansätze in Gestaltungs- und Aneignungsprozessen von teilhabefördernder Technik. In: Schäfers M, Welti F (Hrsg.): Barrierefreiheit - Zugänglichkeit - Universelles Design. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, S. 133–14



Von den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Implementierung der neuen Personalbedarfsbemessung in der stationären Langzeitpflege: Interesse wecken – Akzeptanz sichern.

Dr. Heidemarie Kelleter1, Dr. Maria Laura Bono2

1Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V., Georgstr.7, 50676 Köln; 2datenkompass Unternehmensberatung Bono & Partner GmbH, Rosenberggürtel 34a, AT-8010 Graz

Eine fachlich angemessene Pflegepersonalmenge langfristig in der stationären Langzeitpflege sicherzustellen, gehört zu den drängendsten gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Voraussetzung dafür ist ein einheitliches Verständnis und eine standardisierte Vorgehensweise in der Berechnung des notwendigen Pflegepersonals. Der Auftrag, eine wissenschaftlich fundierte Bemessung des Personalbedarfs zu entwickeln, in dem nicht nur die Anzahl der zu versorgenden pflegebedürftigen Menschen in der Langzeitpflege zugrundgelegt wird, sondern auch das Ausmaß ihrer beurteilten Pflegebedürftigkeit wurde vom Gesetzgeber im Zweiten Pflegestärkungsgesetz nach § 113c SGB XI an die Universität Bremen vergeben. Wissenschaftlich gesehen ist die Fragestellung geklärt und eine fundierte Basis für Entscheidungen in Pflegeeinrichtungen gegeben. Mit diesen quantitativen und qualitativen Maßstäben der Bemessung wird jedoch eine Personal- und Organisationsentwicklung intendiert, die sowohl zeitliche Ressourcen als auch Kompetenzen erfordert. Für die Umsetzung braucht es deshalb nicht nur das Interesse am Thema, sondern insbesondere die Akzeptanz der Ergebnisse seitens der Akteurinnen und Akteure in der Praxis. Hierfür ist Können in der Entwicklung von Teams und Organisationen gefragt, um etwaige Blockaden zu lösen, Fehler zu vermeiden und die Aussichten, die mit dem neuen Personalbemessungssystem tatsächlich verbunden sind, erfolgreich zu nutzen.

Der Einzelvortrag gibt zunächst einen Überblick in das entwickelte Konzept der Personalbemessung. Zudem wird auf die methodische Vorgehensweise der wissenschaftlichen Evaluation von Personalbedarf eingegangen und die Chancen und Grenzen von Personalbemessung in personenbezogenen Dienstleistungen aufgezeigt. In weiterer Folge werden die Herausforderungen für die praktische Anwendung beleuchtet sowie Lösungsansätze, um das Interesse bzw. die Akzeptanz von Betroffenen und potenziellen Nutzerinnen und Nutzern zu sichern. Abschließend gehen die Autorinnen auf Learnings und Übertragungsmöglichkeiten auf andere gesellschaftliche Bereiche ein und eröffnen somit den Raum für Reflexion und Dialog mit den Teilnehmenden am Vortrag.

  • Transfer von wissenschaftlichen Ergebnissen in die Praxis
  • Generierung von Akzeptanz seitens der Betroffenen und Beteiligten
  • Implementierung in die Praxis
  • Reflexion von Praxisanwendungen und Implikationen


Ex-ante Wirkungen bestimmen - Learnings aus der Vorabevaluation einer zukünftigen gesetzgeberischen Verordnung

Laura Maria Lorenz, Mara Bartling, Nikola Ornig

Kienbaum Consultants International GmbH, Deutschland

Mit dem Tagungsbeitrag werden wir die methodischen Herausforderungen an eine interdisziplinäre Vorabevaluation einer zukünftigen gesetzgeberischen Verordnung diskutieren und reflektieren. Zudem werden wir grundsätzliche Learnings für prospektive Evaluationen aus einem Projektbeispiel ableiten.

Die Ex-Ante-Untersuchung politischer Interventionen und Regulationen ist vor dem Hintergrund der Unsicherheiten und Unwägbarkeiten in von Komplexität geprägten Systemen gleichermaßen anspruchsvoll wie relevant. Ziel ist es dabei, durch eine möglichst realitätsgetreue Abbildung des zukünftigen Zustands Wirkungen, Risiken und Folgen der geplanten Veränderung zu identifizieren. Methodisch geht eine Vorabevaluation mit einigen besonderen Herausforderungen einher. So kann zum Beispiel durch eine kontrollierte Untersuchungsumgebung zwar hohe interne Validität erreicht werden, die abzubildende Komplexität der praktischen Realität sowie die mögliche Reaktivität der Studienteilnehmenden jedoch externe Validität einschränken (Wolbring/Keuschnigg 2015).

Diese und weitere methodische Herausforderungen (u.a. bzgl. der Erhebungsinstrumente, der Kontextfaktoren und der interdisziplinären Herangehensweise) werden wir anhand eines Projektbeispiels einer Vorabevaluation im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales illustrieren: der im Rahmen des Bundesteilhabegesetztes neu entworfenen, den Leistungszugang in der Eingliederungshilfe konkretisierende Verordnung (VOLE). Die Untersuchung soll Aussagen darüber generieren, ob und welche Veränderungen des leistungsberechtigten Personenkreises durch die Einführung der VOLE zu erwarten sind. In der Vorabevaluation wurden nach einer Exploration zunächst juristische und medizinische Analysen der Rechtstexte vorgenommen. Diese Analysen wurden anschließend mit einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung verschränkt. Dazu wurden in Fallstudien Praktiker:innen Fallvignetten vorgelegt, die typische Fallkonstellationen aus ihrer Berufspraxis simulieren. Diese Vignetten wurden sowohl anhand der bisher gültigen Eingliederungshilfe-Verordnung als auch anhand der VOLE bearbeitet.

Literatur: Wolbring, T. & Keuschnigg, M. (2015). Feldexperimente in den Sozialwissenschaften. In T. Wolbring und M. Keuschnigg (Hrsg.), Experimente in den Sozialwissenschaften (S. 222-250). Baden-Baden: Nomos.