Agile Formen des Projektmanagements lassen sich in der Förderpraxis unterschiedlicher Politikbereiche finden. Sogenannte Experimentierräume werden nicht nur in der Forschungsförderung ausgeschrieben (vgl. Websites Volkswagenstiftung und Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)), sondern auch vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Als Experimentierraum wird das geförderte Projekt nicht als geradliniger, sondern iterativer Prozess gestaltet, bei dem das Ausprobieren im Mittelpunkt steht und ein Scheitern erlaubt ist. So soll der implizit oder explizit auf den Geförderten lastenden Bringschuld funktionierender Innovationen oder Produkte vorgebeugt werden. Daraus ergeben sich auch für die Evaluationslogik neue Herausforderungen, die Gegenstand dieser Session sind.
Ging Evaluation klassischerweise von einer linearen Förderung aus, in der es gilt, eine Indikatorik für Input – Output – Outcome und Impact zu definieren, zu erheben und auszuwerten, gilt es für Experimentierräume nun zu diskutieren, wie eine den iterativen und erfolgsoffenen Lernprozessen angemessene Methodik entwickelt, angewendet und die Ergebnisse nachvollziehbar berichtet werden können.
Schließlich erwarten die Fördermittelgeber auch bei agilen Projekten von Evaluierenden Evidenz für die erfolgreiche Durchführung. Kann diese Evidenz nicht erbracht werden bzw. zeigt sie zu wenig Chancen des Förderinstrumentes auf, ist anzunehmen, dass für die Zukunft wieder andere Förderformate angeboten werden. Evaluation kann somit direkten Einfluss auf die künftige Vergabe von Fördergeldern nehmen.
Es ergeben sich mehrere Fragen:
- Wie kann Projekterfolg operationalisiert werden, wenn Projektziele immer wieder neu angepasst werden?
- Welche Konsequenzen ergeben sich für das Verhältnis von formativen versus summativen Evaluationsansätzen?
- Wird die Möglichkeit des Experimentierens und ergebnisoffenen Handelns überhaupt ausgeschöpft? Welche administrativen Konsequenzen ergeben sich?
- Wie können Evaluationsdesigns gestaltet werden, die gleichermaßen offen für intendierte und nicht-intendierte Effekte sind?
- Inwiefern ändert sich die Bedeutung von qualitativen im Vergleich zu quantitativen Methoden?
Theoretisch bietet der Ansatz der „Developmental Evaluation“ (Patton, 2010) Antworten auf diese Fragen, der somit den Diskussionsrahmen der Session fundiert. Insbesondere werden die Anwendung der Konzepte „complex adaptive systems“ und „multiple loop learning“ und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Evaluation von Experimentierräumen sowie die Implikationen für die Rolle der Evaluierenden adressiert.
Praktisch werden diese Fragen aus verschiedenen Perspektiven am Beispiel der BMAS-Förderrichtlinie „Zukunftsfähige Unternehmen und Verwaltungen im digitalen Wandel“ beleuchtet, deren Ziel es ist, technologische und wirtschaftliche Veränderungsprozesse mit sozialen Innovationen zu verbinden, vor allem hinsichtlich konsensualer Lösungen für Beschäftigte und Unternehmen. Unter dem Dach der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) werden über zwei Förderrunden insgesamt 28 Projekte gefördert, die jeweils extern evaluiert werden. Die Projekte werden in der Regel fachlich und wissenschaftlich durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) begleitet. Die Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (HS Bund) wurde mit der Gesamtevaluation der Förderrichtlinie beauftragt, um die Ergebnisse der Einzelevaluationen hinsichtlich ihrer Transferwirkung und die Wirksamkeit des Förderinstruments Experimentierraum zu untersuchen.
Die Session ist als Podiumsdiskussion zwischen den Vortragenden geplant. Das heißt es werden vier Inputs à 15 Min. und eine Diskussionszeit von 30 Min. geplant.
Zu den Einzelevaluationen wird am Beispiel der Projekte MADAM und DIAMANT referiert: Das Projekt MADAM Mobile Arbeit wird digital – Digitale Arbeit wird mobil entwickelte innovative Gestaltungslösungen für digital-mobile Arbeit beim Fahrpersonal sowie bei der Büroarbeit in den Leipziger Verkehrsbetrieben. Die bislang weitestgehend isoliert arbeitenden Fahrenden wurden per Tabletanwendung vernetzt, um sie stärker in betriebliche und soziale Prozesse zu integrieren, die Kommunikation zu verbessern und ihre betriebliche Teilhabe zu stärken. Beschäftigten mit kaufmännischen Aufgaben wurde über vorhandene Teilzeit- und Telearbeitsoptionen hinaus ein orts- und zeitflexibleres digitales Arbeiten ermöglicht. Im Projekt DIAMANT Digitalisiertes Ideen- und Arbeitsmanagement in Produktion, Logistik und Handel entwickelten die Universitäten Hohenheim, Bremen, Duisburg-Essen und die FOM Hochschule Essen gemeinsam mit drei Unternehmen Digitalisierungsstrategien für wertschöpfungsrelevante Prozesse und begleitete deren Umsetzung im betrieblichen Alltag. Um Arbeit sicher, gesund und motivierend zu gestalten, wurde zudem ein Risk Assessment Tool für psychische Belastung und Beanspruchung entwickelt, welches bereits über das Projekt hinaus eingesetzt wird.