Um den Herausforderungen nachhaltiger Stadtentwicklung – etwa der Mobilitätswende – zu begegnen, ist eine Beteiligung von Bürger:innen im Sinn einer Haltung der Fürsorge für die gemeinsame Umgebung unumgänglich. Unter den Bedingungen multipler Krisenerfahrungen, zeigt sich jedoch häufig gerade eine gegenläufige Tendenz: individualisierte Sorge um eigene Positionen und Handlungsmöglichkeiten. Um diese besser verstehen zu können und Möglichkeiten der Intervention zu entwickeln, braucht es neben der Betrachtung struktureller Aspekte auch einen sozialpsychologischen Blick auf eben jene Erfahrungen der Individualisierung.
In unserem Beitrag wollen wir deshalb anhand von Gruppendiskussionen mit jungen Wiener:innen aus unserem Forschungsprojekt "Wiener Mobilitätsklima" folgenden Fragen nachgehen: Wie sind Mobilitätspraktiken in der Stadt durch die individualisierte Sorge um das eigene Selbst geprägt? Wie steht dies in Zusammenhang mit der sozialen Lage? Und, inwiefern werden Fragen der nachhaltigen Mobilität vorwiegend als individualisierter Aufruf zu Selbstdisziplinierung Thema? Eine so gerahmte Auseinandersetzung mit der Klimakrise stellt nicht kollektive Verantwortlichkeit und Fürsorge für urbane Umwelten in den Vordergrund. Verhandelt wird vielmehr eine Selbstdisziplinierung, die sich an das Innere des Individuums richtet und an seine – aus dem Interdependenz-Gefüge entkoppelte – Verantwortlichkeit appelliert. Die so zentral gestellte Bereitschaft zum individuellen Verzicht gerät dann allerdings in Konflikt mit den empirisch rekonstruierten alltäglichen Handlungsmaximen der individualisierten Akteur:innen: „Wie kann ich für mich Zeiteffizienz steigern?“ „Wie kann ich meine persönliche Sicherheit abgekoppelt von den Anderen sicherstellen?“ „Wie kann ich mich aus dem sozialen Moment der Mobilität – der sozialen Exponiertheit, des Angewiesen-Seins auf Andere – zurückziehen?“
In unserem Beitrag arbeiten wir die Grundzüge eines solchen ent-sorgenden/ent-solidarisierenden Diskurses um nachhaltige Praktiken in urbanen Umwelten heraus, um davon ausgehend Perspektiven einer anderen, solidarischen und fürsorglichen Praxis auszuloten. Damit möchten wir dafür plädieren, neben der infrastrukturellen, stadtplanerischen und rechtlichen, auch die psychologische Perspektive auf die Betroffenen, angemessen in die Debatte um nachhaltige Entwicklung in der Stadt einzubeziehen.
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In order to meet the challenges of sustainable urban development - such as the mobility transition - the participation of citizens in caring for the shared environment is essential. Under the conditions of multiple crisis experiences, however, there is often a tendency in the opposite direction: individualised concern for one's own positions and options for action. In order to better understand these tendencies and to develop possibilities for intervention, a social-psychological view of precisely these experiences of individualisation is required in addition to the consideration of structural aspects.
Based on group discussions with young Viennese from our research project "Vienna Mobility Climate", we would like to explore the following questions: How are mobility practices in the city shaped by individualised self-interest? How does this relate to the social situation? And to what extent are questions of sustainable mobility primarily addressed as an individualised call for self-discipline? A discussion of the climate crisis framed in this way does not emphasise collective responsibility and care for the urban environment. Instead, what is negotiated is a self-discipline that is directed at the individual's inner self and appeals to a sense of responsibility that is divorced from the structure of interdependence. However, this central willingness to make individual sacrifices then comes into conflict with the empirically reconstructed everyday action maxims of the individualised actors: "How can I increase my time efficiency?" "How can I ensure my personal safety independently of others? "How can I withdraw from the social moment of mobility - social exposure, dependence on others?
In our presentation, we outline the main features of such a de-solidarizing discourse on sustainable practices in urban environments in order to explore perspectives of a different, solidary and caring practice. In doing so, we argue that in addition to the infrastructural, urban planning and legal perspectives, the psychological perspective of those affected should also be adequately included in the debate on sustainable development in the city.